Unter einem „Neustart“ in den Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika macht es Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht. Bei seinem ersten Amtsbesuch auf dem Kontinent zur Eröffnung einer Unternehmerkonferenz in Südafrika kündigte er bessere staatliche Garantien für Exporte und Investitionen an – als zusätzliche Anreize für deutsche Firmen. Die haben zwar 2021 mehr als 1 Mrd. Euro südlich der Sahara investiert. Das sind aber weniger als ein Prozent aller Auslandsinvestitionen.
Am stärksten sind deutsche Unternehmen in Südafrika vertreten. Mit der Demokratie am Kap schmiedet Deutschland im Kreis der G7-Industrienationen neuerdings eine potenziell vielversprechende Partnerschaft. Denn so wie Industrieminister Ebrahim Patel vor Habeck die Losung einer „grünen Industrialisierung“ ausgibt, bekannte sich vor ihm Präsident Cyril Ramaphosa vor zwei Jahren zum Ausstieg aus der Kohle – prinzipiell. Eine Energiewende-Partnerschaft des Westens soll nun dem Übergang von fossilen zu erneuerbaren Energien Flügel verleihen – mit Finanzierungen, Know-how und sozialer Flankierung – möglichst auch unter Beteiligung deutscher Technologie.
Wenn Industrieländer die Schwellen- und Entwicklungsländer nicht bei der Dekarbonisierung ihrer Wirtschaften finanziell unterstützen, bleiben die Pariser Klimaziele unerreichbar. Darin sind Experten sich einig. Dafür geht Deutschland mit einer ganzen Reihe von Klima-, Energie- und sonstigen Initiativen an den Start – mit Ländern so vielfältig wie Ägypten, Indonesien, Peru oder auch den USA. Vieles ist unübersichtlich und noch unkonkret, wie jüngst auch eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) befand. Capital gibt einen Überblick.
DIW-Autor Heiner von Lüpke klassifiziert die Partnerschaften in drei Typen:
- Just Energy Transition Partnerships (JETP) – Partnerschaften, die typischerweise in Schwellenländern mit hohen Emissionen Finanzierungen und Know-how für eine sozial verträgliche Energiewende beisteuern
- Klimapartnerschaften mit ausgewählten Entwicklungs- und Schwellenländern, um deren Entwicklungs- und Klimaziele zu unterstützen, wie von der Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag vereinbart
- Partnerschaften in der nördlichen Hemisphäre, wie zur Dekarbonisierung von Industrien, welche auf gemeinsame Standards etwa für die CO2-Bepreisung oder die Definition von „grünem Stahl“ abzielen
Die JETP setzen bei Ländern an, die nach den Industrieländern das größte Problem für das Klima darstellen. Ausgenommen China, verhandeln die G7 in Asien mit den dynamischen Volkswirtschaften Indien, Indonesien und Vietnam. „Wir wollen mit zusätzlichen Finanzmitteln und Politikberatung helfen, Reformen im Sinne einer gerechten und nachhaltigen Energiewende einzuführen“, umschreibt Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth das Ziel. Sein Ressort betreut die JETP mit dem Wirtschaftsministerium. Umfassende energiepolitische Transformationen erfordern große Summen: Dafür bringen multilaterale, regionale und nationale Entwicklungsbanken im Bündnis mit G7-Staaten günstigere Finanzierungen auf als Einzelstaaten und federn Risiken für die Beteiligung privater Investoren ab.
