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Interview „Hier hört man sogar Vögel zwitschern“

Die Corona-Pandemie hat den Flugverkehr zeitweise nahezu stillgelegt.
Die Corona-Pandemie hat den Flugverkehr zeitweise nahezu stillgelegt.
© Overstreet / IMAGO
Klaus Froese ist für den Flugbetrieb der Lufthansa in Frankfurt zuständig. Er musste zuletzt Hunderte Maschinen stilllegen. Der Luftverkehr ist seit einem Dreivierteljahr auf ein Minimum reduziert, trotzdem bereitet der Krisenmanager nun das "Ramp-up" vor: das Wiederhochfahren.

Klaus Froese steht in der Verkehrszentrale der Lufthansa am Frankfurter Flughafen und schaut auf die leeren Startbahnen, die an diesem Morgen im Dezember in dicken Nebel gehüllt sind. Normalerweise röhren hier kontinuierlich Triebwerke, nun herrscht meist sehr lange Stille. Der Flughafenbetreiber Fraport hat Mitte Dezember wieder eine Landebahn stillgelegt, eines der beiden Terminals ist geschlossen.

Der seit Jahrzehnten kräftig brummende Luftverkehr ist durch die Pandemie komplett lahmgelegt worden , Reiseverbote, Reisewarnungen und Einreisebeschränkungen haben ihre Wirkung voll entfaltet. Betroffen sind alle: Flughäfen, traditionelle Airlines ebenso wie Billiganbieter, Hersteller, Zulieferer, Reiseveranstalter, Hotels und Dienstleister. Eine Vollbremsung bei hohem Tempo. Schubumkehr würde man im Cockpit sagen .

Froese, ist ausgebildeter Pilot, aber wie einige seiner Kollegen auch im Management der Lufthansa tätig. Der 57-Jährige trägt die Gesamtverantwortung für die Fluggesellschaft in Frankfurt und gehört so zu den derzeit wichtigsten Krisenmanagern des gebeutelten Konzerns.

Capital: Herr Froese, wir sprechen heute per Videokonferenz miteinander. Was hätten Sie mir bei einem persönlichen Treffen am Frankfurter Flughafen gezeigt?

KLAUS FROESE: Ich wäre mit Ihnen auf das Vorfeld des Flughafens gefahren. Dort hätten Sie normalerweise Dutzende Triebwerke gehört. Aber momentan hören Sie nichts. Jeden Morgen gegen zehn Uhr fliegt eine größere Welle ab. Danach ist es erst mal wieder ruhig. Diese Stille gerade ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Hier hört man sogar Vögel zwitschern.

Und was machen Sie dann?

Ich sitze mit meinem Team hier in der Verkehrszentrale, dem operativen Herzstück der Lufthansa. Teile des Gebäudes sind fast menschenleer. In anderen stellen die Kolleginnen und Kollegen natürlich auch jetzt sicher, dass die Flüge pünktlich und zuverlässig in der Luft sind. Und wir bereiten uns hier auf unterschiedlichste Szenarien vor. Die aktuelle Lage ist hochvolatil – entsprechend schwierig sind da Planungen. Aber wir haben damit Erfahrung. Wenn man nur daran denkt, wie wir innerhalb kürzester Zeit im Frühjahr den Flugbetrieb fast auf null heruntergefahren haben. Und auch jetzt können wir kurzfristig auf aktuelle Entwicklungen reagieren.

Auf welche denn? Der bislang unerschütterliche Glauben, dass der Reiseverkehr nach jeder Krise schneller und stärker wieder anzieht, ist doch mittlerweile verflogen.

Wir werden nicht so schnell auf das frühere Niveau kommen, sondern zunächst nur 20 bis 30 Prozent der Vorjahreskapazität anbieten. Aber vielleicht gelingt der Neustart in der zweiten Jahreshälfte 2021 doch steiler als bislang angenommen. Wenn die Verteilung des Corona-Impfstoffes nach Plan verläuft, dann sind auch optimistischere Szenarien für das ramp-up, also für das Wiederhochfahren des Flugbetriebs, denkbar. Aber wir sind vorsichtig. Im Juni hatte die ganze Branche schon einmal hoffnungsvoll nach vorne geschaut, im August zeichnetet sich ab, dass der Erholungstrend nicht anhält und nun erleben wir einen zweiten Lockdown. Momentan fliegen etwa 80 Maschinen für die Lufthansa. Aber wir sind sehr flexibel und natürlich können wir perspektivisch wann immer das notwendig ist wieder weitere Flugzeuge in Betrieb nehmen.

