Neun Jahre geben sich 100 Länder Zeit, um die Zerstörung ihrer Wälder zu stoppen. Erst nach 2030 wird die Welt beurteilen können, ob der Gastgeber des diesjährigen Klimagipfels, der britische Premier Boris Johnson, damit in die Geschichtsbücher eingeht. Immerhin ist es die erste bislang greifbare Einigung der Weltklimakonferenz COP26.
Allein der Wald wird das Klima nicht retten. Aber wenn der Raubbau vor allem an den tropischen Wäldern aufhört, wäre schon ein Stück gewonnen. Die beteiligten Länder, darunter Deutschland und die gesamte EU, repräsentieren 85 Prozent der weltweiten Waldfläche, etwa 34 Millionen Quadratkilometer. Mit dabei sind die Staaten mit den größten Wäldern überhaupt: Kanada, Russland, Brasilien, Kolumbien, Indonesien sowie China, Norwegen und die Demokratische Republik Kongo.
Für den Waldschutz werden bis 2025 etwa 12 Mrd. Dollar (rund 10,3 Mrd. Euro) an öffentlichen Geldern in Aussicht gestellt – plus 7,2 Mrd. Dollar private Investitionen. Johnson sprach von Wäldern als „Kathedralen der Natur“. Vor allem sind die die Lunge unseres Planeten, denn sie nehmen etwa ein Drittel der jährlich vom Menschen ausgestoßenen CO2-Emissionen auf. Aber sie schrumpfen bedenklich: Laut der Gipfelerklärung geht jede Minute eine Fläche von etwa 27 Fußballfeldern verloren.
Das World Resources Institute hatte 2021 zu einem Jahr der Solidarität zwischen den Regierungen erklärt, die sich dafür einsetzen müssten, die schlimmsten Auswirkungen des Waldverlustes abzuwenden. 2021 müsse ein Wendepunkt sein. Nach einer Analyse der University of Maryland gingen allein 2020 mehr als zwölf Millionen Hektar Baumbestand in den Tropen verloren. Besonders alarmierend sei, dass darunter 4,2 Millionen Hektar tropischer Primärwälder seien – ein Verlust, der eine Krise für die Klimastabilität und die Erhaltung der biologischen Vielfalt darstelle.
Rund 20 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen sind laut den Vereinten Nationen auf Entwaldung und Schädigung von Wäldern zurückzuführen. Rinder, Palmöl, Soja, Kakao, Gummi, Kaffee und Holzfasern verdrängten 2001-2015 eine Waldfläche zweimal so groß wie Deutschland.
Wälder selbst fallen auch zunehmend dem Klimawandel zum Opfer. Die globale Erwärmung und der Waldverlust führen zu wärmeren und trockeneren Bedingungen, die wiederum die Wälder anfälliger für Brände und Schädlingsbefall machen. So ist der Klimawandel einer neuen Studie zufolge die Hauptursache für die verheerenden Waldbrände in den USA.
Dies sind die waldreichsten Länder – und die Verluste an Baumbestand in 20 Jahren laut Gobal Forest Watch:
Das sind die waldreichsten Länder der Welt
Russland kämpft mit zunehmenden Bränden in der Tundra und seinen Wäldern. Klimaforscher der ETH Zürich schreiben dem Öl- und Gaslieferanten ein großes Potential beim Klimaschutz zu: durch Aufforstung. In den riesigen Waldflächen Sibiriens sei Platz, da die Baumdichte nur etwa ein Drittel so hoch sei wie in den tropischen Wäldern, die bisher die wichtigsten Speicher von CO2 sind – aber massenhaft gerodet werden. Auch Russland nutzt seine Wälder zunehmend zur Holzgewinnung. 2001 hatte es einen Baumbestand von 761 Millionen Hektar, 45 Prozent der Landesfläche. Bis 2020 gingen fast neun Prozent davon verloren – und damit mehr als in Brasilien. Die Wälder blieben netto ein Kohlenstoffspeicher.
In Brasilien, dem Land mit der weltweit zweitgrößten Waldfläche, fällt dem World Resources Institute zufolge inzwischen mehr Wald der Rinderhaltung zum Opfer als dem Sojaanbau, der zuvor der Entwaldungstreiber war – und vor allem auch die Tierfutterindustrie belieferte. Allein 2020 gingen 3,2 Millionen Hektar Wald verloren. Das Land war 2010 zu 60 Prozent bewaldet – vor allem durch den Amazonas. Von 2002 bis 2020 wurden zwölf Prozent der Waldfläche gerodet, davon 26 Millionen Hektar des wegen seiner Biodiversität besonders wertvollen Primärwalds. In der Zeit wurden 32,5 Gigatonnen CO2-Äquivalente freigesetzt. Die Entwaldung war seit der Spitze 2016 zurückgegangen, dann aber wieder angestiegen, der Verlust an Primärwald 2020 zum Vorjahr um 15 Prozent gestiegen. Die Politik und die Rhetorik der Regierung Bolsonaro hätten die Umweltbehörden und die Strafverfolgung lahmgelegt, Landraub gefördert und indigene Gebiete in Gefahr gebracht.