Für Lüpke hat die Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (JETP) Signalcharakter. „Initiativen der Kooperation zwischen Industrie- und Schwellenländern sind beim globalen Klimaschutz bisher sehr unkonkret“, so der DIW-Experte. „Die Welt schaut nun auf Südafrika, das ist vielleicht ein gutes Momentum.“ Die JETP gebe den Kickstart für einen Prozess und wirke als Beschleuniger für die Finanzierung: wenigstens für den Anschub – auch wenn er nur einen Bruchteil der tatsächlichen Transitionskosten wie für den Kohleausstieg abbildet. „Wenn es gelingt, auf der Seite Südafrikas die politischen Weichen Richtung Energiewende zu stellen, und die geberfinanzierten Beiträge an den richtigen Stellen eingesetzt werden, dann ist das ein zielführender Ansatz.“
Das Modell Südafrika
Südafrikas Strom kommt zu 90 Prozent aus Kohlekraftwerken. Das Angebot einer Partnerschaft, die den Ausstoß von bis zu 1,5 Gigatonnen CO2 verhindern will, habe den Einstieg in den Ausstieg befördert, meint auch Sandeep Pai am Center for Strategic and International Studies (CSIS) in Washington. Wiewohl die innenpolitische Gemengelage gar nicht so eindeutig ist: Der Kohleausstieg mag offizielle Regierungspolitik sein, belegt durch einen 200-Seiten-Investitionsplan zur „Just Energy Tansition“. Doch eine Koalition von Interessengruppen und Gewerkschaften will diese Transition nicht gleich stark unterschreiben, gibt Lüpke zu bedenken.
Deutschland bringt mit Frankreich, Großbritannien, den USA und der EU die Summe von 8,5 Mrd. Dollar für die nächsten drei bis fünf Jahre auf – „in einem Kraftakt“, wie Flasbarth sagt, aber zu 95 Prozent als teilweise stark vergünstigte Darlehen. Berlins Auftakt ist ein Kredit über 300 Mio. Euro – von den zugesagten 1 Mrd. Dollar, die je auch Frankreich, EU und USA beisteuern, Großbritannien ist mit 1,8 Mrd. Dollar dabei, der Klimafonds der Weltbank mit 2,6 Mrd. Dollar. Der Löwenanteil von 7,7 Mrd. Dollar soll den Umbau der sowieso knappen Stromversorgung ermöglichen. Während Frankreich es mit dem (hochverschuldeten) Strommonopolisten Eskom aufnimmt, investiert Deutschland vorrangig in die Infrastruktur für erneuerbare Energien.
Durch den Bau von Solar- und Windanlagen, Leitungen oder Batteriespeichern sollen in den Kohleregionen neue Jobs entstehen, heißt es vom BMZ. Als Beispiel wird das stillgelegte Kohlekraftwerk Komati genannt, dessen Standort für die Energieproduktion erhalten werde. „Wer bisher mit der Kohle sein Geld verdient hat, braucht neue wirtschaftliche Perspektiven. Da setzen wir an.“ Deutsche Unternehmen seien hierbei innovativ und oft Vorreiter für gute Arbeitsplätze wie für menschenwürdige Bedingungen.
Indonesien folgt
Noch während die Weltklimakonferenz in Ägypten stockte, vereinbarte die G7 mit Indonesien anlässlich des G20-Gipfels mit den Schwellenländern in Bali eine zweite Partnerschaft für eine gerechte Energiewende (JETP). Mit öffentlichen und privaten Mitteln in Höhe von 20 Mrd. US-Dollar über drei bis fünf Jahre soll die Energiewende um zehn Jahre beschleunigt werden. Es dürfte die bislang größte Klimaschutz-Investition in ein einziges Land sein. Die Hälfte davon wird nach einer Mitteilung der EU-Kommission auf das Konto der internationalen Partner gehen, und davon ein Viertel auf die EU und Mitgliedsstaaten. Für den Rest soll auch Jakarta einen Investitionsplan erstellen.
In dem Sinn peilt Indonesien Klimaneutralität bis 2050 an, will Kohleverstromung ab- und erneuerbare Energien ausbauen, und bessere Standortbedingungen für Investitionen, auch für Energieeffizienz, schaffen. Unter Präsident Joko Widodo scheint ein Wandel möglich, um Kohlekraftwerke nach und nach vom Netz zu nehmen, sagen Experten. Denn die Energiewirtschaft weist Parallelen zu Südafrika auf – mit verfestigten Machtpositionen von Monopolisten, einer großen Bedeutung der Kohle auch für Exporte (an Indien und China) und finanziell schwierigen staatlichen Elektrizitätswerken.

