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Kolumne Die erste Frau auf dem Schleudersitz

Eine Frau wird Verteidigungsministerin. Na und? Die Wahrscheinlichkeit, dass Ursula von der Leyen die Amtszeit übersteht, ist nicht groß. Von Ines Zöttl
Ines Zöttl
Ines Zöttl schreibt an dieser Stelle über internationale Wirtschafts- und Politikthemen.
© Trevor Good

Ein paar Personalien haben in den vergangenen Tagen einen Oha-Effekt ausgelöst, auch in meiner eigenen Redaktion. Eva-Lotta Sjöstedt soll den angeschlagenen Karstadt-Konzern aus der Grütze bringen. Mary Barra rückt an die Spitze des amerikanischen Autokonzerns General Motors. Inga Beale steigt zur Vorstandschefin des ehrwürdigen Versicherungsmarktes Lloyd's of London auf. Ursula von der Leyen wird deutsche Verteidigungsministerin.

An all diesen Personalentscheidungen fanden die Kollegen vor allem eines bemerkenswert: Dass es sich um Frauen handelt, genauer die „erste Frau“. Die erste Frau, die ein „car guy“ ist – politisch korrekt heißt es vermutlich „car girl“ (oder sind das die Blondinnen auf den Kühlerhauben?). Die erste Oberbefehlshaberin der deutschen Soldaten.

Schwulsein gilt bei Topjobs inzwischen glücklicherweise als ziemlich normal, Frausein anscheinend noch nicht. Dass GM sich traut, seine Autos von einer Frau verkaufen zu lassen, nötigt Beobachtern Interesse und Respekt ab. Warum? Die Annahme, dass mehr Männer als Frauen sich für Autos interessieren, ist bestimmt richtig. Aber kein Mensch erwartet vom Chef einer Schokoladenfabrik, dass er ein übergewichtiger Krümelmonster ist. Wer bei einem Zigarettenhersteller anheuert, muss nicht Raucher sein. Um sich in die Kundenpsyche einzufühlen, beschäftigen Unternehmen Marketingabteilungen.

Das erste Mal

Im Rest Europas wurden schon viele Verteidigungsministerinnen gekürt, seit Elisabeth Rehn vor 23 Jahren „als erste Frau“ dieses Amt übernahm – nachdem sie die Finnen vorher geschlechterrollenkonform mit Tupperware beglückt hatte. In Frankreich liegt „das erste Mal“ auch schon über ein Jahrzehnt zurück.

Es herrscht derzeit eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Frauen sind in den Entscheidergremien von Politik und Wirtschaft immer noch unterrepräsentiert, deswegen wird die Quotendebatte weitergeführt und regelmäßig „oha“ gerufen. Aber in der Praxis stehen Frauen schon die meisten Türen offen. Viele Unternehmen gieren inzwischen geradezu danach, weibliche Führungskräfte vorweisen zu können.

Die Entscheidung Angela Merkels, von der Leyen das Verteidigungsressort zu geben, ist also mitnichten mutig. Die Entscheidung von der Leyens, das Amt zu wollen, dafür umso mehr. Nicht weil sie eine Frau ist. Wenn sie scheitert, dann nicht an Machismo in der Bundeswehr, möglichen Ressentiments oder ihr vermeintlich fehlenden männlichen Qualitäten. Von der Leyen ist eine extrem gewiefte Politikerin, die das politische Handwerk und die Selbstvermarktung meisterhaft beherrscht. Sie hat das süße Lächeln einer Frau, aber die Härte, die gemeinhin Männern zugeschrieben wird. Sie hat den Willen zur Macht und die Professionalität, sie zu erlangen.

Ähnliche Qualitäten allerdings brachte auch mancher ihrer im Amt gescheiterten Vorgänger mit. Denn das Verteidigungsressort mit seinem großen Apparat ist kaum zu beherrschen und chronisch affärenanfällig. „Schleudersitz, Schlangengrube, ein Sack voller Minen“ nannte Manfred Wörner (CDU), Minister von 1982 bis 1988, das Haus. Er selbst kam noch mit dem Schrecken davon, als Kanzler Kohl sein Rücktrittsangebot in der Affäre Kießling ablehnte.

Skandale ohne Ende

Andere beendeten auf der Hardthöhe ihre politische Karriere. Schon der erste Verteidigungsminister der Republik, Theodor Blank, war nach nur 16 Monaten wieder weg. Seinen Nachfolgern erging es – aus unterschiedlichen Gründen, die nicht immer mit dem Amt zusammenhingen - nicht viel besser. Den wortgewaltigen Franz Josef Strauß (CSU) riss es, ebenso wie Rudolf Scharping, Karl-Theodor zu Guttenberg und sozusagen posthum nach dem Wechsel ins Arbeitsministerium Franz Josef Jung. Der letzte Mann im Amt, der umsichtige Thomas de Maziere, hat es vor allem dem Auslaufen der Legislaturperiode zu verdanken, dass er die „Euro-Hawk“-Affäre und seine Amtszeit heil überstanden hat. Selbst Peter Struck, der rückblickend als Erfolgsminister gilt, hatte in seiner Zeit Verteidigungsminister Phasen, wo er ziemlich nah am Absturz vorbeischrammte.

Die Ausgangsvoraussetzungen für von der Leyen sind nicht schlecht. Immerhin hat sie es geschafft, sich trotz einer dürftigen Bilanz als jemand zu profilieren, an dem die CDU nicht mehr vorbeikommt. Dass es ihr als Familienministerin nicht gelungen ist, die Babyquote in Deutschland zu erhöhen, will man ihr nicht vorwerfen. Aber was hat sie eigentlich als Arbeitsministerin an Reformen vorzuweisen? Die Umsetzung eines Verfassungsgerichtsurteils in ein Bildungspaket für arme Kinder, das ein Bürokratiemonster ist. Von der Leyen ist in den vergangenen Jahren vor allem durch forsche Vorstöße aufgefallen. Zu Frauenquote, Zuschussrente gegen Altersarmut, Euro-Rettung mit Hilfe der Goldreserven der Krisenstaaten. Erreicht hat sie nicht viel.

Große Projekte stehen auch im Verteidigungsministerium erstmal nicht an. Es dürfte für die Ministerin also vor allem darauf ankommen, Skandale und Skandälchen im Wirkungskreis der Bundeswehr zu überstehen. Rein empirisch scheint die Wahrscheinlichkeit dafür nicht allzu hoch.

Ihr stünde in diesem Fall Anerkennung als „die erste“ gescheiterte deutsche Verteidigungsministerin zu. Ihre politische Karriere müsste darunter nicht unbedingt leiden, wie die Vergangenheit auch zeigt. Egal, wie es kommt, uns wird immerhin eines erspart bleiben: Dass sie die erste deutsche Bundeskanzlerin wird.

E-Mail: Zoettl.Ines@capital.de

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