Aber momentan ist der Konzern im „Wintermodus“, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr es nennt: es sind weniger Flugzeuge und damit auch weniger Beschäftigte im Einsatz. Tausende Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, mindestens 30.000 Stellen werden abgebaut. Verluste und Schulden in Milliardenhöhe lasten auf dem Konzern. Was können Sie neben der Mangelverwaltung für die Zukunft planen?

Wir sind zu Einschnitten gezwungen, die wir freiwillig nicht vorgenommen hätten. Jetzt müssen wir sparen, redimensionieren, restrukturieren und werden am Ende nicht mehr so groß sein wie vorher. Wir müssen das Unternehmen fit machen für das, was da kommt. Denn wir werden auch bald wieder einer intensiveren Wettbewerbsituation ausgesetzt sein. Wir wollen nicht einfach nur die Krise überleben und wie ein angeschlagener Boxer in der Ecke des Rings liegen. Wir haben den Anspruch, auch nach der Krise weiter führend in Europa zu sein. Selbst wenn wir erst mal nicht im ganz großen Stil investieren etwa in neue Software, arbeiten wir trotzdem daran, dass wir in Managementstrukturen und Abläufen schneller und besser werden.

Wobei konkret?

Wir lernen gerade jeden Tag Neues. Ein Beispiel sind die sogenannten tested flights, bei denen alle Passagiere vor Abflug auf Covid-19 getestet werden. So etwas gab es bisher noch nie bei Lufthansa. Diese Abläufe verbessern wir im laufenden Betrieb und optimieren den Prozess gemeinsam mit den Schnelltest-Herstellern, den Behörden und mit freiwilliger Zustimmung unserer Passagiere. An diese Schnelltests glauben wir sehr stark. Flächendeckend sind sie ein Weg, Reisen auch in größerem Umfang wieder zu ermöglichen. Dabei dürfen nur Passagiere an Bord, die zuvor am Flughafen einen kostenlosen Schnelltest gemacht haben und ein negatives Ergebnis vorweisen können.

Dafür müssen die Passagiere aber selbst für diesen kurzen Inlandsflug zwei Stunden vor Abflug am Flughafen sein. Wie wollen Sie das den Vielfliegern schmackhaft machen, die am liebsten erst 20 Minuten vorher erscheinen?

Die allermeisten Kunden finden das Test-Angebot gut. Der Wunsch zu reisen, ob privat oder geschäftlich, ist schließlich bei vielen sehr stark. Und die Schnelltests sind eine wirksame Methode, um Reisefreiheit und Gesundheitsschutz gemeinsam zu gewährleisten. Das gilt speziell für die nächsten Monate, vielleicht sogar einen längeren Zeitraum. Wir werden die ganzen Prozessabläufe weiter verbessern, etwa die Wege zwischen Testzentren und Auswertungslaboren verkürzen. Und die Tests werden technisch noch besser werden und auch schneller Ergebnisse liefern, so dass wir das spätestens ab Frühjahr im großen Stil machen können.

Im großen Stil heißt, dass Schnelltests dann für die meisten oder sogar für alle Flüge eingeführt werden?

Wir gehen von dutzenden Flügen, irgendwann auch mal von hunderten Flügen aus. Ich bin davon überzeugt, dass das ab März für Lufthansa zum Standardgeschäft gehören wird. Dann sollte der ganze Ablauf auch innerhalb von einer Stunde gut zu schaffen sein. Die Infrastruktur wird dafür zusammen mit unseren Partnern entsprechend angepasst.

Um strikte Reisebeschränkungen mit Quarantänezeiten zu umgehen, handeln einzelne Länder, Fluggesellschaften und Flughäfen so genannte Flugkorridore aus. Delta Air Lines will Flüge von Atlanta nach Rom anbieten bei denen alle Passagiere mehrfach getestet werden. Ist das auch ein Modell für Lufthansa?

Wir fliegen nach wie vor zu zahlreichen Zielen in den USA, aber für unsere Passagiere gelten strenge Restriktionen: momentan dürfen nur US-Bürger, Diplomaten und Reisende mit permanenter Aufenthaltsgenehmigung in die USA einreisen. Tests ändern daran momentan nichts. Deshalb sprechen wir mit den zuständigen Behörden, wie künftig mehr Menschen zwischen den USA und Europa reisen können. Auch dafür könnten Tests eine Möglichkeit sein. Ich hoffe, dass wir schon sehr bald wieder mehr Flüge anbieten können – zum Beispiel mit getesteten Passagieren – Anfang 2021.

Dieses Gespräch wurde für eine umfangreiche Analyse zur Krise der Fluggesellschaften und Flughäfen geführt, die Sie im Capital-Magazin 02/2021 lesen können.

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