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Kommentar Donald Trump, der Chaos-Handelskrieger

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident Donald Trump
Bundeskanzlerin Angela Merkel mit US-Präsident Donald Trump
© dpa
Wie sollen die anderen Ländern auf die US-Strafzölle und die Drohungen von US-Präsident Trump reagieren? Martin Wolf über die schwer durchschaubaren Ziele der US-Handelspolitik und die Handlungsmöglichkeiten der betroffenen Staaten

Der Präsident des mächtigsten Landes der Welt ist ein gefährlicher Ignorant. Wie soll der Rest der Welt reagieren? Die Antwort auf diese Frage fällt so schwer, weil Donald Trump ein Chaos angerichtet hat. Es ist schwierig, mit ihm zu verhandeln, weil niemand weiß, was er und sein Team wollen. Normal ist das nicht.

Die Handelspolitik der US-Administration und ihre Ankündigungen sprechen vor diesem Hintergrund für sich und weisen auf eine weitere Funktionsstörung des Welthandels hin. Die USA haben Zölle auf die Einfuhr von Solarzellen, Waschmaschinen, Stahl und Aluminium eingeführt. Rechnet man die zwei Strafzollrunden gegen China nach Artikel 301 des US Trade Act von 1974 hinzu, sind etwa sieben Prozent der US-Importe von den Maßnahmen betroffen.

Wenn man die Drohung mit Strafzöllen gegen Strafzölle, die sich auf zusätzliche 400 Mrd. Dollar auf Importe aus China auswirken könnten sowie die Möglichkeit von Zöllen auf 275 Mrd. Dollar auf Importe von Autos und Autoteilen berücksichtigt, erreichen die insgesamt betroffenen Einfuhren ein Volumen von 800 Mrd. Dollar. Das entspricht etwa einem Drittel aller US-Warenimporte. Gegen das Vorgehen der USA gibt es bereits Vergeltungsaktionen.

Die Administration begründete die schon verhängten Zölle auf Stahl und Aluminium mit Hinweis auf die nationale Sicherheit. Das gleiche Argument wird auch in einer Untersuchung über die US-Autoeinfuhren verwendet, die im Mai veröffentlicht wurde. Die Angst vor einem Missbrauch der Ausnahmen wegen Sicherheitsbedenken ist ein Grund, warum die Regeln der Welthandelsorganisation so restriktiv sind. Solche Ausnahmen gelten für „spaltbares Material“ oder „den Handel mit Waffen, Munition und Kriegsgeräten sowie mit anderen Gütern und Materialien, die direkt oder indirekt zum Zwecke der Versorgung einer militärischen Einrichtung betrieben werden“ oder „in Kriegszeiten oder anderen Notfällen in den internationalen Beziehungen“.

Was will Trump erreichen?

Die US-Strafzölle auf Stahl, Aluminium und – noch absurder – Autos verstoßen eindeutig gegen die WTO-Regeln. Aber wenn Kanada eine Bedrohung darstellt, welches Land dann nicht? Wenn Autos ein Sicherheitsproblem sind, was ist es dann nicht? „Schutzmaßnahmen werden zu großem Wohlstand und Stärke führen“, sagte Trump in seiner Antrittsrede. Er meinte es leider genauso.

Die Begründung für das Vorgehen nach Artikel 301 gegen China ist unklar. Manchmal scheint es so, dass die Maßnahmen China dazu zwingen sollen, den Handelsbilanzüberschuss mit den USA abzubauen. Manchmal sieht es aber auch so aus, als solle China sein Programm „Made in China 2025“ stoppen. Und manchmal scheint es das Ziel zu sein, gegen den Technologietransfer vorzugehen. Das erste Ziel ist lächerlich; das zweite ist nicht verhandelbar; das dritte ist vernünftig, aber schwer zu erreichen.

Als ob dies nicht schon verwirrend genug wäre, stellte Larry Kudlow, Trumps vermeintlich wichtigster Wirtschaftsberater, den Präsidenten als großen Freund des Freihandels dar, dessen Ziel es sei, Zölle abzuschaffen. Tatsächlich verhält sich Trump wie ein Zweijähriger, ein „Zerstörer“ ohne klares Ziel. Wenn er die Beziehungen zu China wieder ins Lot hätte bringen wollen, musste er sich nicht aus der Trans-Pazifischen-Partnerschaft zurückziehen und er musste auch seine eigenen Verbündeten nicht attackieren. Er hätte stattdessen China mit einer mächtigen globalen Koalition konfrontiert können. Doch er hat Streit mit allen angefangen.

