Das Pariser Abkommen hat jetzt ein Preisschild: Um dessen Ziele zu erreichen, muss nach einer neuen Berechnung bereits 2025 etwa eine Billion US-Dollar in die Energiewende, die Anpassung an den Klimawandel und in den Erhalt von Naturflächen im Globalen Süden (mit Ausnahme von China) investiert werden. Bis 2030 steigt dieser Bedarf laut der Studie „Finance for Climate Action“ auf jährlich 2,4 Billionen Dollar.
Den Bericht hat die „High Level Expert Group on Climate Finance“ im Auftrag der britischen und ägyptischen COP-Präsidentschaft erstellt. Unter Leitung der Ökonomen Vera Songwe und Sir Nicolas Stern raten die Autoren:
2030 müssten von insgesamt 2,4 Billionen etwa eine Billion Dollar aus „externen Finanzflüssen“ in die Entwicklungs- und Schwellenländer fließen. Die restlichen 1,4 Billionen sollten „aus heimischen privaten und öffentlichen Quellen“ kommen.
„Vitales Selbstinteresse“ des globalen Nordens
„Die reichen Länder sollten erkennen, dass es in ihrem vitalen Selbstinteresse liegt und eine Sache der Gerechtigkeit ist (...), in den Klimaschutz in Schwellen- und Entwicklungsländern zu investieren“, sagte Nicolas Stern bei der Vorstellung des Berichts. Das meiste Wachstum in Energieinfrastruktur und Konsum werde dort stattfinden. Sollten diese Länder sich abhängig von fossilen Energien machen, werde die Welt den gefährlichen Klimawandel nicht verhindern können, so Stern.
Schwellen- und Entwicklungsländer „sollten mit Investoren, entwickelten Ländern und multilateralen Institutionen zusammenarbeiten“, um das nötige Kapital zu mobilisieren, so der Bericht. Die eine Billion Investments würden die bisherigen Ausgaben für den Klimaschutz in diesen Ländern von aktuellen 500 Milliarden verdoppeln.
Dreimal so viele Investment, doppelt so viele günstige Kredite
Zu einem solchen „Durchbruch“ bei den Klima-Finanzen müssten aber auch viele andere beitragen, so die Autoren:
- Multilaterale Entwicklungsbanken sollten in fünf Jahren ihre Investments in diesem Bereich verdreifachen.
- Industrieländer sollten ihre Ausgabe von günstigen Krediten verdoppeln.
Neue Finanzierungswege seien nötig:
- durch freiwillige Kohlenstoffmärkte
- die Nutzung besonderer Ziehungsrechte bei der Weltbank oder
- private Stiftungsgelder und Garantien ähnlich der Internationalen Finanzierungsfaszilität für Bildung.
Das sind „nicht die neuen 100 Milliarden“
Der Bericht warnt ausdrücklich: „Die Billion ist nicht die neue 100 Milliarden“. Die Billion sei das Ergebnis einer Analyse von Investments-Bedarf und finanzieller Kapazitäten für effektiven Klimaschutz. Dagegen sei die Summe der 100 Milliarden politisch verhandelt und versprochen.
Diese 100 Mrd. Dollar im Jahr sind bisher die magische Grenze. Die Industriestaaten haben 2010 bei der COP16 im mexikanischen Cancun versprochen, ab 2020 jedes Jahr diese Summe für Klimaschutz im Globalen Süden aufzubringen. Die Summe besteht aus öffentlichen Zuschüssen, Krediten und Hilfsprogrammen, aber zu einem großen Teil auch aus privaten Investitionen, etwa in Erneuerbare Energien. Auch Zahlungen an den „Green Climate Fund“ oder die Umweltfazilität GEF gehen darin auf.
Das Versprechen wurde nicht eingehalten: 2020 lagen die Zahlungen unter der Grenze, wie die Industrieländerorganisation OECD offiziell festgestellt hat. Eine entscheidende Ursache ist, dass nicht genügend privates Kapital zusammen kam. Die Verfehlung des 100-Milliarden-Finanzziels ist nicht nur eine Enttäuschung für Menschen, die auf diese Hilfe hoffen. Sondern auch immer wieder ein Argument bei den Verhandlungen, dass der globale Norden insgesamt sein Versprechen nicht hält.
Die Kurve zeigt, wie die Summe anwächst, aber nicht ausreicht. Um das Versprechen nachträglich zu halten, haben die OECD-Länder 2021 versprochen, bis 2025 über die 100 Milliarden zu gehen, um die Lücken aufzufüllen. Ob es dazu kommt, angesichts der finanzielle Belastungen der Staatshaushalte aus Covid-Krise und Ukraine-Krieg oder dem Widerstand im US-Kongress gegen Klimafinanzierung im Ausland, ist fraglich.
Berechnung und Definition häufig umstritten
Neben der Höhe der Gesamtsumme waren die Finanzflüsse und ihre Berechnung schon häufig umstritten. Ein großer Teil sind Kredite, die selbst bei günstigeren Konditionen die Verschuldung der armen Länder erhöhen können. Auch war lange unklar, welche Leistungen die Industriestaaten sich anrechnen und ob etwa die bisherige Entwicklungshilfe nur ein grünes Etikett bekommt.
Außerdem gibt es bei den Zahlungen ein großes Übergewicht für „Minderung“ des Klimawandels gegenüber Projekten zur Anpassung. Denn der Bau etwa von Wind- oder Solaranlagen ist ein lukratives Geschäftsmodell für europäische und US-amerikanische Investoren. Ausgaben für neue Dämme oder nachhaltige Landwirtschaft, die zur Anpassung an den Klimawandel beitragen, zahlen sich oft weniger direkt in Gewinnen aus.
Geld für Anpassung verdoppeln
Bei der COP26 in Glasgow 2021 haben die Geberländer zugesichert, ihre Zahlungen für Anpassung bis 2025 auf 40 Milliarden Dollar zu verdoppeln. Der Thinktank IIED wirft ihnen vor, diesen Kurs nicht konsequent zu verfolgen.
Die Finanzexperten der Entwicklungsorganisation Oxfam haben nach ihren eigenen Kriterien errechnet, dass von den offiziellen Ausgaben der Industrieländer bisher tatsächlich nur etwa ein Drittel effektiv dem Klimaschutz in den armen Ländern zugutekommen. Die Zahl liegt deutlich unter den offiziellen Zahlen, denn sie kalkuliert etwa nur die Zuschüsse und den Anteil an den Krediten, die zinsvergünstigt sind. Zusätzlich geht Oxfam davon aus, dass die Geberländer die Klima-Wirksamkeit ihrer Hilfen überschätzen.