Capital: Herr Goldhammer, für welchen Film waren Sie denn zuletzt im Kino?
KLAUS GOLDHAMMER: Ich war in „Oppenheimer“.
Und, war es voll?
Mittelvoll würde ich sagen.
Das ist verwunderlich. Seit Donnerstag waren allein in Deutschland 502.626 Menschen für „Oppenheimer“ im Kino.
Ich war an einem sonnigen Tag nachmittags dort, da hat es das Kino schwerer als sonst.
Wir sehen gerade einen regelrechten Hype um „Oppenheimer" und auch um den „Barbie“-Film, die beide vergangenen Donnerstag ins Kino kamen und seitdem weltweit mehr als 511 Mio. US-Dollar eingespielt haben. Das Kino ist noch lange nicht tot, oder?
Das kann man grundsätzlich schon sagen. Das sind zwei Hits und das merken die Kinos erfreulicherweise. Aber: Es bleiben erstmal auch nur zwei Hits. Am generellen Problem ändert das nichts. Wir sind immer noch in diesem Post-Corona-Stadium, die Leute gehen deutlich seltener ins Kino als früher. Die Aussichten sind nicht wirklich rosig.
Was heißt das konkret?
Bis 2019 lag der Umsatz mit verkauften Tickets im Schnitt bei knapp 1 Mrd. Euro jährlich. Dann brach er während Corona ein und halbierte sich in den Jahren 2020 bis 2022 im Schnitt auf 450 Mio. Euro pro Jahr. Die Filmförderungsanstalt geht davon aus, dass es in den nächsten Jahren bei 770 Mio. Euro Umsatz mit Kino-Tickets bleiben wird. Das sind also 25 Prozent weniger als vor Corona. Man kann nur hoffen, dass die beiden Blockbuster und weitere dazu führen, dass die Leute daran Gefallen finden, wieder mehr ins Kino zu gehen.
Vielleicht kann ja auch die Filmbranche von diesen Blockbustern lernen, wie sie wieder Menschen für das Kino begeistert.
Na klar. Es gibt immer Bedarf an neuen, interessanten, reizvollen Filmen. Das ist gar keine Frage. Nur insgesamt steht die Kinobranche immer stärker im Wettbewerb zum zweiten, dritten oder vierten Streaming-Abo. Und die Leute haben gelernt, dass man viele neue, interessante und spannende Inhalte zu einem viel geringeren Preis auch zuhause anschauen kann. Ich will die beiden Filme damit nicht schlecht reden, aber ich sehe noch nicht, dass sie am Ende des Tages den Gesamtumsatz wieder auf altes Niveau heben können.
Sie können aber den Kinobesuch zu einem Gemeinschaftserlebnis machen. Viele Menschen tragen pinkfarbene Kleidung, wenn sie für „Barbie“ ins Kino gehen, oft gibt es Rosé oder pinkfarbenes Popcorn. Das ist dann doch etwas anderes als den Film allein im Bett auf dem Laptop zu schauen.
Genau, Kino ist Gemeinschaftserlebnis. Aber das war immer schon so. Es ist nichts Neues, dass Kino einen Eventcharakter hat und Filme gut vermarktet werden wollen. Das ändert aber noch nichts daran, dass ein Viertel weniger Menschen hingehen.
Es ist also ein verlorener Kampf?
Das kann man nicht sicher sagen, aber wenn man den Vorhersagen traut, wird der Markt erstmal nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau kommen. Das heißt noch nicht, dass Kinos keinen Markt mehr haben. Es wird immer noch mindestens eine dreiviertel Milliarde Euro umgesetzt in Deutschland. Nicht zuletzt, weil weiterhin Menschen ausgehen und etwas erleben wollen. Und natürlich auch, weil im Kino zuerst Filme laufen, die ich sonst nirgendwo sehen kann. Aber der Druck ist hoch.
Sind es denn vor allem Ältere, die ins Kino gehen, oder können auch noch junge Menschen davon überzeugt werden?
Es gibt auch viele 50-Jährige, die Netflix und Amazon goutieren. Und es gibt schon Jüngere, die gerne ins Kino gehen. Das ist nicht klar aufgeteilt. Aber für die Jüngeren sind die Ticketpreise oft eine Hürde, weil sie einfach weniger Geld zur Verfügung haben. Deswegen ist der Einbruch dort nochmal stärker zu sehen. Es ist also auch ein Altersthema, aber es ist vor allem ein medialer Wettbewerb zwischen den Streaming-Plattformen und den Kinos.
Nur haben ja auch die Streaming-Plattformen inzwischen ihre Probleme.
Durchschnittlich hat ein Haushalt jetzt schon drei verschiedene Abos, insofern wird sich der Wettbewerb zwischen den Streaming-Anbietern nochmal verschärfen. Kinos sind da aber nicht mehr der große Konkurrent.
Eine letzte Prognose: Wird „Barbie“ oder „Oppenheimer“ am Ende mehr Erfolg haben?
Ich denke Barbie wird erfolgreicher sein an den Kinokassen. Oppenheimer ist ja keine so leichte Kost.