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Stahlsparte Die letzte Hoffnung von Thyssenkrupp

Bernd Ziesemer
Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Thyssenkrupp verschiebt die Entscheidung über seine Stahlsparte. Ohne Geld aus der Staatskasse geht gar nichts bei dem Essener Konzern

Ein Konzern verkündet gute Zahlen – und die Aktie fällt trotzdem. Das kann sehr viele Ursachen haben. Für den Kursrückgang der Thyssenkrupp-Aktie am vergangenen Donnerstag aber liegt die Erklärung auf der Hand. Der positive Effekt der guten Zahlen verpuffte durch einen einzigen Satz des Finanzvorstands Klaus Keysberg: Das Unternehmen verschiebt die Entscheidung über seine angeschlagene Stahlsparte, die eigentlich im Frühjahr kommen sollte, auf einen unbestimmten Zeitpunkt. Man brauche vor einem endgültigen Konzept Klarheit über „Rahmenbedingungen“ und „Förderprogramme“. Die Stahlarbeiter in Duisburg würden es im kräftigen Ruhrpott-Deutsch wahrscheinlich etwas deutlicher sagen: Es geht um „Staatsknete“. Ohne viel Geld aus Berlin für den Umbau der Stahlsparte läuft gar nichts.

So weit war der Betriebsrat des Konzerns schon vor zwei Jahren. Der Vorstand von Thyssenkrupp aber nährte zwischendurch immer mal wieder die Hoffnung, es ginge auch anders. Ursprünglich wollte man Geld aus der Staatskasse, um die Werke überhaupt zu retten. Das wäre jedoch am Widerstand aus Brüssel gescheitert. Nun liefern die Energiewende und die Hoffnung auf die Erzeugung von „grünem Stahl“ mit Wasserstoff eine neue Begründung für den Subventionsantrag. Doch viele Details sind noch offen, weshalb man sich lieber mehr Zeit mit der Abspaltung des Stahls nehmen will.

Das Kapitalpolster von Thyssenkrupp schmilzt

Letztlich geht es um die Kapitalausstattung der (wie auch immer) verselbstständigten Stahlsparte. Der Konzern möchte so wenig Mitgift für die Tochter bereitstellen wie möglich. Der Liquiditätsspielraum in Essen wird von Quartal zu Quartal kleiner, weil der Konzern im operativen Geschäft nach wie vor Geld verbrennt. Man nennt es im Jargon der Manager „negativen Free Cash Flow“. Im abgelaufenen Geschäftsquartal lag das Minus bei 858 Mio. Euro. Das schöne Polster des Konzerns, das durch den Verkauf der Aufzugssparte dick und fett geworden war, schmilzt deshalb im Monatstakt weiter ab. Inzwischen liegt das sogenannte Netto-Finanzguthaben nur noch bei 2,7 Mrd. Euro, drei Monate vorher waren es noch 3,6 Mrd. Euro. Da bleibt nicht viel Kapital für den Stahl.

Aus eigener Kraft kann es die Sparte kaum schaffen. Sie profitierte zuletzt erheblich von den hohen Preisen, die gegenwärtig überall auf der Welt gezahlt werden. Für das abgelaufene Geschäftsquartal weist der Konzern deshalb 39 Prozent mehr Umsatz aus, obwohl die verkaufte Menge sogar zurückging. Der schöne Sprung beim Betriebsergebnis, das sich von 20 Mio. Euro im Vorjahresquartal auf 124 Mio. Euro versechsfachte, kann sich in den nächsten Quartalen schnell wieder verflüchtigen, wenn die Preise wieder sinken sollten. Doch selbst wenn das Niveau so bleibt wie zuletzt, verdient die Stahlsparte ihre hohen Kapitalkosten auch dann nicht.

Weil momentan niemand mehr über einen Käufer für die Stahlsparte spekuliert wie noch vor einem Jahr und auch eine Fusion mit einem anderen Konzern nicht in Sicht ist, bleibt als letzte Hoffnung immer nur der Staat. Wie immer man das auch durch Begriffe wie „Rahmenbedingungen“ und „Förderprogramme“ verklausuliert.

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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