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Wasserkrise Winterdürre in Frankreich und Italien: „Alle Alarmsignale auf rot“

Der ausgetrocknete Fluss Issole im französischen Dorf Flassans Ende Februar 2023
Der ausgetrocknete Fluss Issole im französischen Dorf Flassans Ende Februar 2023
© picture alliance / abaca | Coust Laurent/ABACA
Alarmstufe rot in Frankreich und Italien: Wegen der Winterdürren braut sich in beiden Ländern eine neue Wasserkrise zusammen. Größte Verliererin ist die Landwirtschaft

Die Mega-Becken mit Wasser sind in Frankreich zum Politikum geworden. In ihnen horten französische Landwirte Millionen Kubikmeter Wasser, um trockene Zeiten zu überstehen. Schon seit einigen Jahren machen Protestbewegungen dagegen mobil. Umwelt- aber auch Bauern-Akivisten und Bürger monieren solche Wasserreserven von der vielfachen Größe olympischer Schwimmbecken. Aus ihrer Sicht zerstören sie das ökologische Gleichgewicht – und privatisieren Wasser in wenigen Händen, das als Gemeingut allen zustehe.

Wenn sich die Konfrontation immer wieder hochschaukelt, beschreiben einige das schon als „Wasserkrieg“. Vor dem Hintergrund der frühzeitigen Dürre in diesem Jahr gewinnen die Kämpfe an Relevanz – und vermutlich auch an Schärfe. Manche der Wasserbecken wurden von Gerichten wieder verboten, andere werden neu gebaut. Um die Tausend sollen es sein, konzentriert in landwirtschaftlich geprägten Regionen im Südosten und Südwesten des Landes.

Präsident Emmanuel Macron hat dieser Tage angesichts der beispiellosen Winterdürre bei der Agrarmesse in Paris zum allgemeinen Wassersparen aufgerufen. Nach dem Aufruf, weniger Energie zu verbrauchen, sind nun auch die fetten Wasserjahre vorbei. Sowohl in Frankreich wie in Italiens Norden sind die Böden nach einem schnee- und regenarmen Winter und der Dürre des im vergangenen Sommers so trocken wie nie zu dieser Jahreszeit. Wenn das Frühjahr nicht die erhofften Niederschläge bringt, wird der Sommer 2023 vielerorts zum Notstand führen.

Alarmstufe rot

„Alle Alarmsignale auf rot“ sieht bereits Frankreichs Umweltminister, der für März einen Plan zur Verwaltung des Wassermangels angekündigt hat. Die Präfekten der sieben großen Wassereinzugsgebiete hält er an, bei Einsparverordnungen nicht „mit zitternder Hand“ zu handeln. Der Februar sei der trockenste Monat seit mehr als einem halben Jahrhundert gewesen. Es geht ihm darum, Ressourcen für diesen Sommer zu sparen. Von mehr als 400 beobachteten Grundwassergebieten weisen schon jetzt 125 ein sehr niedriges Niveau auf, 120 ein niedriges und 97 ein mäßig niedriges. 

Die frühzeitige Trockenheit weckt angesichts dieser mäßigen Aussichten vor allem Ängste bei den Landwirten. Die historische Dürre 2022 hat dem 80 Mrd. Euro schweren Wirtschaftszweig schon schweren Schaden zugefügt. Die Maisernte ist um etwa 17 Prozent eingebrochen. Die Einbußen bei Obst und Gemüse werden auf 20 bis 35 Prozent geschätzt. Dabei geht der Trend eher in Richtung Ernährungssouveränität. Die Branche will wieder mehr heimisch produzieren, weil die Importe sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt haben. Fast 30 Prozent des Gemüses und über 70 Prozent des Obstes kommen aus dem Ausland.  