Kanadas Baumbestand deckt fast die Hälfte der Landesfläche und wurde für 2010 mit 420 Millionen Hektar angegeben. Das Land führt beim Export von Holz als Rohstoff auf internationaler Ebene, gefolgt von Russland und Schweden. Die Holzwirtschaft ist ein wichtiger Arbeitgeber, Sägeholzexporte machten 2020 wertmäßig ein Fünftel des Exportvolumens aus. Allein 2020 wurden 1,2 Millionen Hektar gerodet. Von 2001 bis 2020 gingen 44.1 Millionen Hektar verloren, ein Rückgang um elf Prozent, mit dem 400 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente freigesetzt wurden. Das entspricht etwa der Hälfte der 2019 in Deutschland freigesetzten Menge an Treibhausgasen.
Die Dichte der Felder auf den Hügeln unweit des Virunga Nationalparks geben eine Ahnung davon, wie wichtig die Entwaldung im Kongobecken, dem zweitgrößten Regenwald der Erde nach dem Amazonas, für den Lebensunterhalt der Menschen ist. Aber auch der Raubbau zugunsten von Rohstoffen für den Export nimmt zu. Nach Brasilien verlor die DR Kongo 2018 die größte Fläche an Primärwald. Ginge der Verlust des Baumbestands so weiter, wäre bis 2100 der Primärwald Geschichte, warnten Forscher der Universität Maryland. 2010 zählte die DR Kongo knapp 200 Millionen Hektar Wald, 85 Prozent ihrer Fläche. Von 2002-2020 gingen 16 Millionen Hektar verloren, davon 5,3 Millionen Primärwald, etwa acht Prozent Rückgang – oder 9,7 Gigatonnen CO2-Äquivalente.
Die Volksrepublik zählt mit 133 Millionen Hektar Wald (2010) zu den Staaten mit den größten Waldflächen überhaupt, wenn auch nur auf 16 Prozent seiner Landfläche. Die Wälder dehnen sich vor allem im Norden aus, wo Präsident Xi Jinping die Forstwirtschaft in der Provinz Hebei inspiziert. China hat seit 2017 selbst ein uneingeschränktes Verbot des kommerziellen Holzeinschlags in allen Naturwäldern verhängt. Es ist nach den USA zweitgrößter Importeur von Holz und eine führende Drehscheibe im Welthandel mit Holz und Holzprodukten. Von 2001 bis 2020 wurden World Forest Watch zufolge 10,3 Millionen Hektar Baumbestand abgeholzt (weniger als im Kongo) – was 4,44 Gigatonnen CO2-Äquivalenten entsprach.
Indonesien hat die Entwaldung vier Jahre in Folge reduziert. Niedrige Rohstoffpreise für Ölfrüchte und die Umsetzung von Unternehmensverpflichtungen auf entwaldungsfreie Lieferketten für ihre Rohstoffe, haben zu diesem Trend beigetragen. Allerdings läuft in diesem Jahr ein dreijähriges Moratorium für die Genehmigung neuer Palmölplantagen aus. 2010 waren 94 Millionen Hektar Land bewaldet – 50 Prozent der Landesfläche. Von 2002 bis 2020 gingen knapp 10 Millionen Hektar an natürlichem Primärwald verloren, was aber nur ein Drittel des Gesamtverlustes ausmacht: Eine Entwaldung von fast 28 Millionen Hektar – um 17 Prozent des Baumbestands – setzte laut Global Forest Watch insgesamt Emissionen von 19 Gigatonnen CO2-Äquivalente frei. Weil mehr Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben wurden als gespeichert, wurde Indonesien zum Nettoemittenten.
Kolumbiens Landesfläche ist zu 72 Prozent mit Wald bedeckt. 2010 waren es mehr als 80 Millionen Hektar. Die Regierung geht zumindest stellenweise – wie hier im Macarena National Natural Park – hart gegen illegale Rodungen für die Landwirtschaft vor. Bei der Operation Artemisia wurde auch die Armee eingesetzt. Denn allein 2020 wurden 320.000 Hektar Wald abgeholzt, was 195 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten entsprach. Von 2001 bis 2020 verlor das südamerikanische Land 4,66 Millionen Hektar Baumbestand, ein Rückgang um 5,7 Prozent, der 2,6 Gigatonnen CO2-Äquivalente freisetzte. Netto speichern Kolumbiens Wälder durchschnittlich 112 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr.
Mit mehr als 64 Millionen Hektar Wald auf 60 Prozent seiner Fläche zählt auch Bolivien zu den waldreichsten Ländern der Welt. Es grenzt an den Amazonas. Im Jahr 2020 fielen 430.000 Hektar Wald dem Kahlschlag zum Opfer, laut dem World Resources Institute davon 246.000 Hektar für neue Viehweiden – wodurch Emissionen von 192 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten freigesetzt wurden. Von 2002 bis 2020 gingen 3 Millionen Hektar oder sieben Prozent des Primärwalds verloren, insgesamt ein Fläche von 6 Millionen Hektar, oder 9,5 Prozent des Bestands, was laut World Forest Watch einer Freisetzung von 6,7 Gigatonnen CO2-Äquivalenten entspricht.
Norwegen ist zu 40 Prozent mit Wald bedeckt. Der sogenannte boreale (nördliche) Waldgürtel des Planeten Erde erstreckt sich von Alaska und Kanada über die skandinavischen Länder bis nach Russland an das Beringmeer. Die Böden des Waldökosystems sind von immenser Bedeutung, denn sie sind nach den tropischen Wäldern in Lateinamerika, Afrika und Asien der zweitgrößte Kohlenstoffspeicher der Welt: für eine Billion Tonnen CO2. Norwegen hatte 2010 rund 13 Millionen Hektar Forst, und verlor von 2001 bis 2020 rund 774.000 Hektar Baumbestand.