Der Föhn hüllt das Tal in eine Glocke aus Wärme und Licht. Im Norden Deutschlands wüten Sturmflut und Regen. Doch hier, tief im Südosten Deutschlands, am Rande der Alpen, hält der goldene Spätsommer noch Mitte Oktober an. Gezackte Gipfel zeichnen sich vor dem tiefblauen Himmel ab, im Kurpark spielen ältere Herren Boccia, ein Mann mit Rollator führt seinen Pudel aus. In der Fußgängerzone vorm Café Krönner sitzt ein betagtes Paar vor Schwarzbier und Kaffee mit einer riesigen Einkaufstüte. Sie haben gefütterte Trachtenjacken beim Grasegger gleich gegenüber gekauft. Immer gäben sie da zu viel Geld aus. Macht aber auch nichts. Was für ein Glück er habe, dass sie mit 86 Jahren immer noch so schön aussehe, schmeichelt der Rentner seiner Frau. Überhaupt habe er es doch gut getroffen. „Sollte ich jemals abhauen“, sagt er zu ihr, „dann findest du mich hier.“
Hier, damit meint er Garmisch-Partenkirchen. Deutschlands Sehnsuchtsziel am Fuße der Zugspitze. Seit Jahrzehnten lockt der Alpenort Menschen aus der ganzen Welt an – zum Wintersport genau wie zur Sommerfrische. Darunter sind so illustre Gäste wie der thailändische König Rama X., der mit seiner Entourage regelmäßig im Grand Hotel Sonnenbichl residiert. Der Sultan von Oman nennt ein Anwesen mit zehn Häusern unterhalb des Kramerspitz sein Eigen.
Besonders beliebt ist Garmisch-Partenkirchen allerdings bei gut betuchten deutschen Senioren. Viele sind vor langer Zeit das erste Mal zum Skifahren oder Wandern hergekommen, verliebten sich in die Alpenkulisse, kehrten immer wieder, kauften sich irgendwann ein Feriendomizil als Zweitwohnsitz – und zogen im Ruhestand schließlich ganz in die Berge. Ferien für immer. In puncto demografischer Wandel ist der Landkreis der Bundesrepublik rund 15 Jahre voraus. Ein Drittel der Bevölkerung ist älter als 60 Jahre.
Die 27 500-Seelen-Gemeinde Garmisch-Partenkirchen, die sich stolz „Markt“ nennt, reiht sich ein in eine Vielzahl von Ferienorten am Fuße der Alpen, die einen stetigen Zuzug von Senioren verzeichnen. Darin steckt auf der einen Seite eine Chance: Auf den Skitourismus können die Kommunen angesichts des fortschreitenden Klimawandels kaum noch setzen. Da sind die wohlhabenden Alten ein willkommener Kaufkraftbringer für die lokale Wirtschaft. Auf der anderen Seite birgt es Gefahren, wenn Gäste nicht mehr nach drei Wochen abreisen, sondern auf Dauer bleiben. Verdrängen „die Fremden“ die Alteingesessenen? Steigen die Preise? Und wie funktioniert das Zusammenleben?