Die führenden Öl- und Gaskonzerne der Welt müssen stark schrumpfen: um die Ziele des Pariser Weltklimaabkommens zu erreichen - und ihre eigenen Aktionäre vor finanziellen Verlusten zu beschützen. So lautet die Kernaussage der Studie „Balancing the budget: Why deflating the carbon requires oil & gas companies to shrink”. Das Londoner Analysehaus Carbon Tracker wird die Untersuchung an diesem Freitag vorstellen; Capital liegt sie vorab vor.
Wenn die Unternehmen tatsächlich ihr finanzielles Risiko beschränken und Teil der Lösung für das Klimaproblem sein wollen, dann müssen sie die Produktion schrumpfen
Mike Coffin
Demnach müssen Ölkonzerne wie Exxon Mobil, BP, Shell und Chevron ihre Produktion bis 2040 insgesamt um mehr als ein Drittel senken, damit sie noch zum erklärten Ziel der Staatengemeinschaft passt, die mittlere globale Erwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten. Andernfalls würden die Unternehmen ihr eigenes Überleben riskieren, behaupten die Studienautoren Mike Coffin und Andrew Grant. Carbon Tracker wurde 2009 von Finanzanalysten, Fondsmanagern und Energieexperten gegründet und ist spezialisiert auf Auswirkungen des Klimawandels auf die Finanzmärkte.
„Wenn Unternehmen und Staaten versuchen, alle ihre Öl- und Gasreserven zu erschließen, wird entweder die Welt die Klimaziele verpassen - oder diese Vermögenswerte werden durch die Energiewende wertlos werden“, sagt Coffin. Schließlich dürften so viel Öl und Gas in einer Niedrig-Emissionswelt überhaupt nicht mehr verbrannt werden: „Wenn die Unternehmen tatsächlich ihr finanzielles Risiko beschränken und Teil der Lösung für das Klimaproblem sein wollen, dann müssen sie die Produktion schrumpfen.“
Mehr Infografiken finden Sie bei Statista
Fast alle Energieriesen haben öffentlich gelobt, ihre Treibhausgasemissionen zu verringern und neue Technologien zu entwickeln. Viele dieser Konzerne stehen dabei seit einiger Zeit unter dem Druck wichtiger Anteilseigner . Erst im September forderten 515 Großinvestoren mit einem verwalteten Vermögen von mehr als 35.000 Mrd. Dollar - unter ihnen der Allianz-Konzern sowie die Vermögensverwaltungshäuser der Deutschen Bank und der Volksbanken - die Staatengemeinschaft auf, entschlossener gegen den Klimawandel vorzugehen und Preise für den Ausstoß von Treibhausgasen einzuführen.
Die Kapitalgeber handeln dabei weniger aus Altruismus, sondern vielmehr aus Sorge um die eigenen Geschäfte. Beispielsweise könnte es passieren, dass die bisherigen Geschäftsmodelle der Ölmultis bei sinkendem Verbrauch nicht mehr funktionieren und die Unternehmen auf kostspieligen Fördervorhaben sitzen bleiben.
Conoco Phillips ist am schlechtesten gerüstet
Laut Carbon Tracker wird es dann zu einem harten Verdrängungswettbewerb in der Branche kommen. “Wir haben uns die Finanzstrukturen hinter den Projekten angeschaut - und angenommen, dass die Vorhaben mit den niedrigsten Kosten durchkommen”, sagt Studienautor Grant. Die übrigen, teuren Projekte würden dann auf Eis gelegt.
Am schlechtesten für die Niedrig-Emissionswelt gerüstet sei der US-Konzern Conoco Phillips: Laut Carbon Tracker sind 85 Prozent seiner Förderung zu teuer, um künftig mithalten zu können. Branchenführer Exxon Mobil müsse die Produktion um mehr als die Hälfte reduzieren, Chevron um 35 Prozent und BP um ein Viertel. Am besten für die Niedrig-Emissionszukunft gerüstet sei Shell. Beim niederländisch-britischen Anbieter seien nur 10 Prozent des Förderportfolios in Gefahr.
Die Autoren stützen ihre Studie auf ein Szenario der Internationalen Energieagentur. Hier hat die Organisation der großen westlichen Ölverbraucherstaaten errechnet, wie viele Treibhausgase die Menschheit durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe noch ausstoßen darf, um die Erwärmung auf 1,6 Grad zu beschränken.
Die Carbon Tracker-Analysten schließen nicht aus, dass die Pariser Klimaziele verfehlt werden und die Welt mehr Öl und Gas als vorgesehen verbrauchen wird. Aber selbst dann sei es für die Ölkonzerne sinnvoll, sich auf die Projekte mit den niedrigsten Kosten zu beschränken, meint Grant. So könnten sie ihren Aktionären eine gute Rendite bei angemessenem Risiko garantieren.