Martin Kaelble schreibt an dieser Stelle montags über Innovationen, Makro- und Techtrends aus der Weltwirtschaft.
Am Sonntag endete der Zukunftsgipfel „Berlin Innovation Consensus“. Google, Deutsche Bank und Shell hatten namhafte Experten eingeladen, eine Charta für mehr große Innovationen in Deutschland zu erarbeiten, die dann der Bundesregierung übergeben wurde.
Sie besteht aus zehn Punkten. Einer davon lautet „Unternehmersein ist sexy!“. Die Forderung: Unternehmer sollten in der Gesellschaft stärker als Vorbilder gesehen werden, die Kultur des Scheiterns verbessert werden.
Nun ja, da ist in Deutschland noch ein weiter Weg zu gehen. Und dabei müssen deutsche Unternehmer erst einmal bei sich selbst anfangen. Denn das Phänomen Risikoaversion ist selbst in der viel gerühmten deutschen Startup-Szene weit verbreitet.
Seit Jahren tobt die Diskussion um die so genannten „Copycats“ in Deutschland. Startups, die einfach Ideen kopieren, meist aus den USA, um sie dann eins zu eins für andere Märkte auszurollen. Im besten Fall verkaufen sie die Klone dann später an das amerikanische Original.
Die deutsche Startup-Szene ist international genau dafür verschrien. Die Samwer-Brüder, die bekannteste deutsche Internet-Kombo, hat diese Technik perfektioniert und sind quasi zu den Chinesen des E-Business geworden. So funktionierte auch das allererste Startup der Samwers Alando Ende der 90er, das sie nach wenigen Monaten an das amerikanische Original Ebay verkauften. Heute haben sie einen ganzen Inkubator, Rocket Internet, der solche Copycats für Märkte rund um die Welt am Fließband produziert.
Das sorgt für Kritik innerhalb der Szene. Kurzzeitig flammte gar der Hauch eines Aufstand gegen die Copycats auf - angestoßen von der Minderheit an Startups, die eher auf eigene Innovationen setzen.
Nun hat auch die Strategie der Copycats zweifellos ihre Berechtigung. Und selbst Innovationsguru Steve Jobs sagte einmal: “Gute Künstler kopieren. Großartige Künstler stehlen. Und wir haben immer schamlos gute Ideen geklaut.”
Doch es geht hier um mehr. Kopien allein reichen nicht. Große eigene Innovationen sind wichtig für eine Volkswirtschaft - schon wegen der Vorbildfunktion für andere Unternehmer. Spricht man mit schwedischen Gründern, so betonen sie immer wie wichtig Skype und Spotify für die Szene dort ist. (Kein Zufall, dass auch das wohl bekannteste Nicht-Copycat unter den Berliner Startups, Soundcloud, seine Wurzeln in Schweden hat.)
Tatsächlich steht das Aushängeschild Samwer beispielhaft für die Mentalität in Deutschland, die auch beim Innovation Consensus thematisiert wurde: Risiko vermeiden. Und wenn sogar die jungen, angeblich wilden Internetunternehmer eher nach Sicherheit suchen, wie steht es dann erst um diese Volkswirtschaft insgesamt in Punkto Innovationsfreude?
Daran sind auch die Investoren schuld. Denn auch sie sind in Deutschland besonders risikoavers. Insgesamt passiert hierzulande viel zu wenig im Bereich Venture Capital. Und wenn dann wird eben lieber in Copycats investiert, weil hier die Erfolgsaussichten vermeintlich größer sind als bei echten Innovationen. Das gilt zumindest für den Internetsektor.
In der Folge gibt es bislang kein Google oder Facebook aus Deutschland. Sondern eben nur Zalando (eine Samwer-Kopie des amerikanischen Zappos). Um die deutsche Internetszene ein Level weiterzubringen, braucht es aber ein wirklich großes deutsches Original als Aushängeschild. Und dafür braucht es mehr Risikofreude bei den Unternehmern und Investoren selbst.
Zu den letzten Kolumnen von Martin Kaelble: Entzaubertes China, Die Internet-Anomalie, Yoga für Unternehmen, und Lang leben die BRICS
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