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Kolumne Licht aus in Frankreich

Die Energiesparlampe war gestern, jetzt kommt der Kampf gegen „Lichtverschmutzung“. Inspektor Clouseau macht mobil
Christian Schütte
Christian Schütte
© Trevor Good

Delphine Batho ist weg, aber wenigstens das Licht hat die von Frankreichs Präsident Francois Hollande letzte Woche geschasste Umweltministerin noch ausgeknipst. Seit dem 1. Juli gilt in Frankreich eine Verordnung gegen die Beleuchtung der Nacht. Kein Scherz, sondern amtliche Vorschrift, die übrigens noch von den Vorgängern der jetzt regierenden Sozialisten angeschoben wurde: In Gewerberäumen muss spätestens eine Stunde nach Dienstschluss alles dunkel sein, die Beleuchtung von Fassaden und Schaufenstern ist ab ein Uhr nachts untersagt. Über Ausnahmen entscheidet im Einzelfall die Verwaltung.

Die „Lichtverschmutzung“ bzw. „pollution lumineuse“ soll begrenzt werden. So wie die Umweltpolitik in der EU heute funktioniert, können wir damit rechnen, dass ähnliche Regeln in nicht allzu ferner Zukunft auch auf Deutschland zukommen. Das französische Umweltministerium rühmt sich bereits, „Pionier in Europa“ zu sein. Das große „Licht aus!“ in Frankreich wird als wirtschaftliche Sparmaßnahme verkauft, aber als solche ist es natürlich völliger Unfug. Ja doch, es wird ein wenig gespart, wenn nachts die öffentlichen Gebäude dunkel bleiben. So wie auch gespart würde, wenn am Tag keine Autos mehr fahren und keine Computer mehr angeschaltet würden.

Die wirtschaftlich entscheidende Frage ist aber, ob diese Ersparnisse größer sind als der dadurch entgangene Nutzen. Da die nächtlichen Lichtanlasser ihr gleißendes Treiben meistens selbst bezahlen, darf man davon ausgehen, dass es ihnen den Preis wert ist.

Zweifel am Einspareffekt

Jedenfalls ist unklar, wieso nun ausgerechnet die Regierung in Paris am allerbesten wissen sollte, ob es mit Blick auf die Sicherheit oder die Verkaufsförderung sinnvoll ist, nachts um halb zwei ein Juweliergeschäft in St.Tropez zu beleuchten. Längst gibt es Sondergenehmigungen für große Teile von Paris, ähnliche Ausnahmen für Gedenkstätten, Rathäuser, Feiertage oder auch nur gute Freunde des Präfekten werden sich finden. Rechnet man den Verwaltungsaufwand ein, dann wachsen die Zweifel am Einspareffekt noch weiter. Solange Frankreich über 75% seines Stroms aus Atomkraftwerken bezieht, produzieren diese in der Nacht ohnehin einen spottbilligen – und übrigens auch völlig CO2-freien – Grundlaststrom.

Die Beamten, die jetzt das Licht verwalten und des Nachts auf Lampenpatrouille gehen sollen, müssen dagegen zusätzlich abgestellt werden. Das einzige irgendwie plausible Argument für diese neue Regulierungsoffensive ist, dass zu viel Licht natürlich auch manchmal stören kann. Vulgo: Es blendet. Das ist aber ein lokales Problem, dem auch jeweils auch den lokalen Umständen entsprechend begegnet werden muss. Warum dazu selbst in verlassenen Innenräumen kein Licht mehr brennen darf – und wie der Staat das überhaupt kontrollieren will – bleibt rätselhaft. Prüft ein Inspektor Clouseau demnächst auch noch, ob im Kühlschrank das Licht aus ist? Die ganze Sache ist so absurd, dass man sie für schlechte Satire halten müsste. Einen überschießenden Bürokratismus, der sich hoffentlich irgendwann von selbst wieder korrigiert. Aber das ganze Thema ist leider bitterernst.

Katastrophenbegriff „Verschmutzung“

Wie ernst, das lässt sich an den verwendeten Begriffen ablesen. Politik ist bekanntlich der Kampf um solche Begriffe, und wer das Leuchten (oder gelegentlich auch: Blenden) einer Lampe mit dem Ekel-, Abscheu- und Katastrophenbegriff „Verschmutzung“ versieht, der hat offenkundig Größeres vor. Früher war das Licht einmal der Inbegriff von Fortschritt, Wohlstand und besserer Zukunft. Was in Deutschland im 18. Jahrhundert „Aufklärung“ hieß, war in England „the enlightenment“ und in Frankreich „Les Lumières“, das Zeitalter neuen Lichts.

Seit die Nasa für uns Satellitenfotos vom nächtlichen Planeten schießt, lässt sich die geographische Verteilung der Zivilisation ganz leicht an den Lichtfeldern erkennen. Ägypten erscheint dort als ein langer heller Faden entlang des Nil. Und die Nachtaufnahme von Korea ist zur Ikone des Unterschieds zwischen Wohlstand und Elendsdiktatur geworden: Der Süden ist nachts hell erleuchtet, im Norden ist es stockfinster. Aber das ist nun offenkundig eine Sicht von gestern.

Künftig sehen wir es so: In Nordkorea gibt es wenigstens keine „Lichtverschmutzung“. Wohlstand und Fortschritt sind nur schmutziges Blendwerk, die dreckigen Lichter der Großstadt ruinieren unseren Blick auf den nächtlichen Sternenhimmel. Den die glücklichen Menschen im finsteren Mittelalter noch genießen konnten. Der kampagnenfähige Begriff der „Lichtverschmutzung“ weist uns die neue Richtung: Erst wenn der letzte Europäer pünktlich das Licht ausgemacht hat, und erst wenn das Glühwürmchen wieder über die Glühbirne triumphiert, erst dann sind wir nachhaltig erleuchtet. Wie wir schon als Kinder immer getönt haben: Dans le Dunkel, c´est bon Munkel.

Christian Schütte schreibt an dieser Stelle jeweils am Dienstag über Ökonomie und Politik. Seine letzten Kolumnen: Next Stop Checkpoint Bravo, Das Wachstum und wir Gartenzwerge und Der letzte Ferrari

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