Wie läuft es eigentlich jetzt in Griechenland? Die gute Nachricht dieser Tage ist, dass die Riesenlücke zwischen Ausgaben und Einnahmen des Landes mittlerweile deutlich geschrumpft ist. Nicht nur der Staat senkt sein Defizit. Auch das gigantische Loch in der Leistungsbilanz, das durch die Kredite des Auslands finanziert werden muss, hat sich zuletzt in rasantem Tempo geschlossen.
Die Kluft zwischen dem, was die Griechen in aller Welt ausgaben und dem, was sie selbst dort verdienten, betrug vor Beginn der Krise zeitweise mehr als 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In diesem Jahr soll der Fehlbetrag nur noch gut zwei Prozent erreichen.
Dazu passen auch die neuesten Erfolgsmeldungen aus dem griechischen Fremdenverkehr: Über 17 Millionen Touristen werden in diesem Jahr erwartet. Das wäre ein neues Allzeit-Hoch.
Hinter all diesen schönen Zahlen verbirgt sich dennoch eine ziemlich hässliche Wahrheit: Von einer echten Gesundung ist Griechenland noch immer Jahre entfernt.
Das Land hat seinen Lebensstandard drastisch abgesenkt, wurde deshalb jüngst sogar vom internationalen Indexanbieter MSCI aus der Kategorie „developed (entwickelt)“ auf die Stufe „emerging market – (aufstrebendes Schwellenland)“ herabgesetzt. Ob, wann und wie es wieder aufstreben wird, ist völlig ungewiss.
Wer mehr ausgibt als er einnimmt, dem bleiben letztlich nur zwei Möglichkeiten: Sparen bei den Ausgaben und der Versuch, auch die eigenen Einnahmen zu steigern. Griechenland hat bislang vor allem eisern gespart.
Nach einer Analyse des Ökonomen Michael Cembalest von JP Morgan ist der Rückgang des griechischen Leistungsbilanzdefizits zu rund 90 Prozent auf kollabierende Importe – also härtestes Sparen - zurückzuführen. Eine solche Anpassung ist das extreme Gegenteil von dem, was Schwellenländer aus früheren großen Leistungsbilanzkrisen herausgeführt hat. Mexiko oder Thailand etwa schlossen ihre Defizite Ende der 90er-Jahre fast ausschließlich über die Exportseite. Nach einer Abwertung setzte dort ein Ausfuhrboom ein.
Selbst im Vergleich mit den übrigen Euro-Krisenländern bleiben die Griechen ein Extremfall: Die anderen Südeuropäer haben ihre Leistungsbilanzlöcher zuletzt zwar ebenfalls durch Importverzicht geschlossen. Der trug aber in Spanien und Italien nur knapp 40, im Fall Portugals gut 50 Prozent zur Verbesserung der Leistungsbilanz bei.
Das Problem der Griechen ist leider nicht nur, dass ihre Exportindustrie kaum Fortschritte macht. Es ist noch viel schlimmer: Eine solche Exportindustrie existiert bislang kaum.
Griechenlands gesamte Warenausfuhr wird 2013 nicht einmal 16 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts erreichen. Das ist die zweitniedrigste Exportquote in der EU, nur die kleine Dienstleistungsdrehscheibe Zypern ist bei der Güterausfuhr noch schwächer. Selbst die Portugiesen kommen auf eine Exportquote von fast 30, die Iren mit ihren vielen Werkbänken internationaler Konzerne sogar auf knapp 55 Prozent. Entsprechend größer ist dort der Hebel für den Aufschwung, wenn sich die Wettbewerbsfähigkeit einmal verbessert.
Bleibt also die Hoffnung auf den boomenden Tourismus. Vor allem die Zahl der Gäste aus Schwellenländern steigt deutlich, allein 1,2 Millionen sollen dieses Jahr aus Russland kommen.
Doch selbst bei dieser Verdienstquelle gibt es ein kleines Problem. Wie die griechische Notenbank kürzlich meldete, lagen die Einnahmen aus dem Tourismus in den ersten vier Monaten dieses Jahres fast acht Prozent unter (!) Vorjahr.
Es kommen zwar mehr Leute, aber sie geben offenbar weniger aus – was zum Teil auch daran liegen dürfte, dass die Preise inzwischen gefallen sind. Bis der Tourismus wieder ein echter Geldbringer ist, wird noch einige Zeit vergehen.
2012 wurde in ganz Griechenland übrigens gerade noch ein einziger neu importierter Ferrari zugelassen – im letzten Jahr vor der Krise, 2007, waren es 21. Das zeigt im Kleinen, wie drastisch sich die Verhältnisse gewandelt haben.
Es illustriert aber auch, dass eine Strategie des reinen Importverzichts langsam an Grenzen stößt.
Christian Schütte schreibt an dieser Stelle jeweils am Dienstag über Ökonomie und Politik. Seine letzten Kolumnen: Next Stop Checkpoint Bravo und Das Wachstum und wir Gartenzwerge
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