Es läuft nicht rund für Chinas Wirtschaft. Nach dem Ende der harten Corona-Lockdowns - das war die Hoffnung der Führung in Peking – sollte sie mit einer kräftigen Erholung durchstarten. Doch es kam anders. Eine der Reaktionen Pekings auf besonders unerfreuliche Daten: Sie werden nicht mehr veröffentlicht.
Jüngstes Beispiel ist die in China außerordentlich hohe Jugendarbeitslosigkeit, die trotz der Öffnung der Wirtschaft auf einen Rekordstand geschossen war. Im Juni waren nach offiziellen Angaben 21,3 Prozent der 16 bis 24-Jährigen in den Städten ohne Job. Die Zahlen für Juli wurden dann nicht mehr veröffentlicht. Die Statistik-Behörde begründete das damit, die Methodik zu überarbeiten.
Tatsächlich ist es schwierig, die Arbeitslosigkeit Jugendlicher zu messen. Um als arbeitslos in die Statistik einzugehen, müssen sie aktiv auf Jobsuche sein. Wer also keinen Job hat, weil er sich etwa aufs Studium konzentriert, ist nach dieser Lesart kein Arbeitsloser. Zur Einordnung: Nach Angaben des „Economist“ waren im ersten Quartal dieses Jahres in China zwei Drittel der 96 Millionen Jugendlichen, die in Städten leben, weder erwerbstätig noch auf der Suche nach einer Arbeit. Von dem verbleibenden Drittel waren rund sechs Millionen auf der Suche nach einem Job. Nur diese Gruppe junger Menschen gilt als arbeitslos.
In den meisten großen Volkswirtschaften wie den USA und der Eurozone ist man dann offiziell ohne Arbeit, wenn man in den vergangenen vier Wochen Schritte zur Arbeitssuche unternommen hat. In China ist das der Fall, wenn man das in den letzten drei Monaten gemacht hat. Würde China den Vier-Wochen-Standard übernehmen, könnte die Jugendarbeitslosenquote um sieben Prozentpunkte sinken, zitiert das Wirtschaftsmagazin Berechnungen der Renmin-Universität in Peking.
Nun könnte die Regierung in Peking ja diese Schwierigkeiten offen kommunizieren. Doch sie wählt einen anderen Weg. Was allerdings nichts daran ändert: Die Jugendarbeitslosigkeit verschwindet nicht, nur weil es keine offizielle Statistik mehr gibt.
Hohe Ungleichheit
Die Ursachen für die Probleme von Chinas Wirtschaft sind vielfältig. Ein Kernproblem ist, dass der Konsum schwächelt – Chinesen halten sich angesichts der ungewissen wirtschaftlichen Aussichten beim Kaufen und beim Investieren zurück. Das ist für die Kommunistische Partei vor allem deshalb alarmierend, weil sie das Wirtschaftsmodell verändern möchte: weg von der Exportabhängigkeit hin zum Binnenkonsum.
Konsequenterweise wurde auch die Veröffentlichung des Verbrauchervertrauens im April nach mehr als 30 Jahren eingestellt. Es gehört zu den geeignetsten Werkzeugen, um die Ausgabebereitschaft der Haushalte zu messen. Im Frühjahr vergangenen Jahres, als mit Schanghai die bevölkerungsreichste Stadt des Landes flächendeckend wochenlang abgeriegelt wurde, was das Vertrauen eingebrochen. Es erholte sich nur wenig, nachdem die Zentralregierung Anfang Dezember die landesweiten Abriegelungen aufgehoben hatte.
Die Veröffentlichung des Gini-Koeffizienten, eines Maßes für die Einkommensungleichheit, wurde nur sporadisch vorgenommen. Für das Jahr 2022 gibt es noch immer keine Zahl. Der Koeffizient in China ist seit den 2000er-Jahren zwar deutlich gesunken, liegt aber weiterhin auf einem Niveau, das im internationalen Vergleich ein hohes Maß an Ungleichheit bedeutet. Für Präsident Xi Jinping ist das unangenehm. Denn er hat schließlich eine Strategie des „gemeinsamen Wohlstands“ verkündet, um die Ungleichheit zu bekämpfen. Dazu würde es nicht passen, wenn sie nicht weniger wird.
Dass die unliebsamen Daten unter Verschluss gehalten werden, hat aber durchaus etwas Gutes: Immerhin werden sie nicht gefälscht.
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen