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Hinter der grünen Fassade Enpal: Die rauen Methoden des Solar-Start-ups

Es könnte so schön sein: ein Enpal-Werbemotiv aus dem Internet, das Capital – wie auch die anderen Motive auf den folgenden Seiten – in die reale Welt montiert hat
Es könnte so schön sein: ein Enpal-Werbemotiv aus dem Internet, das Capital – wie auch die anderen Motive auf den folgenden Seiten – in die reale Welt montiert hat
© PR/ Bildmontage Jochen Starz
Enpal gilt als Vorzeige-Start-up der Energiewende. Doch ein Blick hinter die Kulissen weckt Zweifel: Kämpft der Solaranlagenbauer mit unseriösen Methoden?

An einem heißen Tag im August sitzt Heinz R. auf der Terrasse hinter seinem Haus zwischen wilden Blumen und Tomatenpflanzen. Er wischt auf seinem Handy durch eine Bildergalerie, die ihm heute noch Albträume bereitet. Vor gut zehn Monaten hat der Familienvater eine Solaranlage angeschafft. „Wir wollten damit auf alternative Energien umsteigen – in einem Rahmen, den man sich leisten kann“, erzählt der Mittfünfziger, der mit seiner Frau, Kindern, Enkel und Hund in einem Einfamilienhaus in einer Kleinstadt in Hessen wohnt.

Am Anfang klang alles gut: Planung vom Profi, schnelle Montage, kostenlose Wartung und Reparatur für 20 Jahre. „Sie müssen sich um nichts kümmern und bleiben komplett sorgenfrei“, heißt es noch heute auf der Webseite des Anbieters. Zunächst habe er sich gut aufgehoben gefühlt, sagt R. Zumindest, bis die Monteure vor der Tür standen. „Da fing das Chaos an. Egal wer da war: Es waren gefühlt keine Fachkräfte.“

R. zeigt das erste Foto: Ein Mann klettert ungesichert auf dem Ziegeldach. Dann wischt R. durch die Fotos, die er am Ende aufgenommen hat: Bohrlöcher im Parkett, schief montierte Kabelkanäle, ausgerissene Löcher in der Wand, überall Dreck. An einer Stelle im Flur ein untertellergroßer Durchbruch, der nach einem Unfall aussieht. „Da ist jemand mit der Hilti ausgerutscht“, erklärt R. Wegen der falschen Bohrungen sei die Familie in zwei Zimmern zwischenzeitlich ohne Strom gewesen.

Ein Trost ist das gewiss nicht, aber mit seinen Erfahrungen ist Heinz R. offenbar nicht allein: Im Internet beklagen sich Hunderte Nutzer über die Firma, der er sein Dach anvertraute – und die als Vorzeigeunternehmen der Energiewende gilt: Enpal.

Das Start-up aus Berlin, 2017 gegründet, gehört zu den Shootingstars der Energiebranche. Mit Solaranlagen zum Mieten, Strom vom eigenen Dach für wenige Hundert Euro im Monat, inklusive Wartung und Reparatur. Ein Angebot, das laut Enpal-Gründer Mario Kohle eigentlich „viel zu cool ist, um wahr zu sein“.

Held der Energiewende

Das Versprechen verfängt: Kaum ein anderes Energieunternehmen ist im vergangenen Jahr, als das Gas knapp wurde und die Strompreise explodierten, schneller gewachsen: 2022 vervierfachte Enpal seinen Umsatz fast, steigerte die Zahl seiner Photovoltaikanlagen um rund 18.000 auf fast 50.000 – und meldete nur fünf Jahre nach Gründung den ersten Gewinn. Der Lohn: Der Firmenwert wird heute auf mehr als 2 Mrd. Euro taxiert – zur Freude der Investoren, zu denen Schwergewichte wie Softbank, Princeville Capital, HV Capital, aber auch ein Cousin von Tesla-Chef Elon Musk und ein Samwer-Bruder zählen. Sie alle wollen dabei sein beim nächsten großen Ding der deutschen Start-up-Szene.

Kohle und sein Unternehmen verkaufen dabei mehr als eine Wachstumsstory – sie liefern ein Versprechen auf eine bessere Zukunft: Man bekämpfe die Klimakrise, damit „unsere Kinder auf dem gleichen schönen Planeten aufwachsen können wie wir“, beteuert die Firma. Das Problemlöser-Image kommt an – auch in der Berliner Politik, wo Enpal bestens verdrahtet ist.

Doch wer hinter die glänzende Fassade schaut, wer mit Kunden, Mitarbeitern und Brancheninsidern spricht und interne Dokumente sichtet, dem drängt sich ein anderer Eindruck auf: der eines aggressiv wachsenden Unternehmens, das hinter der Kulisse in erster Linie auf eine rasante Expansion fixiert zu sein scheint – teils auch auf Kosten von Kunden, Beschäftigten und anderen Unternehmen im Strommarkt.

Der Zeitpunkt, an dem Enpal durchstartete, lässt sich genau benennen: Frühjahr 2022, kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Das ganze Land sucht nach Antworten auf den Energieschock, Solarmodule und Batteriespeicher sind plötzlich nicht mehr nur Stromquellen – sie sind die Garantie, zumindest das eigene Haus Putin-frei zu bekommen. Zwischen März 2022 und März 2023 steigt die Zahl der Solaranlagen auf deutschen Dächern und Flächen um 16 Prozent auf 2,6 Millionen. 2022 gehen mehr als sieben Gigawatt neue Solarleistung ans Netz – so viel wie im letzten Solarboom vor zehn Jahren.

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