Die Wahl des Bundespräsidenten wird 2022 zur Großveranstaltung. Zu den 736 Bundestagsabgeordneten – so viele wie nie zuvor – gesellen sich in der Bundesversammlung am 13. Februar 2022 ebenso viele von den Landtagen ernannte Vertreter. Die Corona-Abstandsregeln tun dann ein übriges, dass das Staatsoberhaupt nicht wie sonst üblich im Plenarsaal des Reichstagsgebäudes gewählt werden kann. Stattdessen geben die 1472 Delegierten ihre Stimme nebenan in der Halle des Paul-Löbe-Hauses ab. In dem Gebäude tagen sonst die Ausschüsse des Parlaments.
Wer wählt den Bundespräsidenten?
Einzige Aufgabe der Bundesversammlung ist es, den Bundespräsidenten zu bestimmen. Dass Amtsinhaber Frank-Walter Steinmeier zum zweiten und damit letzten Mal für fünf Jahre gewählt wird, galt als gesichert. Der einstige Außenminister von der SPD ist der Kandidat der Ampelkoalition und wird auch von der Union unterstützt. Überschattet wurde diese Einigkeit in Pandemiezeiten durch die Kampfkandidatur des CDU-Politikers Max Otte. Der Chef der umstrittenen Werteunion ließ sich von der AfD aufstellen. Seine Partei leitete daraufhin ein Ausschlussverfahren ein. Die Linke schlug den parteilosen Arzt und Verleger Gerhard Trabert vor. Er ist seit 2009 Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie im Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain in Wiesbaden.
Die Zusammensetzung der Bundesversammlung wird von den Bundesländern bestimmt. Wie viele Vertreter sie entsenden können, bemisst sich nach der Bevölkerungszahl. Die Spanne reicht von sechs Delegierten aus Bremen bis 156 Vertretern aus Nordrhein-Westfalen. Die Landesparlamente schicken meist eigene Abgeordnete, amtierende Ministerpräsidenten oder Bundesminister, um den Bundespräsidenten zu wählen. Zu Stellvertretern des Volkes werden aber auch verdienstvolle Bürger oder bekannte Persönlichkeiten ernannt.
Dies sind einige der prominenten Mitglieder der 17. Bundesversammlung.
Diese Prominenten wählen den Bundespräsidenten

Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich seit der Amtsübergabe an Olaf Scholz (SPD) weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Am 13. Februar 2022 aber werden alle Augen auf sie gerichtet sein. Die einstige Abgeordnete aus dem Wahlkreis Vorpommern-Rügen wird vom Landtag Mecklenburg-Vorpommerns in die Bundesversammlung entsandt. Unter den Delegierten ist auch Altbundestagspräsident Norbert Lammert (2005-2017).

Das Paul-Löbe-Haus wird am 13. Februar 2022 zur Alt-Ministerpräsidentenkonferenz. Die Parlamente der Bundesländer haben viele ihrer ehemaligen Regierungschefs für die prestigeträchtige Bundesversammlung nominiert. Die CSU schickt Theo Waigel, Edmund Stoiber und Horst Seehofer. Für Sachsen kommen unter anderen Georg Milbradt und Stanislaw Tillich, aus Thüringen Bernhard Vogel, Dieter Althaus und Christine Lieberknecht (alle CDU). Mit dabei sind zudem der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen (CDU), Ex-SPD-Chef Matthias Platzeck aus Brandenburg und Roland Koch aus Hessen (CDU).

Der Bundespräsident soll auch von Volksvertretern jenseits des Politbetriebs gewählt werden. Dazu gehören 2022 Wissenschaftler, die den Kampf gegen die Pandemie geprägt haben. Biontech-Mitgründerin Özlem Türeci wurde von der SPD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag nominiert. Sie und ihr Mann Ugur Sahin waren im März 2021 von Steinmeier mit dem Großen Verdienstkreuz ausgezeichnet worden. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité, wurde von den Berliner Grünen vorgeschlagen. Die Fraktion würdigte den Mediziner als „eine der wichtigsten Stimmen der Wissenschaft weltweit im Kampf gegen das Coronavirus”. Mit seiner Nominierung solle auch ein Zeichen „gegen die verleumderischen Angriffe auf Wissenschaftler*innen” gesetzt werden.

