Kommentar James Bond geht zu Amazon

Der neue James Bond ist der Hoffnungsträger der Kinos, künftig hat Amazon beim Filmstudio MGM das Sagen
Der neue James Bond ist der Hoffnungsträger der Kinos, künftig hat Amazon beim Filmstudio MGM das Sagen
© Stefan Zeitz / IMAGO
Warum sich der Internethändler das Hollywood-Traditionsstudion MGM sichert. Lutz Meier über die neuen Machtverhältnisse im Filmgeschäft

Der jüngste James-Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ (No Time To Die) war von Beginn Corona-Pandemie eine Art Symbol für die Wiederbelebung des Kinos nach Krise geworden. Mehrmals musste der ursprünglich für Anfang 2020 vorgesehene Filmstart verschoben werden, jetzt soll es im Herbst soweit sein. Viele Filme, die in den vergangenen Jahren fürs Kino produziert worden sind, landeten stattdessen im Streaming. Der Bond-Film aber, so erklärten es seine Produzenten immer wieder, solle die Unsterblichkeit des Kinos beweisen. Dafür wurden selbst einzelne Szenen nachgedreht, damit die Autos und Produkte in dem Film nicht veraltet aussehen.

Jetzt aber ist die Frage, ob „Keine Zeit zu sterben“ seine Funktion noch erfüllen kann. Denn der Produzent von James Bond, das Hollywood-Traditionsstudio Metro-Goldwyn-Mayer, wird an den Inernetkonzern Amazon verkauft, den weltweit zweitgrößten Streaming-Anbieter. Amazon werde das legendäre Studio für 8,45 Mrd. Dollar übernehmen, meldeten die Beteiligten am Mittwoch. Erstmals sichert sich damit ein Techunternehmen eines der früher tonangebenden Studios aus Hollywood.

Streaming gegen Kino

Mit dem Deal findet eine Entwicklung einen vorläufigen Höhepunkt, die vor beinahe zehn Jahren begonnen hat. Als der damalige Online-Videoverleiher Netflix und der einstige Web-Buchhändler Amazon anfingen, eigene Fernsehserien zu produzieren, bekamen die Techfirmen noch einmal die ganze Herablassung Hollywoods zu spüren. Jahrelang hatten die Studios großflächig ihre Film- und Serienrechte an die Onlinefirmen verkauft. Dass Hollywood damit seine eigene Konkurrenz nährte, hat man in den Studiozentralen erst langsam und dann dafür umso stärker gemerkt. Inzwischen kämpfen Studios wie Disney auf der einen Seite und die Techfirmen auf der anderen Seite um die Vorherrschaft im Markt für bewegte Bilder.

Die Corona-Pandemie hat diesen Kampf noch einmal angefacht: Disney, das größte der Hollywood-Unternehmen hat seinen eigenen Streamingdienst gestartet und pusht ihn massiv, auch auf Kosten des eigenen Traditionsgeschäfts mit Kinovertrieb und Fernsehrechten. Warner Bros. ging ebenfalls mit dem Streamingdienst HBO Max an den Start – dessen Eigentümer AT&T kündigte zudem erst vor wenigen Tagen eine 85 Mrd. Dollar schwere Fusion der Tochter mit dem Entertainment-TV-Giganten Discovery an.

Es wird offensichtlich, dass sich die Gewichte globalen Entertainmentmarkt infolge der Pandemie noch einmal massiv verschieben. Der Kampf um die Vorherrschaft um Streamingmarkt hat begonnen. Bislang wird dieser Kampf zwischen Netflix (zuletzt 208 Millionen Kunden), Amazon (175 Millionen) und Disney ausgefochten. Der Wettlauf wird mit massiven Investitionen in den so genannten Content geführt, also in Filme, Serien, Shows und Talente: Amazon hat seine Ausgaben dafür im vergangenen Jahr von 7,8 Mrd. Dollar auf 11 Mrd. in die Höhe geschraubt – und in diesem Jahr hat sich das Internetkaufhaus bereits für 1 Mrd. Dollar die Streaming-Rechte an der US-Football-Liga NFL gesichert. Ebenfalls 2020 gab Netflix 11,8 Mrd. Dollar aus, Disney 15 Mrd. Dollar und Warner 18,7 Mrd. Dollar. In diesem Kampf will sich nun Amazon mit MGM einen zusätzlichen Vorteil verschaffen, wozu sicherlich auch der große Name des Studios beitragen soll. Der Handelskonzern aus Seattle wird damit gewissermaßen Mitglied der Hollywood-Familie.

Der Glanz von MGM ist verblichen

Man muss den Schritt allerdings etwas relativieren: Das Studio mit dem brüllenden Löwen im Vorspann seiner Filme hat zwar eine glanzvolle Geschichte – aber es spielt schon lange nicht mehr in einer Liga mit Disney, Warner, Sony Pictures oder Universal. Seit fast 50 Jahren ist MGM eine Art Wanderpokal von Hollywood, die Traditionsfirma wurde mehrfach verkauft, filetiert, entkernt, rutschte in die Pleite und ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Sie hat kein Studiogelände mehr, keinen eigenen Kinovertrieb, Souvenirs wie die roten Zauberschuhe von Judy-Garland aus dem 1939er Kinohit „Der Zauberer von Oz“ wurden schon vor Jahren verschleudert. Und ein großer Teil der Filmrechte – eigentlich das Hauptasset eines klassischen Studios wurden im Laufe der Jahre auch veräußert. Allein dreimal hat in der wechselvollen Geschichte des Studios der berüchtigte Investor Kirk Kerkorian MGM gekauft und wieder abgestoßen, so gesehen ist es ein Wunder, dass überhaupt noch Substanz übrig ist. Aber Filme entstanden unter dem MGM-Label in den vergangenen Jahren nur noch wenige.

Doch zu den wesentlichen Vermögensgegenständen gehört – neben den Rocky-Filmen – vor allem James Bond. Wird also der Geheimagent mit dem Verkauf ein Streamingheld? Sind die Hoffnungen schon beendet die sich mit „Keine Zeit zu sterben“ für die Wiederbelebung des Kinos verbinden? Wahrscheinlich dürfte der Film noch wie geplant ins Kino kommen – immerhin haben die James-Bond-Produzenten längst einen Verleihvertrag geschlossen und der Amazon-Deal muss erst einmal vollzogen werden. Aber in Zukunft dürfte Bond nicht mehr für die Tradition stehen, sondern für die neue Welt des Streamings.

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