Frank Winkler kümmert sich gerne um seine Gäste. „Wie daheim“ ist sein Motto. Doch wer daheim Gäste bewirtet, verlangt von diesen keine Mehrwertsteuer. Und die wird für Winkler bald zum Problem. Er ist Betreiber und Inhaber des „Lorsbacher Thal“, einem Apfelweinlokal in Frankfurt am Main. Seit Corona gilt für seine Branche eine verminderte Mehrwertsteuer von 7 Prozent. Doch 2024 soll sie wieder auf 19 Prozent angehoben werden. „Die Bundesregierung arbeitet gerade erfolgreich daran, gleich unserer gesamten Branche den Garaus zu machen“, sagt er.
Winkler spricht im Sinne von 12.000 deutschen Restaurants, Imbissen und Cafés. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) sind so viele Lokalitäten von der Schließung bedroht, sollte es wie beabsichtigt Anfang Januar zu einer Anhebung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie kommen. Die Wirtschaftsauskunftei Crif spricht sogar von jedem neunten Gastronomiebetrieb. Anfang August listete die Bonitätsauskunft 14.219 gefährdete Betriebe auf.
Opfer politischer Deals
„Die für uns überlebensnotwendige Mehrwertsteuerabsenkung soll offensichtlich innerhalb der Regierung diversen haushalts- und parteipolitischen Deals geopfert werden“, sagt Gastwirt Winkler. Seit 2020 befände sich die Branche in einer existenziellen Notlage. Die Corona-Schutzmaßnahmen hatten gerade dem Gaststättengewerbe besonders zugesetzt. Deshalb minderte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von 19 auf 7 Prozent, um die Branche zu entlasten. Nun wolle man sich die Coronahilfen zurückholen, so Winkler.
Die Frist für die Schlussabrechnungen der Coronahilfen endet am 31. Oktober 2023. Betriebe müssen dann nachweisen, ob die erhaltenen Zahlungen während der Pandemie gerechtfertigt waren. Bei Überkompensation muss die Leistung größtenteils oder ganz zurückgezahlt werden. Zuvor war sie mehrfach verlängert worden – auch durch das Einwirken des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga).
Entscheidung im November
Auch bei der Mehrwertsteuer ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Im Haushaltsentwurf der Bundesregierung ist eine Verlängerung nicht vorgesehen. Käme sie dennoch, wären dafür Steuerausfälle beim Bund und den Ländern in Höhe von 3,4 Milliarden Euro gegenzufinanzieren. Mit einer endgültigen Entscheidung, so heißt es in Berlin, ist wohl erst im November zu rechnen.
Bleibt es beim aktuellen Kurs, ergibt sich gemäß einer Umfrage des Dehoga eine Situation, in der sich 95,7 Prozent der Gastronomen dazu gezwungen sehen, ihre Preise anzuheben. Konkret ist die Rede von einer notwendigen Erhöhung um durchschnittlich 15,5 Prozent. Diese Zunahme begründet der Dehoga mit verschiedenen Faktoren. Neben einer möglicherweise höheren Steuerbelastung sind es vor allem Zusatzbelastungen, mit denen Restaurants und Gaststätten konfrontiert werden. Beispielsweise sind die Preise für Lebensmittel im Jahresverlauf um 17 Prozent gestiegen, die Energiekosten haben sich um 20 Prozent erhöht und aufgrund der Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro sind die Gehälter sogar um 22 Prozent gestiegen.
Dehoga fordert Verlängerung
Gleichzeitig werden sich Kunden laut Dehoga im Fall einer Mehrwertsteuererhöhung auf verminderte Öffnungszeiten einstellen müssen. „36 Prozent wollen in einem solchen Fall kürzen“, berichtet Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin der Dehoga. Sie fordert deshalb die Beibehaltung der Steuermäßigung. „Eine Steuererhöhung müsste in vollem Umfang an die Gäste weitergegeben werden, da es hier für Gastronomen keine Spielräume mehr gibt“, sagte sie in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie verwies darauf, dass während der Pandemie bereits 36.000 steuerpflichtige Unternehmen in der Branche schließen mussten. Seit 2019 ging die Anzahl deutscher Restaurants und Gaststätten von 164.789 auf 133.107 im März 2023 zurück, wie das Statistische Bundesamt ermittelte.
Auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) sprach sich für eine Beibehaltung der reduzierten Mehrwertsteuer aus. „Die Gastronomie hat sich noch immer nicht von den Krisen erholt“, sagte Michael Hüther den Funke-Medien. „Die preisbereinigten Umsätze der Gastwirte liegen immer noch unter dem Niveau von 2019.“ Es wäre eine Steuererhöhung zur Unzeit, unter der Konsumenten und Gastronomen leiden werden. „Wir waren lange genug die immer netten und duldsamen Gastgeber“, sagt Frank Winkler. Jetzt müsse man sich wehren.