 

Gefahr einer Vergeltungsspirale

Protektionismus neigt zur Ausbreitung, weil die Abnehmer geschützter Produkte danach verlangen, weil ungeschützte Wirtschaftszweige es verlangen und weil der Handel von abgeschotteten Märkten umgelenkt wird. Chinas Exporte werden beispielsweise in die EU statt in die USA gehen. Auch die EU könnte sich gezwungen sehen, gegen Importe vorzugehen.

Also, wo könnte das alles hinführen? Paul Krugman, einer der weltweit führenden Handelsökonomen, erklärt, dass der Welthandel um 70 Prozent schrumpfen würde, wenn der Konflikt zu einem allgemeinen Handelskrieg aller gegen alle ausartet.

Doch erstaunlicherweise soll die Weltproduktion nicht um mehr als drei Prozent schrumpfen. Solche Zahlen beruhen auf den Annahmen von „berechenbaren allgemeinen Gleichgewichtsmodellen“, die Störungen und Unsicherheiten ignorieren, weil die Struktur der Weltwirtschaft neu konfiguriert werde. Sie vernachlässigen auch den Verlust an Dynamik, wenn der globale Wettbewerb abnimmt. Last but not least übersehen sie die Zunahme des bösen Willens, den ein protektionistischer Krieg mit sich bringen würde. Die globale Zusammenarbeit würde sicherlich zerbrechen.

Doch Trump besteht darauf, dass „Handelskriege gut und einfach zu gewinnen sind“. Sein Argument, ein Defizitland „gewinne“ in einem Handelskrieg, ist nicht absurd. In einem Vergeltungskrieg dieser Art wird der anderen Seite die Handelsmunition früher ausgehen, ganz einfach weil ihre Einfuhren geringer sind.

Trump mag Konflikte

Aber Vergeltungsmaßnahmen könnten über den Handel hinauswirken, beispielsweise auf Investitionen. Berücksichtigt man die Vergeltungsmaßnahmen und die Auswirkungen höherer Zölle auf die Wechselkurse, dürfte der Nutzen für die gesamtwirtschaftliche Produktion selbst für ein Land mit großen Defiziten sehr gering sein. Jeder Ökonom weiß, dass eine Rezession der effektivste Weg ist, ein Handelsdefizit in einem Land nahe der Vollbeschäftigung zu reduzieren. Das ist vermutlich nicht das Ziel der USA, aber es könnte das Ergebnis der durch ihre Politik geschaffenen Unsicherheit sein.

Die vielleicht größte Frage ist, wie die anderen Spieler auf die Aggression des Weißen Hauses reagieren sollen. Trump mag Konflikte. Er reagiert vielleicht nicht wie ein normaler Mensch auf Vergeltungsmaßnahmen. Er könnte sogar die Ausbreitung des Protektionismus begrüßen, den eine Vergeltungsspirale in Gang setzen würde.

Gleichzeitig werden ihn nur Gegenmaßnahmen zu einer Kursänderung bringen. Außerdem könnten die sich zusammenziehenden Wolken eines Handelskrieges die US-Wirtschaft erschüttern. Die Entscheidung, wie weit man die Vergeltungsspirale drehen kann, ist also nicht einfach.

Ich persönlich würde auf Vergeltung setzen, allerdings nur weil die Alternativen schwach aussehen, und nicht weil ich glaube, dass es funktionieren wird. Eine andere Sache sollte der Rest der Welt aber auf jeden Fall tun: Sie sollte die Zusammenarbeit verstärken. Aber am spannendsten - und riskantesten – wäre es, wenn andere wohlhabende Länder das Angebot Trumps zum zollfreien Handel annehmen würden. Warum nicht zumindest auf seinen Bluff eingehen? Wer weiß? Es könnte sogar funktionieren.

Copyright The Financial Times Limited 2018

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