Nike will mit einem neuen Chef das Ruder herumreißen und setzt dabei auf einen Firmenveteranen. Der US-Sportatikelhersteller holt den ehemaligen Manager Elliott Hill als Nachfolger des glücklosen Konzernchefs John Donahoe ins Unternehmen zurück. Hill war bereits 32 Jahre lang beim US-Sportartikelhersteller tätig und hatte Führungspositionen in Europa und Nordamerika inne, bis er sich 2020 zurückzog.
Der 60-Jährige will seinen neuen Posten am 14. Oktober antreten. Der bisherige Chef John Donahoe werde für eine reibungslose Amtsübergabe noch bis Ende Januar als Berater an Bord bleiben, teilte Nike mit.
An der Börse kam die Ankündigung gut an. Gleich danach stiegen Nike-Aktien zeitweise um rund zehn Prozent. Auch am Morgen ging es steil nach oben mit rund 6 Prozent Plus.
Nike kämpft mit geringerer Nachfrage und verärgerten Händlern
Trotzdem gehen Analysten davon aus, dass es einige Zeit dauern wird, bis Nike seine Nachfrage wieder beleben kann – schlicht, weil Innovationen und neue Produktlinien Zeit brauchen. Nach einem Schub in der Corona-Pandemie, in der alle mehr Zeit für Sport hatten, kühlte das Geschäft von Nike schnell ab. Im Ende Mai abgeschlossenen vergangenen Geschäftsjahr stagnierte der Umsatz bei knapp 51,4 Mrd. Dollar.
Vor allem im US-Markt kämpft Nike mit der Konkurrenz neuer, hipper Marken wie Hoka von Deckers oder der vom Schweizer Tennisstar Roger Federer unterstützten On. Und auch gegen die Retro-Modelle wie „Samba“ und „Gazelle“, mit denen der deutsche Konkurrent Adidas die Trennung von Skandal-Rapper und Designer „Ye“ (Kanye West) vergessen machte, hat der US-Konzern noch kein Rezept. Gerade befindet sich Nike in einem von Donahoe gestarteten Sparprogramm.
Doch nicht nur das: Der neue Chef muss auch einige Wogen glätten und Beziehungen zu Partnern wieder aufbauen, sagt David Swartz, Senior-Analyst bei Morningstar Research. Nike habe im Laufe der Jahre einige Kunden fallen gelassen, um Produkte direkt über den eigenen Online-Shop zu vertreiben. Die Wette ging aber genauso wenig auf wie bei Adidas, die seit längerer Zeit wieder verstärkt auf den stationären Fachhandel setzen. Daneben hat Nike aber auch Produkte eingestampft und damit bei Schuhhändlern für eine gewisse Abneigung gesorgt.
Den Wechsel sieht Morningstar-Analyst Swartz daher positiv. „Es sieht klar so aus, als wollte Nike jemanden mit viel Erfahrung und tiefem Wissen über Nike und seine Probleme zurückbringen – im Gegensatz zu John Donahoe, der ohne Erfahrung in die Branche kam“, sagt Swartz. Auch Jessica Ramirez von Jane Hali and Associates sagt, dass der Chefwechsel ein positives Signal sende, weil Hill jemand sei, der die Marke und das Unternehmen sehr gut kenne. Und noch deutlicher machte es Jim Duffy, Managing Director beim Vermögensverwalter Stifel : „Ein Tech-Manager bei einem Konsumgüterkonzern war der falsche Ansatz".
Hill begann als Praktikant bei Nike
Hill, geboren im texanischen Austin, begann seine Karriere 1988 einst als Praktikant bei Nike und übernahm seitdem 19 verschiedene Funktionen innerhalb des Konzerns, war unter anderem für das Verbrauchergeschäft zuständig. 2020 zog er sich zurück. Seine Rückkehr weist Parallelen zu Walt Disney auf: Der strauchelnde US-Medienkonzern holte 2022 ebenfalls den früheren Chef Bob Iger aus dem Ruhestand und ernannte ihn als Nachfolger seines Nachfolgers.
Der scheidende Nike-Chef Donahoe, der zuvor unter anderem die Handelsplattform Ebay geführt hatte, war seit 2020 in dieser Position. Die Hoffnung war, dass seine Erfahrung aus der Tech-Industrie den Konzern modernisieren kann. Zu seiner Strategie gehörte, stärker auf Direktverkäufe zu setzen. Die Kehrseite war jedoch, dass der von Nike aufgegebene Regalplatz in Läden zum Teil durch Produkte der Konkurrenz ausgefüllt wurde. Diese erzielten damit zuletzt gute Umsätze, weil der Sportartikelmarkt grundsätzlich stark wächst. Nike hingegen stagnierte – und das lag neben dem schwachen Direktvertrieb auch an großen Strategiefehlern.
So gestand auch Chef Donahoe im April ein, dass man lange Zeit die wichtige und stark wachsende Sparte Running zu stark vernachlässigt habe, wo neue Player wie On, Hoka, Joe Nimble und True Motion dem Unternehmen das Wasser abgraben. Aktuell gilt die Nike-Technologie in der Szene als antiquitiert gegenüber Adidas und Asics, weshalb riesige Investitionen notwendig werden. Bis die aber in den Köpfen der Läuferinnen und Läufer ankommt, wird es wohl Jahre dauern.
Daneben führte Donahoes Restrukturierungsprozess zu unerwünschten Nebenwirkungen. Donahoe strich ganze Sparten zusammen und setzte stattdessen auf drei Kategorien: Männer, Frauen und Kinder. Das Ziel waren schlankere Strukturen und mehr Effizienz. In der Praxis führte dies allerdings zu Streuverlusten im Online-Marketing, weil ein angezeigter Schuh möglicherweise aus der Damen-Kategorie entsprang – und somit zu klein war für viele männliche Kunden. Das führte zu Frust bei Kunden und zu unnötigen Werbeausgaben bei Nike.