„Rechtsfolge einer Vertraulichkeitsbestimmung durch den pharmazeutischen Unternehmer ist (…), dass sich der Erstattungsbetrag für die Dauer des Unterlagenschutzes um einen Abschlag von neun Prozent reduziert.“ §130b Abs. 1c SGB V (Gesetzesbegründung)
Eli Lilly, Merck, Bayer, Roche – all diese Unternehmen wollen Milliarden in Deutschland investieren. Das Land erlebt gerade eine neue Blüte von Ansiedlungen der Pharmaindustrie. Das ist eine gute Nachricht für einen Standort, der mal die Apotheke der Welt war. Die weniger gute: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat das Medizinforschungsgesetz zugunsten der Pharmaindustrie geändert. Künftig können Pharmakonzerne und Kassen Pillenpreise im Geheimen vereinbaren. Ärzte, die die Medikamente verschreiben, werden nicht mehr sehen können, welcher Preis verhandelt wurde.
Diese Neuerung, von der Branche „Lex Lilly“ getauft, tritt Anfang 2025 in Kraft. Damit wird ein bewährtes System abgelöst, und auf die Krankenkassen rollen enorme Mehrkosten zu. Deshalb kommt hier außer der Reihe eine brandaktuelle Gesetzesänderung auf den Prüfstand.
„Geheimpreise hebeln das Gebot der Wirtschaftlichkeit aus“
Derzeit legen die Hersteller selbst fest, was ein neu zugelassenes Medikament kostet. Doch ab dem siebten Monat nach Einführung muss der Hersteller mit der Krankenkasse einen Erstattungspreis verhandeln. Entscheidend dabei ist der Zusatznutzen für den Patienten. Nur wenn die Überlebenschance steigt, sich Symptome bessern oder es weniger Nebenwirkungen gibt, erhält das Medikament die Einstufung erheblicher oder beträchtlicher Zusatznutzen. Dann sind die Kassen bereit, mehr zu zahlen, sonst gibt es nur den Preis der bisherigen Standardtherapie.
Das Verfahren existiert seit 2011, um den Kostenanstieg bei Medikamenten zu bremsen. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GA), in dem Ärzte, Kassen und Krankenhäuser sind, bewertet das. Von den seither 839 geprüften Arzneien bekamen nur zwölf die Wertung „erheblicher“ Zusatznutzen, 146 ein „beträchtlich“.
„Geheimpreise hebeln das Gebot der Wirtschaftlichkeit aus“, so der Spitzenverband der Krankenkassen. Die Kassen kalkulieren mit hohen Zusatzkosten. Da hilft es auch kaum, dass das Parlament die Regel auf drei Jahre und Pharmahersteller begrenzt hat, die in Deutschland forschen. Auch der Mini-Zwangsrabatt von neun Prozent macht es nicht besser. Kerstin Noëlle Vokinger, Expertin für Medizinrecht, hält die „geheimen Preise für eine Initiative der Industrie, ohne Nutzen in der Versorgung“. Auch Josef Hecken, der GA-Vorsitzende, kritisiert: Geheimhaltung erschwere es Ärzten, bei gleicher Wirkung das günstigste Präparat zu verschreiben. Ein zentrales Steuerungsinstrument werde zur Makulatur.
Testurteil mangelhaft