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Kolumne Die USA bleiben Weltmacht Nummer eins

Bisher haben die USA noch alle Herausforderer überlebt. Auch China wird Amerika nicht vom Thron stoßen
US-Ökonom Simon Johnson
US-Ökonom Simon Johnson
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Simon Johnson ist Professor an der Sloan School of Management des MIT und Mitverfasser von White House Burning: The Founding Fathers, Our National Debt, and Why It Matters to You.

Die Berichte über den Tod der amerikanischen Weltmachtstellung sind stark übertrieben. Bereits in den 1950ern glaubte man, die Sowjetunion habe die USA überholt, doch heute existiert die Sowjetunion nicht mehr. In den 1980ern wurde allgemein angenommen, Japan werde an den USA vorbeiziehen, aber heute, nach über zwei Jahrzehnten japanischer Stagnation, nimmt niemand mehr dieses Szenario ernst. Und in den 1990ern sollte die Währungsunion Europa einen größeren weltweiten Einfluss bringen, heute hingegen macht die europäische Wirtschaft zwar oft Schlagzeilen, aber keine guten.

Nun ist China an der Reihe. Bis vor kurzem schien China in den Augen vieler Menschen, die weltweite Führung übernommen zu haben oder zumindest auf dem Weg dorthin zu sein. Momentan allerdings werden die Aktienmärkte rund um den Globus (auch in den USA) von Zweifeln an den langfristigen wirtschaftlichen Aussichten Chinas durcheinandergewirbelt.

China ist wichtig, und die Wirtschaftspolitik des Landes einschließlich der Anpassung des Wechselkurses, muss ernst genommen werden. Aber das Land regiert nicht die Welt und wird dies aller Voraussicht nach auch so bald nicht tun. Ob man es glaubt oder nicht: Die Möglichkeit der globalen Führung liegt immer noch bei den USA.

Chinas rasanter Aufstieg

Die besten Argumente dafür, China als Weltmacht ernst zu nehmen, werden in Arvind Subramanians Bestseller Eclipse: Living in the Shadow of China’s Economic Dominance aus dem Jahre 2011 angeführt. (Der Verfasser, der heute führender Wirtschaftsberater beim indischen Finanzministerium ist, war mein Kollege und gelegentlicher Mitautor beim Internationalen Währungsfonds und beim Peterson Institute for International Economics.)

Man kann nur hoffen, dass die indische Regierung Subramanians Analyse über Chinas Wachstum durch Exporte von Industrieerzeugnissen und die damit verbundenen Produktivitätsverbesserungen Beachtung schenkt. China hat sich in die globalen Wertschöpfungsketten integriert – durch die Herstellung von Gütern für Firmen von überall auf der Welt. Das geschah in einem noch nie gekannten Ausmaß. Und die chinesischen Manager haben dabei gelernt, bessere Produkte herzustellen.

Aber andere Teile der chinesischen Entwicklung haben dem Land langfristig nicht so gut getan. Während der frühen 2000er-Jahre verfügte China über einen enormen Leistungsbilanzüberschuss und häufte riesige Mengen ausländischer Währungsreserven an – darunter auch einige Billionen Dollar in US-Staatsanleihen. Obwohl dies auf dem Papier beeindruckend aussieht, sind Reserven dieser Größe letztlich nutzlos. Würde China seine US-Papiere verkaufen, schwächt das den Dollar und erleichtert US-Unternehmen den Export und den Wettbewerb gegen Importe.

Die amerikanische Angst davor, überholt zu werden, ist nicht neu. Sie flammte beispielsweise auf, als in den späten 1980ern ein japanisches Unternehmen das New Yorker Rockefeller Centerkaufte. Rückblickend war es einer der größten Reinfälle des zwanzigsten Jahrhunderts. Auf ähnliche Weise werden die Amerikaner wohl einst auf die chinesische Anhäufung von US-Staatsanleihen zurückblicken und einfach mit den Schultern zucken.

Das größere Problem ist die chinesische Wechselkurspolitik. Lange Zeit hat China den Renminbi vor einer Überbewertung geschützt – und wie Subramanians Forschungen bestätigen, war dies eine gute Politik. Aber in den frühen 2000ern gingen die Chinesen zu weit. Aus Gründen, die immer noch umstritten sind, geriet der Renminbi in eine massive Unterbewertung. Die Exporte waren viel höher als die Importe, und der Leistungsbilanzüberschuss erreichte mehr als zehn Prozent des BIP. Anstatt den Renminbi aufwerten zu lassen und ihre Abhängigkeit von den Exportmärkten nach und nach zu verringern, zogen es die chinesischen Behörden vor, ausländische Währungsreserven (in Form von US-Staatsanleihen) anzuhäufen.

Und heute muss China einen Weg finden, trotz nachlassender weltweiter Nachfrage sein Wachstum aufrechtzuerhalten. Eine Rückkehr zu einem deutlich unterbewerteten Wechselkurs würde mit ziemlicher Sicherheit eine internationale Reaktion nach sich ziehen – auch eine des US-Kongresses. Der sofortige Übergang zu einem inlandsbasierten Wachstum ist nicht einfach. China wird nicht (wie die Sowjetunion) zusammenbrechen, und auch eine Stagnation nach japanischem Vorbild ist unwahrscheinlich. Aber das Land altert schnell – und könnte vergreisen, bevor es reich wird.

Amerika muss aufwachen

Jedes Jahrzehnt prophezeien wichtige Persönlichkeiten das Ende der amerikanischen Macht. Und tatsächlich gibt es Gründe zur Besorgnis – insbesondere dann, wenn manche US-Politiker sich weigern, den Charakter der weltweiten Rolle Amerikas zu erkennen. So ist das von den USA aufgebaute weltweite Geld- und Handelssystem bereits 70 Jahre alt, aber die Republikaner im Kongress sperren sich gegen Änderungen beim IWF – darunter vernünftige Reformen, für die sich fast alle anderen Länder einsetzen.

Immer noch sind es die USA, die sich an erster Stelle für freieren Handel im Pazifikraum und eine substanzielle Verringerung der Barrieren im Handel mit Europa einsetzen. Wenn sich die USA an die Regeln halten und sich nicht nur für die Unabhängigkeit der Konzerne, sondern auch für ihre eigenen Bürger einsetzen, können ihre Handelsinitiativen einen großen Beitrag zum weltweiten Wachstum und zum eigenen Reichtum leisten.

Auch bei der Währungspolitik ist die größte Frage der Welt im nächsten Jahr, wann und wie stark die Federal Reserve wohl die Zinsen erhöhen wird. Wenn sich die US-Geldpolitiker zu ihrem jährlichen Konklave in Jackson Hole treffen, werden sie unzählige relevante Dimensionen der Wirtschaft in Betracht ziehen. Aber der maßgebende Offenmarktausschuss wird die Zinssätze fast ausschließlich auf der Grundlage seiner kollektiven Interpretation der wirtschaftlichen Umstände der USA verändern. Und wieder einmal wird die Welt auf das reagieren, was Amerika vorgibt.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Copyright: Project Syndicate, 2015

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