Zimperlich waren die USA mit Zöllen noch nie. Schon 2016 schlugen sie auf die Einfuhr von chinesischem Flachstahl 500 Prozent auf. Da Präsident Donald Trump sie nun als bevorzugte Waffe in Handelsfehden mit China und Europa einsetzt, erleben sie eine Renaissance. Dabei erheben auch andere Länder teils sehr extreme und skurrile Zölle.
Ihr Ursprung liegt meist lange Zeit zurück, abgeschafft wurden sie jedoch nie. Sie behindern den internationalen Warenhandel und sorgen für Wohlstandseinbußen. Bereits der deutsche Ökonom Friedrich List (1789-1846) wies aber nach, dass Freihandel nur für diejenigen gut ist, die auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig sind. Für Deutschland forderte er Schutzzölle, bis man mit den Briten auf Augenhöhe sei. List selbst war übrigens durchaus Anhänger des freien Warenverkehrs.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlossen die Nationalstaaten in einer Phase der intensiven Globalisierung hunderte bilaterale Handelsverträge mit festgelegten Zollsätzen ab. Reichskanzler Bismarck führte hohe Schutzzölle für die deutsche Stahlindustrie und Landwirtschaftsbetriebe ein. Im Zeitalter des Multilateralismus wurde das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) geschaffen. Mit diesem Instrument ist es unter der Obhut der Welthandelsorganisation WTO seit 1947 in jahrelangem Tauziehen gelungen, die Zölle deutlich zu verringern.
Besonders der Einnahmezweck trat immer weiter in den Hintergrund. Eine Ausnahme ist die EU: Zollabschöpfungen sind eine wichtige direkte Quelle für den Haushalt. Zumeist dient die Abgabe dem Schutz ausgewählter Wirtschaftszweige. Neue Industrien werden durch „Erziehungszölle“ abgeschirmt. Gegen Dumping-Preise werden Straf- oder Retorsionszölle zur Abwehr künstlich verbilligter Konkurrenzprodukte erhoben.
Capital hat eine Reihe von Ausreißern zusammengestellt – extrem in der Höhe oder merkwürdig im Konstrukt:
Das sind die extremsten Zölle
Die Ägypter brauen seit 3000 Jahren Bier und tun es auch heute – nur das Trinken ist nicht so einfach. Mit der arabischen Eroberung und der Ankunft des Islam kam das religiöse Alkoholverbot. Der Verkauf und Konsum auf öffentlichen Plätzen oder in Geschäften ist verboten, ausgenommen Hotels und genehmigte touristische Einrichtungen. Doch unter dem Dach des heimischen Getränkemonopolisten Al-Ahram bieten Spirituoseketten Bier und anderes Hochprozentiges an. Wenn Importware legal ins Land gelangt, hat das seinen Preis. Ägypten kassiert einen Wertzoll von 3000 Prozent auf Gin, Rum, Whiskey oder Wodka sowie von 1800 Prozent auf Weine und 1200 Prozent auf Bier aus Malz. Andere arabische Länder sind moderater. Oman, erhebt auf Wodka, Wein, Sekt und Champagner um die 100 Prozent. Auch der indische Staat hat ein gespaltenes Verhältnis zu Alkohol: Die Verfassung rät davon ab, über hohe Steuern und Einfuhrzölle von 150 Prozent auf Wodka, Rum, Liköre und Wein verdient Vater Staat am wachsendem Konsum aber mit.
Agrarprodukte genießen seit Gründung der EU speziellen Schutz – ob vor Hühnern made in USA, Tomaten aus Marokko oder Buttermilch aus anderen Teilen der Welt. Warum ausgerechnet der gemeine Champignon und Egerling einen Spitzenwert unter EU-Zöllen einnimmt, wissen nur Eingeweihte. „Pilze der Gattung ‚Agaricus’, vorläufig präserviert, gefroren oder in Wasser oder Dampf gekocht – fordern einen Wertzoll von 18,4 Prozent des Warenwerts, zuzüglich eines spezifischen Zolls von 239 Euro pro 100 Kilogramm Nettogewicht (noch abhängig von der Jahreszeit). Das addiert sich bisweilen auf mehr als 85.000 Prozent. Ausgenommen sind rund 80 Länder und Regionen, denen die EU über Präferenzregeln Zollfreiheit ohne Mengengrenze einräumt. Eine ähnliche Einfuhrhürde gilt für Vogeleier. Da können sich Wert- und Mengenzölle auf fast 38 000 Prozent summieren – abhängig von günstigeren Kontingenten. Laut ifo Center, das für Capital Ausreißer aus seiner Zolldatenbank von WTO-Ländern außerhalb von Freihandelsabkommen fischte, hängt bei der Umrechnung spezifischer Zölle in Wertäquivalente die Höhe der Belastung von der importierten Menge ab und kann je nach Preis stark schwanken.
