Mit uns Deutschen und Barack Obama ist das ja leider so eine Sache. Fast alle hier haben ihn geliebt, schon weil er so jung war und so ganz anders als die altmodischen weißen Männer vom Schlage McCain oder Romney. Dummerweise ist es allerdings auch genau diese frische Weltsicht, die Obamas Interesse an uns, sagen wir mal, sehr überschaubar gehalten hat.
Morgen hält er endlich seine lange erwartete Rede vor der Kulisse des Brandenburger Tors. Aber die ganze alte Geschichte von Mauer, Frontstadt und deutsch-amerikanischer Freundschaft ist für Obama eben nur das: alte Geschichte. Die Zukunft wird woanders entschieden. Wahrscheinlich irgendwo in Asien.
Obama wurde eine gute Woche vor dem Berliner Mauerbau 1961 in Honolulu, Hawaii, geboren. Als die Mauer 1989 fiel, da hatte er gerade einen Job als "Community Organizer" in Chicago aufgegeben und studierte Jura. Weder persönlich noch beruflich war Germany für ihn je ein großes Thema.
Dass seine Rhetorik morgen wieder an den großen Berliner Reden früherer US-Präsidenten gemessen wird, ist im Grunde nur absurd. John F. Kennedys "Ich bin ein Berliner", verkündet 1963 am Rathaus von Schöneberg, war ja nicht etwa irgendein Kompliment nach dem Motto: "Coole City hier". Sondern die umjubelte Verteidigungsgarantie der Supermacht Amerika für eine umzingelte und existenziell bedrohte (Halb-)Stadt.
Ronald Reagan erfüllte nicht nur eine Touristenpflicht, sondern ging 1987 in eine kalkulierte weltpolitische Offensive, als er vor dem Brandenburger Tor (im britischen Sektor) ans Rednerpult trat und von Gorbatschow den Abriss der Mauer verlangte.
Heute ist diese Mauer längst weg und der Kalte Krieg bloß noch ein Ramschgeschäft fliegender Händler zwischen Pariser Platz und Checkpoint Charlie. Was soll ein Präsident Obama dazu noch sagen? "Oh boy, are you poor. But, folks, you are sexy?!?"
Wenn Obama in diesen Tagen tatsächlich welthistorische Sätze sagen wollte, dann müssten die eher lauten: "As a free man I take pride in the words: Ich bin ein Syrer". Oder: "Ayatollah Khamenei – tear down this Iranian nuclear program!"
Aber solche Sätze wird er nicht sagen wollen. Und ganz bestimmt will sein Berliner Publikum sie auch nicht hören.
Die deutsch-amerikanische Zukunft liege in der Wirtschaft und im Freihandel, haben die Diplomaten in den vergangenen Wochen gestreut. Was ja auch wirklich nicht die schlechteste Idee ist. Aber vielleicht sollten daraus irgendwann auch die symbolischen Konsequenzen gezogen werden.
Warum eigentlich immer nur Brandenburger Tor und Checkpoint Charlie? Der nächste US-Präsident könnte doch auch mal am ehemaligen Grenzkontrollpunkt Dreilinden auftreten, im Südwesten der Stadt. Im alten Alliierten-Code hieß dieser Ort früher Checkpoint Bravo, jetzt ist er ein Gewerbepark mit den Mietern Ebay und Porsche. Passt doch.
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle jeweils am Dienstag über Ökonomie und Politik.
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