Was der DIW-Experte Lüpke in Südafrika bemängelt, gilt auch hier: „Wenn es gelingt, auf der sozialen Seite die Aussichten auf neue Jobs und Chancen zu verdeutlichen, fände die Energiewende mehr Gehör auch bei Menschen, die noch fest im Kohlesektor stecken.“ Eben deswegen seien die JETPs speziell: Sie enthalten das Element der sozial verträglichen und gerechten Energiewende, das Entwicklungsländern wichtig ist. Vom Modell her sei dies mehr als Beiwerk, aber von allen Seiten politisch und konzeptionell noch vernachlässigt. „Es wäre empfehlenswert, einen Dialog zu etablieren, der Lösungen für den Umstieg auf Arbeitsplätze im Sektor der erneuerbaren Energien entwickelt.“
Indien zieht nicht mit
Indien spielt im Kampf gegen die Klimakrise als weltweit zweitgrößter Kohleproduzent, -importeur und -verbraucher eine entscheidende Rolle. Es ist der viertgrößte Treibhausgas-Emittent weltweit und besonders von Extremwetterereignissen betroffen. Ein Rückbau der Kohlewirtschaft würde arme und vulnerable Schichten der Bevölkerung am härtesten treffen, weil in den Kohleregionen ein großer Teil der Arbeiter aus prekären Verhältnissen der Schattenwirtschaft stammt. So begründet die Regierung von Narendra Modi die Zurückhaltung gegenüber einem Kohleausstieg: mit Sorgen um wachsende Armut.
Zumindest haben die G7 und Indien beim G7-Gipfel im Juni in Elmau vereinbart, auf eine „Just Energy Transition Partnership“ hinzuarbeiten. Als Vorstufe gibt es eine Absichtserklärung zu einer „Green and Sustainable Development Partnership“ (GSDP). Sie soll „transformative Konzepte und Politiken“ im Hinblick auf die Energiewende schon einmal diskutieren. Deutschland bohrt weiter: Man stehe an der Seite Indiens, wenn das Land die Energiewende mit dem Ausbau erneuerbarer Energien stärker vorantreiben wolle, betonte jüngst Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Indien-Besuch.
Beim Wachstum setzt Indien bereits zunehmend auf erneuerbare Energie im Strommix und baut große Solarparks. Aber: Das Kohle-Ökosystem mit Millionen abhängiger Haushalte übersteige weit das von Südafrika mit rund 100.000 Beschäftigten, betont Sandeep Pai vom CSIS. Die Regierung sollte in jedem Fall Berechnungen anstellen über die Kosten einer Transition für Infrastruktur und soziale Verträglichkeit, wirbt er für eine JETP. Aber das Konzept einer sozial verträglichen Transition stecke in Indien noch in den Kinderschuhen.
Kenia: Wachstum ohne fossile Quellen
Die Vereinbarung Deutschlands mit Kenia ist ein Beispiel für eine Klima- und Entwicklungspartnerschaft, um beides zu unterstützen. Die Anfang November geschlossene Partnerschaft will den Umstieg des Landes auf 100 Prozent erneuerbare Energie bis 2030 fördern und soll auch anderen ärmeren Ländern vor Augen halten, dass Entwicklung ohne fossile Energiequellen möglich ist. Details über die Finanzierung sind nicht bekannt.

Kenia bezieht bereits mehr als drei Viertel seiner Energie aus erneuerbaren Quellen. Dabei spielt neben Bioenergie vor allem Geothermie eine wichtige Rolle. Dennoch steigt der Energiebedarf rapide, ganzen Regionen fehlt der Anschluss an das Stromnetz, obwohl im ländlichen Raum die Energieversorgung ausgebaut wurde. Neben einer breiteren Stromversorgung will Deutschland außerdem beim Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft helfen. Dies lohne sich unter anderem für die heimische Düngemittelproduktion, die dann nicht mehr auf teures Gas angewiesen wäre.
Dünger aus eigener Produktion und eine klimaresilientere Landwirtschaft sollen auch die Ernährungssicherheit am Horn von Afrika stärken. Denn nach der Dürre im Norden des Landes, dem Ausfall von fünf Regenzeiten und der Verteuerung von Lebens- und Düngemitteln durch Russlands Angriffskrieg sind Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Ein weiterer Schwerpunkt der Partnerschaft ist die Anpassung an Klimaveränderungen: Die Regierung in Nairobi will zerstörte Wälder wiederherstellen.