Zu Islands Top-Exportprodukten gehören Dinge wie Aluminium, Boote und Fisch. In die EU sind es Seegras, Pferde, Schaffleisch und Häute. Aus sicher triftigen Gründen war Island auch die Ausfuhr von Süßwaren wie Drops aus weißer Schokolade, oft mit Salzlakritz gefüllt, ein besonderes Anliegen. Jedenfalls gewährt die EU dem Inselstaat für Zuckerkonfekt, Bonbons mit oder ohne Kakao, Kekse oder Waffeln ein zollgünstiges Kontingent: So wurde vor etlichen Jahren für bis zu 500 Tonnen die Hälfte des für andere Länder geltenden Zollsatzes vereinbart, nämlich zwischen 4,5 Prozent + 22,55 Euro pro 100 kg und 9,4 Prozent + 8.25 EUR/100 kg bis zu einer Obergrenze von MAX 35,15 EUR/100 kg. Im Zuge einer Liberalisierung des gegenseitigen Marktzugangs für landwirtschaftliche Produkte räumt die EU nun auch dem typisch isländischen Milchprodukt Skyr eine großzügige Quote ein.
Knoblauch aus China genießt keinen bevorzugten Zugang zur EU. Mit mehr als 200 Prozent übersteigt sein Zoll um ein vielfaches den für Äpfel oder Zwiebeln. Weil der Ursprungspreis aber unschlagbar ist, deklarieren Händler die Knolle bisweilen zum Apfel um. So geschehen in Dublin, wo die Betrugsbekämpfer der EU fündig wurden. Ein Importeuer hatte den Zoll für mehr als 1000 Tonnen um 1,6 Mio. Euro geprellt. Auch in Polen wurde frischer Knofi als Zwiebel geschmuggelt containerweise beschlagnahmt. Für frische Knollen chinesischen Ursprungs sind bei der Einfuhr Wertzölle von 9,6 Prozent zuzüglich eines spezifischen Zolls von 1200 Euro pro Tonne (Nettogewicht) fällig. Von dem Mengenzoll ist jährlich eine Quote von weltweit 58.870 Tonnen ausgenommen, darunter 33.700 Tonnen aus China. Da die Kapazitäten für den Anbau in China groß und die Kosten sehr niedrig sind, ist die Umgehung der Zölle ein verlockendes Geschäft für Schmuggler.
Teilweise mehr als 500 Prozent Zoll schlägt die EU auf ganze Hinterteile oder Teilstücke von frischem oder gefrorenem Fleisch vom Rind oder Lamm. Zu einem Wertzoll von 14 Prozent addieren sich 232 Euro pro 100 Kilogramm in der ersten Jahreshälfte und 12,8 Prozent plus 212 Euro pro 100 Kilogramm von Juli bis Dezember. Für Schaf- oder Ziegenfleisch gilt ein ähnlicher Satz, der nach oben variiert, wenn das Fleisch gefroren ist, oder Knochen enthält. Derlei Abschottung hat Tradition – und dient innenpolitischen Interessen, wie dem Schutz heimischer Landwirte. Prohibitive Zölle gelten daher häufig auf typische Produkte der gemäßigten Breitengrade wie Fleisch, Milchprodukte, Eier und Getreide. Die schiere Höhe macht den Handel so unwirtschaftlich, dass er zum Erliegen kommt: faktisch ein Einfuhrverbot – ausgenommen ausgesuchte Partner wie Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Neuseeland, Uruguay oder die USA, für die Quoten zu niedrigeren Sätzen oder Nullzöllen gelten. Derzeit sind das 45.000 Tonnen für hormonfreies Rindfleisch. Nach WTO-Schätzung zahlen die USA dennoch auf Rindfleisch Importzölle von fast 70 Prozent.
Spitzenzölle werden auch auf Altkleider erhoben. Die Tatsache ist wenig bekannt. Zuerst wurde die Altkleiderindustrie aus Industrienationen dafür kritisiert, mit ihren Ausfuhren vor allem in Afrika die heimische Branche zu zerstören. Bekleidung ist aber längst in chinesischer Hand. Und das Geschäft mit „Mitumba“ ist auf Afrikas Märkten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden, an dem mehrere hunderttausend Arbeitsplätze hängen. An Waren der Produktgruppe 630900 – „andere konfektionierte Spinnstoffwaren; Warenzu-sammenstellungen; Altwaren und Lumpen“ – verdient außerdem der Staat kräftig mit. In Botswana, Lesotho, Namibia, Südafrika oder Swaziland gelten Einfuhrzölle von 20 Prozent, jeweils erhöht um den Mengenzoll sind es schon um die 200 Prozent. Simbabwe führt in Afrika mit 825 Prozent, nur übertroffen vom lateinamerikanischen Ecuador mit 870 Prozent.