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Bernd Ziesemer Warum China-Investitionen immer riskanter werden

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Präsident Xi Jinping würgt Informationen über die chinesische Volkswirtschaft ab. Ein Warnsignal für ausländische Investoren

Eine Nachricht sorgte in der letzten Woche für große Unruhe unter ausländischen Geschäftsleuten in Peking und Schanghai: Die internationale Anwaltskanzlei Dentons zieht sich aus China zurück. Sie reagiert damit auf die verschärften Regeln und Kontrollen, mit denen Xi Jinping den freien Fluss von wirtschaftlichen Informationen aus der Volksrepublik China zunehmend unmöglich macht. Mit 21.000 Mitarbeitern an 200 Standorten in 80 Ländern gehört die Großkanzlei zu den weltweit führenden Unternehmen der Branche. Als eine ihrer Kernkompetenzen definiert sie die „Abwehr von Risiken“ für internationale Investoren. Doch das wird in China immer schwieriger.

Unter zunehmenden Druck geraten in der Volksrepublik nicht nur Anwälte, sondern auch ausländische Investmentbanker, Unternehmensberater, Fondsverwalter und Aktienanalysten. Von chinesischen Experten erwartet Xi Jinping schon seit langem den „patriotischen“ Umgang mit sensiblen Daten. Nun möchte das Regime auch für ausländische Fachkräfte im Land Regeln für die Wirtschaftskommunikation vorgeben. Nicht die Wahrheit zählt, sondern die geschmeidige Beschönigung der schwierigen Wirtschaftslage. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete in der vergangenen Woche, die Behörden hätten ausländische Experten ermahnt, bei der Vorbereitung von Börsengängen negative Begriffe über das wirtschaftliche Umfeld zu vermeiden.

In China gab es schon immer Tabus im Umgang mit Unternehmen – vor allem, wenn es um die Beleuchtung der genauen Eigentumsverhältnisse geht. Oftmals halten Strohmänner für die Familien hoher Parteifunktionäre Anteile an Konzernen. Niemand, der weiter Geschäfte in China machen will, wagt es, darüber zu reden. Doch über lange Zeit galt die Devise: Alles, was nicht politisch heikel ist, dürfen Experten nach eigenem Gusto beliebig analysieren und kommentieren. Anders wäre vor allem die schnelle Entwicklung der chinesischen Finanzmärkte nicht möglich gewesen.

Xi Jinping begibt sich in einen Teufelskreis

Nur wenn wirtschaftliche Informationen frei fließen und möglichst große Transparenz besteht, kann sich eine Marktwirtschaft optimal entwickeln. Verfälschte Daten und unterdrückte Informationen führen zu unternehmerischen Fehlentscheidungen. Insider profitieren von „asymmetrischen“ Informationen, Outsider können sich dagegen kein realistisches Bild machen. Deshalb erhöht das Vorgehen der chinesischen Behörden kurzfristig vor allem das Risiko für ausländische Investoren. Sie operieren aber ohnehin schon in einem sehr angespannten Umfeld – allein schon aus geopolitischen Gründen. Der „Chipkrieg“ mit den USA eskaliert, wie die Entscheidung Joe Bidens zeigt, amerikanische Investitionen in China künftig zu verbieten, wenn sie gegen die Sicherheitsinteressen des Landes verstoßen.

Langfristig gräbt sich die chinesische Führung mit ihrem Kurs aber vor allem selbst das Wasser ab. Weil Xi Jinping die Sicherheit seiner persönlichen Diktatur in allem an die erste Stelle setzt, leidet die chinesische Wirtschaft. China muss für die große Zahl von arbeitslosen Jugendlichen unbedingt Arbeitsplätze schaffen. Deshalb müssen die Investitionen fließen. Aber sie gehen zurück. Und wenn die Ausländer nicht mehr in China investieren wie früher, zögern auch Chinesen mit Investitionen. Xi Jinping begibt sich in einen Teufelskreis. Was das Regime politisch stabilisieren soll, macht es in Wahrheit immer anfälliger.

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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