Fußballer dürfen in der Bundesversammlung traditionell nicht fehlen. Die SPD-Fraktion im Münchner Landtag nominierte Nationalspieler Leon Goretzka vom FC Bayern. Fußballnationaltrainer Hansi Flick, ein gebürtiger Heidelberger, tritt dank der CDU-Fraktion aus Baden-Württemberg an. Die Stuttgarter Grünen hatten 2017 Flicks Vorgänger Jogi Löw nach Berlin geschickt. Mit dabei sind zudem SC-Freiburg-Trainer Christian Streich und die Radsportlerin Jana Majunke, die zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin der Paralympics in Tokio.

Bei der Wahl des Staatsoberhaupts der Bundesrepublik stimmt auch ein Astronaut ab. Raumfahrer Alexander Gerst wurde von der Grünen-Fraktion im Stuttgarter Landtag nominiert. Delegierter der Bundesversammlung ist außerdem Benjamin List, Chemie-Nobelpreisträger 2021. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung wurde zusammen mit David MacMillan von der Universität Princeton für seine Arbeit zur asymmetrischen Katalyse ausgezeichnet. Sie hatten entdeckt, dass auch kleine organische Moleküle chemische Reaktionen vermitteln. Dies hat unter anderem für die Entwicklung von Medikamenten eine große Bedeutung.

Kulturschaffende sind feste Größen in der Bundesversammlung. Einige der Delegierten 2022 sind zum wiederholten Male dabei. Nominiert wurden unter anderen Komiker Dieter Nuhr, Schlagersänger Roland Kaiser, Schauspielerin Sibel Kekilli, Musiker Thees Uhlmann, Rapperin Lady Bitch Ray (bürgerlich: Reyhan Şahin) und TV-Moderator Klaas Heufer-Umlauf.

Die Wirtschaft ist ebenfalls bei der Wahl des Bundespräsidenten vertreten. Zur Bundesversammlung 2022 gehört zum Beispiel der neue Bosch-Chef Stefan Hartung. Er übernahm den Vorsitz der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH am 1. Januar 2022. Der gebürtige Dortmunder trat 2004 in die Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, München, ein. Zuvor war er laut der Firmenbiografie bei der Fraunhofer-Gesellschaft und der Unternehmensberatung McKinsey & Company in Düsseldorf tätig. Ein weiterer Spitzenvertreter der deutschen Wirtschaft ist der BASF-Vorstandsvorsitzende Martin Brudermüller. Er wurde auf Vorschlag der CDU-Fraktion des rheinland-pfälzischen Landesparlaments nominiert.

Auch Bürger, die unter außergewöhnlichen Umständen für Schlagzeilen gesorgt haben, bestimmen das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik mit. Der Landtag von Rheinland-Pfalz schickt den katholischen Pfarrer Jörg Meyrer aus dem Ahrtal und Oberst Stefan Weber, Kommandeur des Landeskommandos Rheinland-Pfalz. Auch Intensivpfleger wurden von den Ländern ausgewählt. Zu ihnen gehört Ricardo Lange aus Berlin, der öffentlich immer wieder die Personalnot in den Krankenhäusern angeprangert hat. Das Saarland tut sich bei der „Pflegequote“ in der Bundesversammlung besonders hervor. Unter den fünf Delegierten, die nicht dem Landesparlament angehören, sind zwei Intensivpflegerinnen. Aus Bayern und NRW kommt hingegen laut der Liste des Bundestages keine einzige Pflegekraft.