Klimaschutz mit Peru
Ebenfalls Anfang November schloss Deutschland die erste Klimapartnerschaft mit einem lateinamerikanischen Land und der Zusage von rund 350 Mio. Euro. Es geht vor allem um die Bewältigung der Schäden, die der Klimawandel schon hervorruft, und die Vermeidung künftiger Schäden durch aktiven Klimaschutz. Peru, das bis 2050 Kohlenstoff-Neutralität erreichen will, wird als „treibende Kraft in der internationalen Zusammenarbeit beim Klimaschutz“ gewürdigt.
Wirtschaftsstaatssekretären Anja Hajduk sieht die deutsch-peruanische Klimapartnerschaft als exemplarisch für die Unterstützung der Industriestaaten für aufstrebende Wirtschaften. Treibhausgasminderungen im Energie- und Verkehrsbereich müssten mit Wald- und Naturschutz zusammengedacht werden. In dem für die Artenvielfalt wichtigen Amazonas-Anrainer lassen steigende Temperaturen auch die Andengletscher zunehmend schmelzen. Das bedroht auch die Wasserversorgung in den tiefer liegenden und trockenen Küstenregionen. Gefördert werden soll unter anderem der Aufbau von nachhaltigen ÖPNV-Systemen. Im Amazonas steht der Schutz des Waldes im Vordergrund, etwa im Einsatz gegen die Forstkriminalität, die zunehmend auch die indigenen Bevölkerungsgruppen bedroht.
Energiewende mit Ägypten
Energiepartnerschaften unterhält Deutschland zahlreich. Die neueste Generation zielt zunehmend auf die Sicherung von für die Industrie kritischen Rohstoffen. Mit Ägypten schloss die Bundesregierung neuerdings eine Energiepartnerschaft, die sowohl gemeinsame Wasserstoffprojekte wie auch eine beschleunigte Energiewende beinhaltet – auch mit einem sozialen Ausgleich für die Beschäftigten der Gaswirtschaft. „Wir unterstützen Ägypten dabei, die eigene Energieversorgung auf neue Füße zu stellen und den Wechsel von fossilen zu klimafreundlichen Energien zu beschleunigen“, erklärte Habeck.
Vorläufig bleibt es bei einem „strukturierten Dialog“ mit Unternehmen und anderen Akteuren zum gegenseitigen Wissensaustausch und Know-how-Transfer, der auch regulatorische Rahmenbedingungen harmonisieren und Finanzierungsfragen klären soll. Es klingt nach einer Vorstufe zu einer JETP – allerdings mit dem Fokus auf Gas und Wasserstoff. Zusammen will man „grenzüberschreitende klimaneutrale Energienetze aufbauen, die im Wesentlichen auf grünem Wasserstoff basieren“.
Nutzen für die heimische Wirtschaft
Welcher Nutzen von all diesen Partnerschaften für die heimische Wirtschaft zu erwarten sein wird, muss sich zeigen. Beim Ausbau der grünen Energien wird es stark darauf ankommen, wie liberal und offen etwa die Privatisierung bisheriger Akteure der Energiewirtschaft gestaltet wird, meint DIW-Experte Lüpke. „Das wird dann darüber entscheiden, in welchem Maß ausländische Investoren zum Zug kommen.“ In Mexiko jedenfalls hätten veränderte Rahmenbedingungen den Weg für private Investitionen in die Energiewende stark geebnet.
Das Gegenteil könnte mit den USA der Fall sein, obwohl auch mit Washington im Mai eine Absichtserklärung für eine Klima- und Energiepartnerschaft mit dem US-Sondergesandten John Kerry unterzeichnet wurde. Man will Klimaschutz und Energiewende beschleunigen, und dafür Technologien einsetzen. Gemeinsame Arbeitsgruppen sollen in den Bereichen Wasserstoff, Offshore-Windenergie, emissionsfreie Fahrzeuge und der Zusammenarbeit mit Drittstaaten kooperieren. Wenn die US-Regierung wie geplant aber heimische Industrie-Innovationen so subventioniert, dass transatlantische Wettbewerber nicht zum Zug kommen, dürfte den Arbeitsgruppen bald die Energie ausgehen.