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Kolumne Der Süd-Süd-Club

Der Handel zwischen Schwellenländern untereinander wächst rasant. Während wir immer abhängiger von China & Co. werden, machen die zunehmend ihr eigenes Ding. Von Martin Kaelble

Was wäre die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren nur ohne die Schwellenländer gewesen? Amerika und Europa versanken in der Krise. Doch deutsche Exporteure konnten auf die Nachfrage aus China, Brasilien oder Russland bauen. Die Dynamik in den Emerging Markets war zentral für Deutschlands Boom trotz Krise. Für unsere Wirtschaft sind diese Märkte heute bekanntermaßen wichtiger denn je.

Das beruht nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit. Denn während China und die anderen aufstrebenden Nationen für die Industrieländer immer wichtiger werden, verlieren wir andersherum für die neuen Märkte an Bedeutung. Keine Frage: Noch sind wir zentrale Handelspartner. Doch die Dynamik verschiebt sich. Der so genannte Süd-Süd-Handel - also Warenströme zwischen Nicht-Industrieländern untereinander - wächst rasant. Der Handel zwischen den Schwellenländern wird noch in diesem Jahrzehnt für diese Länder wichtiger werden als ihr Handel mit den Industrieländern, prognostiziert die Weltbank.

Dafür gibt es eine simple Erklärung: Aus Ghana oder Chile wandern immer mehr Rohstoffe in die Weltfabrik China. Und die dort produzierten Güter wandern immer öfter nicht nur in die USA oder nach Deutschland, sondern eben auch nach Brasilien oder nach Südafrika. Denn dort gibt es immer mehr hungrige Konsumenten aus der extrem schnell wachsenden Mittelschicht. Und die wollen auch Waschmaschinen oder Spielzeug aus China.

Emanzipation des Südens

Laut Unctad wächst der so genannte Süd-Süd-Handel doppelt so schnell wie der Nord-Süd-Handel. Allein von 1996 bis 2009 ist er um durchschnittlich zwölf Prozent pro Jahr gewachsen. Nach der Finanzkrise 2008 hat er sich viel schneller erholt als die Warenströme in der restlichen Welt. Kein Wunder: Während die große Rezession vor allem in Europa und den USA einschlug, waren die aufstrebenden Länder viel weniger betroffen und konsumierten kräftig weiter Produkte aus China oder Indien. Fünf Jahre nach der Lehman-Krise zeichnet sich damit ab, dass die Finanzkrise die Emanzipation des Südens vom Norden beschleunigt hat.

Das ist eine absolute Zäsur in der Weltwirtschaft. Eine ganze ökonomische Forschungsrichtung beschrieb noch in den 60er-Jahren die kaum zu brechende Abhängigkeit des Südens vom Norden im Welthandel. Diese Bücher müssen wohl bald umgeschrieben werden, wenn die Weltbank Recht behält. Der Norden wird vielmehr immer abhängiger von der Wachstumsdynamik im Süden. Und der Süden macht zunehmend sein eigenes Ding untereinander.

Das gilt für verschiedenste Regionen der Welt, wie Unctad-Zahlen zeigen. Afrikanische Exporte von Industriegütern in Nicht-Industrieländer lagen 2001 bei 33 Prozent. Zehn Jahre später war es bereits knapp die Hälfte. In Lateinamerika stiegen sie in der gleichen Zeit von 19 auf 33 Prozent.

Zentrum des exklusiven Handels ohne den Westen ist aber natürlich Asien. 80 Prozent aller Süd-Süd-Exporte entfallen auf den Kontinent. Der Großteil dieser Warenströme bewegt sich nur innerhalb Asiens, natürlich mit China als zentralem Knotenpunkt. Speziell zwischen den Brics-Staaten - Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - werden die Handelsverflechtungen immer enger.

Billigproduktion wandert in ärmere Länder

Doch der Handel beschränkt sich längst nicht nur auf Austausch zwischen Schwellenländern. Konzerne aus China, Indien, Brasilien oder Malaysia treiben den Handel auch mit Entwicklungsländern voran. Das steinige Umfeld dort schreckt sie nicht ab, denn sie sind aus ihren Heimatmärkten schwierige Verhältnisse mit Armut, Korruption und Infrastrukturproblemen gewohnt. Selbst um äußerst instabile Länder wie Simbabwe oder Uganda machen diese Konzerne keinen Bogen.

Eine bekannte Triebfeder ist natürlich, dass in Ländern wie China die Löhne steigen. Die Billigproduktion wandert weiter in ärmere Staaten zum Beispiel Pakistan, Vietnam und Tansania. Und auch manch indisches Callcenter betreibt mittlerweile Outsourcing Richtung Afrika, weil der Preiskampf in Indien so hart geworden ist.

Droht damit mittelfristig ein exklusiver Süd-Süd-Club - mit den Industrieländern als Nebendarsteller? Natürlich werden wir nicht von einem Tag auf den anderen bedeutungslos. Doch die Dynamik des Handels ohne uns sollte man nicht unterschätzen. Deutsche Exporteure müssen sich künftig noch mehr bemühen bei der Erschließung neuer Märkte – und werden dabei immer öfter auf schnell wachsende Wettbewerber aus Schwellenländern treffen.

Martin Kaelble schreibt an dieser Stelle montags über Innovationen, Makro- und Techtrends aus der Weltwirtschaft. Seine letzten Kolumnen: Wachstum im Schleichgang, Die neuen Zahlmeister und Chinas größter Feind

E-Mail: Kaelble.Martin@capital.de

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Foto: © Trevor Good

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