Die Deutsche Bank hat einen neuen Vorstandsvorsitzenden: Der bisherige Vizechef und Leiter der Privat- und Firmenkundensparte Christian Sewing führt mit sofortiger Wirkung die Bank. Das gab das Institut im Anschluss an eine Aufsichtsratssitzung am Sonntagabend bekannt. Er ersetzt John Cryan, der die Bank noch im April verlässt.
In einer für Mitteilungen dieser Art ungewöhnlichen Deutlichkeit lieferte die Bank auch gleich die Begründung für den Wechsel mit. Der Aufsichtsrat, zitiert die Presseerklärung ihren Aufsichtsratschef Paul Achleitner, sei zum Schluss gekommen, dass es nun „eine neue Umsetzungskraft in der Führung unserer Bank braucht.“
Eine neue Umsetzungskraft: Es ist bemerkenswert, dass sich ein eher ungelenkes und zugleich auch entlarvendes Wort in eine offizielle Mitteilung der Bank schleicht. Offenbar hat die Bank in der Deutung von Paul Achleitner kein Problem mit der Strategie an sich, sondern mit ihrer Umsetzung. Und John Cryan traut man die Umsetzung nicht weiter zu. Was aber bedeutet die Entscheidung genau?
Erstens: Dass die Deutsche Bank keine allzu populäre Adresse mehr für CEO-Kandidaten zu sein scheint. Wenn es, wie Achleitners Formulierung nahelegt, weniger um Visionen und neue Strategien geht, sondern um die Umsetzung, dann ist ein interner Kandidat mit einem Vierteljahrhundert Betriebszugehörigkeit eine fragwürdige Wahl. Ihm fehlt dann der nüchterne Blick von außen auf Strukturen.
Dass in den vergangenen zwei Chaoswochen undementiert die Namen anderer externer Kandidaten kursierten, macht die Sache – bei aller Vorsicht mit Personalgerüchten - nicht besser. Sewings Wirken in der jüngeren Vergangenheit als Chef der Privat- und Firmenkundensparte war eher unauffällig: Sie befindet sich noch immer mitten um Umbau. Die Integration der Postbank läuft noch, die Ergebnisse sind akzeptabel bei weiter hohen Kosten, die versprochenen Synergieeffekte wie auch die Erfolge der Digitalstrategie sollen erst in den kommenden Jahren greifen. Die Verhandlungen über den Stellenabbau seiner Sparte erleichtert hat zudem, dass viele Mitarbeiter schlicht freiwillig gehen wollen. Zu argumentieren, dass sich Sewing – ein bei Mitarbeitern beliebter, bodenständiger Westfale - aufgrund seiner operativen Exzellenz in der Umsetzung von Plänen aufgedrängt habe, wäre weit hergeholt.
Zweitens: Chefkontrolleur Paul Achleitner hält das Heft des Handels weiter in der Hand. Er selbst hat große Anteile an der aktuellen Misere der Deutschen Bank mit drei Verlustjahren in Folge und einem kollabierten Aktienkurs: Er hielt rückblickend viel zu lange an Cryans Vorgänger Anshu Jain fest, und den Vorstand, dem es nun angeblich an „Umsetzungskraft“ mangelt - den hat er zusammengebaut. Dafür gab es heftige und berechtigte Kritik. Auch der in Ungnade gefallene John Cryan gab sich noch vorvergangene Woche kämpferisch, seinen Posten behalten zu wollen. Nun aber wird der komplette Vorstand durchgeschüttelt: Der Personalvorstand Karl von Rohr und nunmehr alleinige Co-Investmentbankingchef Garth Ritchie fungieren künftig als Vizechefs. Marcus Schenck wiederum, bisher neben Sewing einer der beiden Stellvertreter Cryans, verlässt die Bank ebenfalls. Die Leitung der Privatkundensparte übernimmt wiederum Frank Strauß, bislang Postbank-Chef. Achleitner hingegen wird, Stand jetzt, auch in sechs Wochen als Aufsichtsratschef die Deutsche-Bank-Hauptversammlung leiten.
Dass die Pressemitteilung zum Personalwechsel wie von Achleitner diktiert wirkt, rundet das Bild ab: In die Amtszeit von John Cryan fiel, die Bank 2016 durch eine existenzielle Krise navigiert zu haben. Gemessen daran ist der Arbeitsnachweis Cryans laut Pressemitteilung, er habe in der Geschichte der Bank „eine wichtige Rolle gespielt“ und „die Weichen für eine erfolgreichere Zukunft des Hauses gestellt“, ehe es nun eine neue Umsetzungskraft brauche, bestenfalls unglücklich, um nicht zu sagen: stillos.
Drittens: Es wäre schlicht zu optimistisch zu glauben, dass die Deutsche Bank lediglich ein Problem mit der Umsetzung ihrer Strategie hat, dem einer Universalbank mit drei Säulen. In jeder der drei Säulen der Bank - dem Investmentbanking, dem Privat- und Firmenkundengeschäft und der Fondstochter DWS – sind größer werdende Risse unübersehbar: Im Investmentbanking verliert die Bank fortlaufend Umsätze und Marktanteile und muss darauf hoffen, dass sich die Rahmenbedingungen der Märkte wieder verbessern. Im Privat- und Firmenkundengeschäft ist die Verwurzelung in Deutschland, die die Bank so gerne betont, operativ ein Problem: Der starke Einlagenüberhang drückt in Zeiten negativer Einlagenzinsen auf die Margen, und der Wettbewerb ist in Deutschland generell hart, die Kunden preissensitiv. Der Börsengang der DWS wiederum hat offen gelegt, dass die ganze Fondssparte in den Augen des Kapitalmarkts gerade einmal 6 Mrd. Euro Wert ist, was die Sorgen reflektiert, dass auch bei der DWS künftig die Gewinne in einem extrem wettbewerbsintensiven Umfeld erodieren könnten.
Die Chaoswochen der Deutschen Bank mögen mit den Personalentscheidungen beendet sein – die operativen Probleme sind es nicht.