Der Klimawandel gefährdet das Geschäftsmodell traditioneller Energiekonzerne. Am wenigsten sind darauf US-Ölkonzerne vorbereitet, wie Studie der britischen Denkfabrik Carbon Tracker zeigt. Deutlich besser auf den Übergang zu einer Kohlendioxid-armen Wirtschaft sind demnach europäische Energie-Unternehmen vorbereitet, am besten schneiden in der Untersuchung die italienische ENI und die britische BP vor der spanischen Repsol ab.
Als klaren potenziellen Verlierer machen die Autoren die US-Konzerne ExxonMobile und ConocoPhillips aus. Insbesondere bei diesen beiden Konzernen drohten Anlegern hohe Wertverluste.
Carbon Tracker versteht sich als gemeinnützige Denkfabrik , die es sich nach eigenen Angaben „zum Ziel gesetzt hat, durch eine Anpassung des Kapitalmarkts an die heutige klimatische Realität einen klimasicheren globalen Energiemarkt zu schaffen“. Begründet wurde Carbon Tracker durch eine ganze Reihe gemeinnütziger Stiftungen. In der aktuellen Studie wurden die neun größten privatwirtschaftlichen Energiekonzerne aus Europa und Nordamerika betrachtet. Die 2019 entstandene Dea Wintershall mit Großaktionär BASF wurde nicht berücksichtigt.
„Nur sehr wenige Teile der Geschäftsmodelle der Produzenten fossiler Brennstoffe werden durch die Energiewende unerschüttert bleiben“, sagt Andrew Grant, der bei Carbon Tracker die Klimaforschung leitet. Europäische Marktführer wie Eni und BP reagieren zunehmend auf die Herausforderungen des Klimawandels, „aber bei Exxon und anderen besteht die einzige Konsequenz darin vor einer Dekarbonisierung zurückzuschrecken".
Es zeige sich, dass die meisten europäischen Unternehmen beginnen die Energiewende ganzheitlicher zu betrachten. Sie hätten in jüngster Zeit eine Reihe von Übergangsplänen angekündigt, Annahmen über den künftigen Ölpreis gekürzt und sich ehrgeizigere Klimaziele gesetzt. „US-Unternehmen hinken bei allen drei Maßnahmen hinterher“, heißt es in der Studie.
Auch bei europäischen Konzernen noch Luft nach oben
Allerdings sind auch die Europäer bisher nicht vollkommen auf der „grünen“ Seite angekommen. Rund die Hälfte ihres Förderportfolios ist der Studie zufolge nicht mit dem Ziel vereinbar, dass sich die weltweite Temperatur um maximal 1,6 Grad Celcius erhöht. Am besten sind hierbei ENI und BP aufgestellt, während bei Exxon Mobile 80 Prozent nicht mit diesem Ziel vereinbar seien.
Der Wert von 1,6 Grad bezieht sich auf das Pariser Klimaschutzabkommen, in dem eine Erderwärmung von „weit unter“ zwei Grad angestrebt wird. Allerdings hätten viele der großen Ölkonzerne Investitionen getätigt, die mit diesem Ziel nicht vereinbar seien.
Der Bericht ist den Angaben zufolge eine Reaktion auf die „wachsende Besorgnis der Anleger über die Übergangsrisiken, die der Klimawandel für ihre Portfolios und das Leben ihrer Kunden darstellt, da sich die Beweise für die physischen Gefahren einer Erwärmung über 1,5 Grad Celcius hinaus mehren“. Investoren versuchen, den Wandel durch Initiativen wie Climate Action 100+ voranzutreiben, die von Unternehmen mit einem verwalteten Vermögen von 47 Bio. Dollar unterstützt werden.
Die Studie untersucht die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen anhand von drei Indikatoren: Widerstandsfähigkeit des Projektportfolios, Klimaziele und Preiserwartungen.

Unternehmen, bei denen zumindest das Risiko der Wertvernichtung besteht, sind laut Carbon Tracker diejenigen mit dem höchsten Anteil an Projektoptionen, die bei sinkender Nachfrage wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleiben. Für ExxonMobil, ConocoPhillips und Equinor würden 70 bis 90 Prozent des Projektportfolios keinen Sinn mehr haben, wenn die globale Erwärmung auf 1,6 Grad Celcius begrenzt wird. BP, Total, Eni und Repsol haben einen viel geringeren Anteil von 40 bis 60 Prozent.
US-Ölkonzerne rechnen mit steigender Nachfrage
Im Hinblick auf die Klimaziele heißt es , die europäischen Konzerne „erkennen nun an, dass das Pariser Abkommen von ihnen verlangen wird, absolute Grenzen für den Kohlenstoffausstoß bei der Verwendung ihrer Produkte festzulegen“. US-Unternehmen hätten schwächere Ziele, die keine Produktionsbeschränkungen vorsehen, so dass es bei ihnen wahrscheinlicher sei, „kostenintensive Projekte zu entwickeln, bei denen ein größeres Risiko besteht, Werte zu zerstören.“
Die Erwartungen der Unternehmen in Bezug auf die künftige Nachfrage spiegele sich in den Preisannahmen in ihren Modellen zu möglichen Abschreibungen wider. Im Zeitraum bis 2025 stellten sich Shell, BP und ENI auf einen maximalen Preis von 60 Dollar je Barrel Rohöl ein. Liegt der Preis deutlich unter dieser Marke, so müssen die Unternehmen Abschreibungen vornehmen.
Je höher dieser Schwellenwert liegt, mit einer desto höheren Ölnachfrage rechnet also ein Unternehmen. Equinor (ehemals Statoil) aus Norwegen legt diese Marke bei 82 Dollar fest, stellt sich also auf mehr Ölnachfrage als etwa BP ein. „US-Unternehmen haben ihre Wertminderungspreise nicht offengelegt, aber ihre Projektportfolios implizieren, dass sie weiterhin eine höhere Nachfrage und höhere Preise erwarten als die meisten europäischen Rivalen“, heißt es in der Studie. Vor diesem Hintergrund seien viele Explorationsprojekte etwa in der Tiefsee fragwürdig.