Bleibt er oder nicht? Seit Monaten wächst der Druck auf Jerome Powell, Chef der US-Notenbank Fed. Eigentlich ist der 72-Jährige noch bis Mai kommenden Jahres regulär im Amt. Doch vor allem US-Präsident Donald Trump forciert mit Nachdruck einen vorzeitigen Abschied: „Ich finde, er hat schlechte Arbeit geleistet, aber er wird ziemlich bald weg sein. In acht Monaten wird er weg sein“, sagte Trump am Dienstag vor der Presse im Weißen Haus.
Trump sieht US-Wirtschaft belastet
Der US-Präsident wirft Powell vor, der heimischen Wirtschaft zu schaden. So habe er die Zinsen seit Dezember nicht gesenkt und belaste damit unter anderem den Immobilienmarkt. Die Zinsen sollten drei Prozentpunkte niedriger sein, „vielleicht sogar mehr“, fügte Trump bei einem Treffen mit dem philippinischen Präsidenten hinzu. Powell hingegen hatte zuletzt wiederholt erklärt, nicht früher aus dem Amt scheiden zu wollen. Ein ungleiches Gezerre: Rückendeckung, etwa von wichtigen Vertretern der Wall Street, konnte sich der Notenbankchef bislang sicher sein.
Doch nun hat sich mit Mohamed El-Erian auch ein bekannter Ökonom öffentlich gegen Jerome Powell gestellt. In einem Beitrag auf X schrieb der Chefberater des Allianz-Konzerns: „Wenn es das Ziel von Fed-Chef Powell ist, die operative Autonomie der Notenbank zu schützen (was ich für entscheidend halte), sollte er zurücktreten.“ Zwar räumte El-Erian ein, dass dies „nicht die Mehrheitsmeinung“ sei – die favorisiere ein Verbleiben Powells bis zum regulären Ende seiner Amtszeit im Mai. Doch angesichts der sich zuspitzenden Lage hält er einen Rücktritt für das kleinere Übel: „Es ist besser als das, was sich jetzt abspielt – die zunehmende und sich ausweitende Bedrohungen der Unabhängigkeit der Fed.“
Nach US-amerikanischem Recht kann der Präsident den Fed-Chef nicht einfach wegen eines Streits über die Zinspolitik entlassen. Die Trump-Regierung hatte daher zuletzt versucht, die hohen Kosten der derzeit laufenden Renovierung der Fed-Zentrale in Washington zum Thema zu machen. Zwar gestand Powell Mehrkosten ein, Vorwürfe über einen luxuriösen Ausbau wies er jedoch zurück.
Trump gegen die Fed: „Wehret den Anfängen“
Mit Sorge blicken manche Experten in Deutschland auf die jüngsten Entwicklungen. Frühzeitig nachzugeben, um politischen Druck zu entschärfen, könne in Einzelfällen zwar sinnvoll sein, sagte Holger Schmieding, Chefökonom der Berenberg Bank. „In diesem Fall aber nicht. Bei Trumps Angriffen auf die Fed gilt stattdessen: wehret den Anfängen.“ Ein Rücktritt Powells zum jetzigen Zeitpunkt würde laut Schmieding einen „gefährlichen Präzedenzfall“ schaffen – und könne die Glaubwürdigkeit der Fed weltweit beschädigen.
Hinzu kommt die fragile Finanzlage der USA. Um das anhaltend hohe Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren, ist Washington aus Sicht von Schmieding auf das Vertrauen internationaler Anleger angewiesen. Wächst die Befürchtung, Trump könnte einen künftigen Fed-Präsidenten zu einer inflationär wirkenden Zinspolitik drängen, werde das langfristig den Dollar schwächen – und die Risikoprämien auf US-Staatsanleihen steigen lassen. „Für die USA – und die globale Finanzstabilität – wäre das eine gefährliche Kombination.“
Nachfolgersuche läuft schon
Ob sich die US-Regierung davon aufhalten lässt, ist mindestens fraglich. In Trumps Umfeld wird Medienberichten zufolge bereits laut über mögliche Nachfolger nachgedacht. Finanzminister Scott Bessent ließ kürzlich durchblicken, dass intern längst Gespräche geführt würden.
Namen wurden bisher nicht genannt – doch Trump hatte bereits in seiner ersten Amtszeit mit Loyalität und politischer Gefolgschaft als Maßstab für Personalentscheidungen nicht hinter dem Berg gehalten. Als Präsident hat Trump das Recht, den nächsten Notenbankchef zu nominieren. Die Ernennung muss allerdings vom US-Senat bestätigt werden. Dort haben Trumps Republikaner allerdings eine knappe Mehrheit.