Deutschlands innovativste Unternehmen : Aus knapp 1800 Kandidaten haben Capital und Statista 442 Innovationstreiber herausgefiltert. In unserer Artikelserie stellen wir Ihnen eine Auswahl der ausgezeichneten Unternehmen vor. Die komplette Auswertung im Überblick zeigt unsere Infografik
Es ist ungefähr ein Jahrzehnt her, dass der 3D-Druck als nächste technologische Revolution ausgerufen wurde. Handliche Drucker würden in jedem Haushalt stehen, in der Industrie würden die Geräte das Ende der Massenproduktion einläuten und globale Lieferketten radikal verändern – so lauteten die Prognosen. Doch wie bei vielen Innovationen, um die ein Hype entsteht, erfüllten sich die hochgesteckten Erwartungen erst einmal nicht. „Tal der Enttäuschungen“ nennen das die Marktforscher von Gartner in ihrem Hype-Zyklus-Modell.
Der Medienrummel ist längst vorbei – dafür hat die Technologie in den letzten Jahren ihre Daseinsberechtigung gefunden. Auf 3D-Druckern entstehen Prototypen, aber auch zunehmend Teile für den Einsatz unter echten Bedingungen: maßgeschneiderte Prothesen, seltene Ersatzteile für Züge, Werkzeuge für den Automobilbau und selbst Komponenten für Flugzeuge.
Dass das alles möglich ist, daran hat ein 32-Jähriger mit wuscheligen Haaren und Cordhose entscheidenden Anteil. Man trifft Aleksander Ciszek nicht in einem der hippen Hinterhofbüros, mit denen Start-ups in Berlin sich häufig schmücken, sondern in einem gesichtslosen Büroquader an einer achtspurigen Straße im Westen der Stadt. Hier residiert 3Yourmind, 2014 von Ciszek und seinem Kompagnon Stephan Kühr gegründet, heute 75 Mitarbeiter stark und führend bei Software, die Firmen beim 3D-Druck hilft.
Ciszek lernte die Technologie einst im Studium kennen. „Im Matheinstitut wurden 3D-Drucker angeschafft, um komplexe Formeln zu visualisieren“, erzählt der Gründer. „Aber am Ende landeten die Ausdrucke als Dekoration auf dem Schreibtisch des Professors. Ich dachte: Das muss doch zu mehr zunutze sein.“
Prominente Kunden
Zunächst wollte Ciszek einen Online-Marktplatz aufbauen, über den Firmen 3D-Druck-Kapazitäten buchen konnten. „Wir haben dabei aber nicht beachtet, wie Kaufprozesse in großen Unternehmen funktionieren – kein Ingenieur kauft funktionale Teile auf einer Art Amazon.“ 3Yourmind schwenkt um und erfindet sich neu: Das Start-up baut stattdessen Software, die sich direkt in Unternehmen einsetzen lässt.
Damit kommt der Erfolg. Heute hilft 3Yourmind Firmenkunden, ihr Inventar nach Bauteilen zu durchleuchten, die für 3D-Druck infrage kommen. Daneben gibt es ein Bestellungs- und Auftragssystem und eine Software, die hilft, während des Druckprozesses die Übersicht zu behalten – schließlich sind bisweilen an die 30 unterschiedliche Teile involviert. 3Yourmind ist so etwas wie das Betriebssystem für das 3D-Druck-Zeitalter.
Zu den Nutzern gehören die Deutsche Bahn, Bosch und Volkswagen. Wie viele Kunden es insgesamt gibt, das will Ciszek nicht verraten. Aber er verweist auf die 10 Mio. Euro schwere letzte Finanzierungsrunde 2017, bei der unter anderem der Werkzeughersteller Trumpf und EOS-Gründer Hans Langer investierten. Und auf Chanel, den französischen Modekonzern. Der fertigt inzwischen eine Million Wimperntuschen im Monat mithilfe von 3D-Druck – gemanagt von der 3Yourmind-Software.
In der Corona-Krise hat das Unternehmen außerdem eine eigene Plattform aufgesetzt, um 3D-Druck-Produzenten mit Krankenhäusern und medizinische Einrichtungen zu vernetzen. Sie soll die Produktion von benötigten Waren, darunter Schutzmasken und -visiere, erleichtern.
Die Studie über die innovativsten deutschen Unternehmen ist in Capital 03/2020 erschienen. Wichtiger Hinweis: Die Untersuchung wurde vor Ausbruch der Corona-Pandemie durchgeführt. Zur Methodik: So wurden die innovativsten Unternehmen ermittelt
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