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Wiedervorlage Gesetze im Test: Online-Umsatzsteuer

Finanzamt Berlin-Neukölln
Finanzamt Berlin-Neukölln
© Emmanuele Contini / IMAGO
Was haben Gesetze bewirkt? Diesmal: die Umsatzsteuer für Online-Verkäufer, mit der die EU-Staaten Steuer-Schlupflöcher schließen wollen

„Der Betreiber eines elektronischen Marktplatzes (…) haftet für die nicht entrichtete Steuer aus der Lieferung eines Unternehmers, die auf dem von ihm bereitgestellten Marktplatz rechtlich begründet worden ist.“ (§ 25e, Absatz 1, Umsatzsteuergesetz)

Es kommt nicht alle Tage vor, dass Finanzämtern die Türen eingerannt werden. Im Berliner Bezirk Neukölln aber berichtet die bundesweit zuständige Fernost-Abteilung derzeit von bis zu 1500 Kunden pro Woche, die sich melden, um eine Umsatzsteuer-ID zu ergattern. Auf mehr als 70.000 summierten sich die jährlichen Anmeldungen im Juni – in der Vergangenheit waren es kaum 500 im Jahr.

Es sind vor allem Firmen aus Festlandchina sowie aus Hongkong, Macau und Taiwan, die in Neukölln Schlange stehen. Grund für den Run ist das EU-Digitalpaket zur Modernisierung des Mehrwertsteuerrechts im europäischen Onlinegeschäft. Seit Anfang 2019 schreibt es vor, dass Onlineverkäufer eine Steuer-ID brauchen, wenn sie in Europa Waren vertreiben wollen. Mit dem Gesetz wollen die EU-Staaten ein Umsatzsteuer-Schlupfloch schließen, denn bisher zahlten ausländische Netzanbieter höchstens nach Gutdünken.

Die gute Nachricht: Das Gesetz zeigt Wirkung. Die Umsatzsteuerzahlungen asiatischer Online-Händler sind gestiegen – in Deutschland von 33 Mio. auf 242 Mio. Euro im Jahr 2020. Der Fiskus ist beim boomenden E-Commerce also nicht machtlos. Allerdings vermehrte sich die gezahlte Umsatzsteuer nicht im gleichen Maß wie die ID-Registrierungen. Die Diskrepanz ist leicht erklärt: Die Firmen, so ein mit der Materie vertrauter Steuerberater, besorgten sich zwar gezwungenermaßen eine Steuernummer, meldeten dann aber nur einen Bruchteil ihrer Verkäufe auch wirklich beim Fiskus.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will die Steuerhinterziehung im Netz nun weiter begrenzen. Seit Juli gilt in Deutschland der zweite Teil des EU-Gesetzes: Plattformbetreiber wie Amazon und Ebay müssen die Mehrwertsteuer für Händler aus Drittstaaten einbehalten und direkt ans Finanzamt abführen. Nur wenn sie dem Fiskus eine Bescheinigung über die steuerliche Registrierung ihrer Verkäufer vorlegen, haften sie nicht selbst. In Neukölln wurde die Fernost-Abteilung des zuständigen Finanzamts binnen einem Jahr von 81 auf 166 Mitarbeiter aufgestockt, man rechnet hier mit dynamisch wachsenden Steuereinnahmen. Behalten darf Berlin davon allerdings nur einen Bruchteil: Bund, Länder und Kommunen teilen sich die Mehrwertsteuereinnahmen.

Testurteil: Gut

Der Beitrag ist in Capital 8/2021 erschienen. Interesse an Capital ? Hier geht es zum Abo-Shop , wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es bei iTunes und GooglePlay

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