In der Masken-Affäre ist es zuletzt ruhiger geworden. Das Parlament ist in der Sommerpause, eigentlich für Ende Juli geplante Sondersitzungen der zuständigen Ausschüsse, in denen Masken-Sonderermittlerin Margaretha Sudhof noch einmal über ihre Erkenntnisse berichten sollte, wurden von der Tagesordnung genommen – auf Betreiben der schwarz-roten Koalition. Statt um die milliardenteuren Maskengeschäfte des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU) geht es nun wieder um andere Themen.
Doch die Opposition, allen voran die Grünen, dringt bei den Maskendeals aus dem Frühjahr 2020 weiter auf Aufklärung – und zwar an höchster Stelle. In einem aktuellen Brief an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der Capital exklusiv vorliegt, werfen die beiden Grünen-Abgeordneten Paula Piechotta und Janosch Dahmen der Bundesregierung vor, Transparenz zu den Aufträgen an auffällige Maskenlieferanten und andere Unternehmen zu verhindern. Trotz der Bedeutung der Vorwürfe gegen Spahn sei die Bundesregierung bislang „belastbare Antworten“ schuldig geblieben, kritisieren die beiden Abgeordneten, die sich seit Längerem intensiv mit den Maskengeschäften beschäftigen. Viele Antworten auf im Rahmen des parlamentarischen Fragerechts eingereichte Fragen seien „unvollständig, ausweichend oder wurden teils mit erheblicher Verzögerung übermittelt“, heißt es in dem am Freitag verschickten Brief an Merz.
Jens Spahn: Masken-Affäre vor Gericht
Dass sich Abgeordnete mit Kritik an der Informationspolitik der Regierung direkt an den Bundeskanzler wenden, ist ungewöhnlich. Piechotta und Dahmen begründen diesen Schritt damit, dass die „regulären Mittel parlamentarischer Kontrolle zunehmend ausgehebelt“ würden und noch „weitere Milliarden der deutschen Steuerzahler“ verloren gehen könnten. Vor Gerichten laufen bis heute Dutzende Prozesse, die noch weitere Milliardenrisiken für den Bund bergen.
Zudem gehe es darum, einen Schaden für das Vertrauen in die Demokratie durch „den Verdacht des Machtmissbrauchs“, die mögliche Vergabe von milliardenschweren Aufträgen an parteinahe Unternehmen und den Verzicht auf Schadensersatzforderungen gegen diese Firmen zu mindern, schreiben die Abgeordneten weiter. Der heutige Unionsfraktionschef Spahn bestreitet, bestimmte Unternehmen bevorzugt behandelt zu haben.
90 Fragen an Merz
In dem Schreiben an den Bundeskanzler listen Piechotta, die im Haushaltsausschuss für den Gesundheitsetat zuständig ist, und Gesundheitspolitiker Dahmen zudem 90 Fragen zu den Maskengeschäften auf, die aus ihrer Sicht bislang nicht ausreichend geklärt sind und eigentlich Gegenstand für einen Untersuchungsausschuss wären. Diese Fragen betreffen unter anderem den umstrittenen Auftrag an das Logistikunternehmen Fiege aus dem Münsterland, dessen Chefs mit Spahn bekannt sind. Ein weiterer Themenkomplex berührt die Verträge mit der Schweizer Firma Emix Trading, die ein Volumen von rund 750 Mio. Euro umfassten. In beiden Fällen hatte das Gesundheitsministerium unter Spahn darauf verzichtet, mit Schadensersatzklagen gegen die Vertragspartner vorzugehen, obwohl es bei der Abwicklung der Verträge zu erheblichen Problemen kam, wie Masken-Sonderermittlerin Sudhof jüngst in ihrem Abschlussbericht festgestellt hat.
Darüber hinaus wollen Piechotta und Dahmen auch wissen, ob Geld aus den Maskendeals als Parteispenden an die Unionsparteien geflossen ist, warum es bei manchen Fragen wie etwa der Festsetzung von Maskenpreisen Diskrepanzen zwischen den Darstellungen im Sudhof-Bericht und seitens des Gesundheitsministeriums gibt, und ob es Weisungen an das Gesundheitsministerium gegeben hat, bestimmte Lieferanten zu bevorzugen. Ferner geht es um die lückenhafte Aktenführung im Ministerium, das chaotische Open-House-Bestellverfahren und den möglichen Gesamtschaden durch die Maskendeals.
Das Schreiben an Merz endet mit einem Appell: Man glaube, dass eine „umfassende, substanzielle und zügige Beantwortung“ dieser Fragen „das Vertrauen in die Demokratie und die aktuellen Entscheidungsträger stärken kann“. Die Antworten erbitten die Abgeordneten bis spätestens 22. August.