„Ohne Landwirte keine Nahrungsmittel“. Französische Bauern protestieren mit ihren Traktoren in der Stadt Toulouse gegen neue Vorschriften zum Umgang mit Wasser.
„Ohne Landwirte keine Nahrungsmittel“. Französische Bauern protestieren mit ihren Traktoren in der Stadt Toulouse gegen neue Vorschriften zum Umgang mit Wasser.
© picture alliance / NurPhoto | Alain Pitton

Schon jetzt verbrauchen Frankreichs Bauern aber 45 bis 50 Prozent des Brauchwassers – vor allem zum Zweck der Bewässerung. Und das, obwohl sich die Bewässerung auf nur etwa sechs Prozent der Nutzflächen ausdehnt, so das Nationale Forschungsinsitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE). Eine naheliegende Kurskorrektur wäre somit eine effizientere Bewässerungstechnik, eine andere die Umstellung des Anbaus – etwa von Mais, der viel Wasser braucht, auf andere Nutzpflanzen wie Sorghum, mit dem sich als Tierfutter schon vergleichbare Preise aufrufen lassen. 

Monopole auf Wasser  

Aber die Bauernlobby ist hartgesotten. Sie verteidigt sich gegen jegliche Angriffe auf ihre Bewirtschaftung, egal ob es sich um Pestizide, Dünger oder eben Wasser handelt. Während Verfechter der naturnahen Landwirtschaft für Methoden plädieren, die mehr Wasser in den Böden halten (etwa durch Aufforstungen), setzen zu Kooperativen zusammengeschlossene Landwirte zunehmend darauf, Wasser eben in großen Becken zu horten.  

Problematisch dabei: Über die Oberfläche verdampft viel Wasser, so die Kritiker, und die Reserven füllen sich nicht allein über Regenwasser – was der ursprüngliche Gedanke bei der offiziellen und staatlich geförderten Einführung der Becken 2019 war – sondern über das Grundwasser, das in den Wintermonaten hochgepumpt wird. Eine Minderheit der Bauern monopolisiere somit die Ressource Wasser – auf die Gefahr hin, den Wasserkreislauf zu stören und die Flussläufe noch stärker auszutrocknen.  

Letzteres wäre auch nicht im Interesse der Energiewirtschaft. Denn nach der Landwirtschaft sind Frankreichs Atomkraftwerke mit mehr als 30 Prozent der zweitgrößte Verbraucher von Wasser – zum Kühlen. Danach folgt mit 21 Prozent das Trinkwasser und mit drei Prozent die industrielle Nutzung. Der Anteil von Atomstrom ist wegen der klimatischen Bedingungen im vergangenen Jahr schon unter zwei Drittel der gesamten Stromproduktion gefallen – den niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Der Beitrag der Wasserkraftwerke an Staudämmen fiel um 20 Prozent im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2014 bis 2019. Frankreich wurde das erste Mal seit 1980 zum Nettoimporteur.

Norditaliens Ernte in Gefahr  

Auch in Italien leidet vor allem sein landwirtschaftlich wichtigstes Gebiet – die Ebene und das Delta des 650 Kilometer langen Flusses Po – unter den trockenen klimatischen Bedingungen. Wie in Frankreich kann in vielen Regionen des EU-Landes, darunter die Emilia-Romagna und das Veneto, die aktuelle Winterdürre einen extremen Dürresommer zur Folge haben. Im Po-Becken sind die Niederschläge um 60 Prozent gesunken. 

Schon die Wasserknappheit im Vorjahr resultierte im Norden Italiens in einem Defizit von 40 Prozent im Vergleich zum historischen Durchschnitt der Niederschläge, konstatierte dieser Tage der größte landwirtschaftliche Verband Coldiretti.

Die unabhängigen Erzeuger warnen vor einer Wasserrationierung in ihren Gebieten, weil dies alle Grundnahrungsmittel für die mediterrane Ernährung bedrohe. Das gelte für den Hartweizen für die Pasta bis hin zur Tomatensauce. Obst, Gemüse, Reis und Mais als Futtermittel für die Viehwirtschaft sind ebenso betroffen. Und das wirkt sich dann auch auf die Produktion berühmter Käsesorten wie Parmigiano Reggiano oder der Wurstspezialität Parmaschinken aus. 

