2016 stand wie kein anderes Jahr dafür. Und auch nach dem 1. Januar werden wir weiter in einer VUCA-Welt leben. VUCA steht im Management-Sprech für "Volatility, uncertainty, complexity and ambiguity". Und VUCA dürfte wohl irgendwann von Historikern als Stichwort für diese Ära genutzt werden.
Diesen Wandel können wir nicht aufhalten. Wir können nur an unserer eigenen Einstellung dazu arbeiten. Und die wichtigste Eigenschaft dafür lautet: Offen sein für das Neue, Unbekannte.
Disruption auch in der Politik
Wenn sich diese "Profis" nun schon mit der VUCA-Welt so schwer tun - wundert es da noch, dass es in Teilen der Gesellschaft das Gefühl gibt, abgehängt zu sein? Diejenigen, die sich von der Wucht der Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung überfordert fühlen, suchen verzweifelt nach Halt und Orientierung. Und geben im Zweifel Menschen ihre Stimme, die ihnen versprechen, die gute alte Welt wieder zurückzubringen. Ganz gleich wie glaubwürdig und vertrauenswürdig diese Heilsbringer tatsächlich sind - sie bieten offenbar einen Strohhalm, an den sich einige Menschen derzeit klammern und in ihrer Verunsicherung dafür bereit sind, gewisse Dinge auszublenden.
Wie ist es anders zu erklären, dass ein Mensch gegen den über 70 Strafprozesse laufen, der offenbar von einigen Banken als nicht mehr kreditwürdig eingestuft wird, nachweislich an einem Tag dies, am nächsten Tag etwas völlig anderes sagt, als Milliardär für die obersten 1-Prozent steht, für dekadenten Protz und Prunk und für ein Immobilienunternehmen voller Intransparenz und Vetternwirtschaft, dass solch eine Person ausgerechnet auf dem Ticket gewählt wird, derjenige zu sein, der mit der Elite, mit Verlogenheit, Seilschaften, Korruption und Stillstand in Washington aufräumt. Es braucht schon enorme Verunsicherung in einer Gesellschaft, um solch ein Kunststück hinzubekommen. In Normalzeiten würde man so einem Menschen instinktiv vermutlich keinen Gebrauchtwagen abkaufen.
In Zeiten großer Verunsicherung schafft es so jemand sogar ins Weiße Haus.
Mutige voran
Das Problem dabei ist: Diese vermeintlichen Heilsbringer, werden der Welt entgegen ihren Versprechungen nicht den VUCA-Faktor nehmen können. Im Gegenteil: Sie verstärken ihn nur noch. Und es wird vermutlich leider mindestens eine Wahlperiode brauchen, bis sie entzaubert sind.
Derweil polarisiert sich die Gesellschaft. Sie teilt sich zunehmend in diejenigen, die dem Wandel, dem Neuen, dem Fremden offen gegenüber stehen und denjenigen, die sich am liebsten einmauern wollen. Dahinter stehen unterschiedliche Einstellungen zur Welt, ja zum Leben: Mut vs. Angst, Offenheit vs. Klammern, Vertrauen vs. Misstrauen.
Das haben wir nach dem Jahr 2016 so langsam verstanden. 2017 sollte es um etwas anderes gehen: Was in dieser Situation nicht weiter hilft, ist mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Wir müssen wieder lernen, die jeweils andere Seite mit ihren Bedürfnissen zu verstehen und darauf einzugehen. Und dabei müssen die Mutigen vorangehen.
Sehnsucht nach Machern
Wir brauchen wieder mutige Menschen mit Strahlkraft, die den weniger Mutigen helfen und sie an der Hand nehmen. Statt sie den Scharlatanen zu überlassen. Viele Menschen sehnen sich in solchen Zeiten nach Machern, nach Unelitären.
Anders formuliert: Wie kann ein Land, dass einen Bill Gates hervorgebracht hat, ausgerechnet einen Donald Trump zum Anti-Politik-Präsidenten wählen?
Martin Kaelble ist Capital-Redakteur und schreibt an dieser Stelle über Digitalisierung, Start-ups und die neue Wirtschaft.
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