Ein trockenes Reisfeld in der italienischen Anbauregion zwischen Novara und Pavia im Sommer 2022.
Ein trockenes Reisfeld in der italienischen Anbauregion zwischen Novara und Pavia im Sommer 2022.
© picture alliance / NurPhoto | Mauro Ujetto

Auch der beliebte Risotto-Reis stammt aus der Po-Ebene. Italien ist der größte Reisproduzent Europas. Nun wird laut Coldiretti für den Reis aber bereits 8000 Hektar weniger Aussaatfläche erwartet – der niedrigste Stand seit 30 Jahren. Der Anbau ist sehr wasserintensiv: etwa 2500 Liter pro Kilogramm. Wasser aus dem Po und den Nebenflüssen versorgt die Pflanzen über weitverzweigte Kanäle mit Wasser. Die Felder werden im Frühsommer komplett geflutet. Auch in der Region Trentino, deren Stauseen zur Stromproduktion und zur Bewässerunge der Felder in der Poebene beitragen, werden Wasserpegel weit unter normal gemeldet.

Italien: Hotspot des Klimawandels

Coldiretti-Präsident Ettore Prandini sieht schon das Überleben des gesamten Gebiets in Gefahr. Infolge der schweren Winterdürre sei ein Drittel der in der Po-Ebene produzierten Lebensmittel „made in Italy“ gefährdet, wenn nichts getan werde. Zur Bekämpfung der Dürre empfiehlt er vor allem die Regenwassernutzung zu erhöhen, die bei nur elf Prozent liege. Bewässerungssysteme könnten optimiert und Innovationen mit weniger wasserintensiven Nutzpflanzen gefördert werden.  

Wie in Paris trat in Rom diese Woche ein interministerieller Ausschuss zur Lenkung der sich anbahnenden Krise zusammen. Den Vorsitz führt Ministerpräsidentin Georgia Meloni. Ihr Umweltminister hat die Möglichkeit von Rationierungen angedeutet, die in Frankreich schon in vier Departements gilt. Das schürt die Sorgen. Der Notstand in fünf Regionen des Landes 2022 – allesamt im Norden Italiens – hatte in der Landwirtschaft dürrebedingt einen Schaden von rund 6 Mrd. Euro verursacht.

Der Norden ist dicht besiedelt und industrialisiert, weshalb seltener werdende Regenfällen auf eine zunehmende Oberflächenversiegelung treffen. Im Ergebnis ist der Wasserhaushalt aus der Balance, der Boden trocknet laut Studien so weit aus, dass Getreide oder Gemüse, die bisher mit Regenwasser auskamen, inzwischen Bewässerung brauchen. Während so die Landwirte immer mehr Wasser nutzen, fiel in den italienischen Alpen in den vergangenen Monaten mehr als 50 Prozent weniger Schnee als im langjährigen Durchschnitt, berichten Umweltschützer. 

Der prominente Meteorologe und Universitätsdozent Luca Mercalli betrachtet Italien als einen Hotspot des Klimawandels. Ihm zufolge zeigen Simulationen, dass die Temperaturen in Norditalien im Sommer um bis zu acht Grad steigen könnten. In der Po-Ebene könnten dann Bedingungen wie in Pakistan herrschen. Dem britischen „Guardian“ sagte er jüngst, das Wasserdefizit des vergangenen Jahres setze sich im Grunde nahtlos 2023 fort. Nun müsse man auf den Frühling warten, der dort gewöhnlich die regenreichste Periode des Jahres sei. „Es ist gut möglich, dass Niederschläge im April und Mai kompensieren können – das ist die letzte Hoffnung.“ Falle der Frühlingsregen zum zweiten Mal in Folge aus, wäre das eine schlimme Premiere.

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