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Kolumne Chinas größter Feind

Die Preise für 3D-Drucker dürften schnell sinken - ein Trend der Chinas Stellung als Werkbank der Welt bedroht. Damit das nicht passiert, wollen die Chinesen Marktführer bei der Technologie werden.
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Kaum eine neue Technologie wird derzeit so gehypt wie der 3D-Druck. In den Printern, mit den sich auf einfache Weise Handyhüllen ebenso wie Pistolen produzieren lassen, sehen einige die nächste industrielle Revolution - könnte damit doch jeder Haushalt zu seiner eigenen kleinen Fabrik für alle möglichen Alltagsgegenstände werden. Ein kleines Ersatzteil für den Schrank oder das Auto muss man dann nicht mehr kaufen, sondern kann es einfach schnell zu Hause selbst drucken.

Ob es im Privaten wirklich so weit kommt, bleibt abzuwarten. Sicherer scheint der Siegeszug in der Industrie. Denn dort bringt der Einsatz der Technik enorme Kostenersparnisse.

Wie schnell die Technologie zum Massenprodukt wird, hängt vom Preisverfall der Geräte ab. Hier gab es vergangene Woche einen Meilenstein: Der amerikanisch-israelische 3D-Druck-Hersteller Stratasys kündigte an, den US-Wettbewerber MakerBot für 403 Mio. Dollar übernehmen zu wollen. Damit beschleunigt sich die Dynamik in der Branche. MakerBot ist führend im Bereich privater Nutzung von 3D-Druckern. Die Firma aus Brooklyn hat seit Gründung 2009 bereits rund 22 000 Drucker für den Hausgebrauch verkauft.

Durch Firmenzusammenschlüsse dürften die Preise für die Geräte schneller fallen. Noch kosten viele der Drucker für den Heimgebrauch deutlich über 1000 Euro aufwärts. Das Einsteigermodell Replicator 2 von Makerbot zum Beispiel kostet rund 1600 Euro – und verkaufte sich immerhin in neun Monaten 11 000 Mal. Die Preise müssten aber wohl in die Region von 200 bis 300 Euro kommen, damit sie wirklich massenhaft den Weg in die Haushalte schaffen, nicht nur in ein paar Nerd- und Hipsterbuden in Brooklyn und Kreuzberg.

Enormes Marktpotenzial

Immerhin: Das über Crowdfunding finanzierte Gerät „The Buccaneer“ soll nun in Produktion gehen. Es soll weniger als 400 Euro kosten. Die Crowdfunding-Aktion läuft noch bis Ende Juni, aber das Geld war bereits nach wenigen Tagen beisammen. In fünf Jahren könnten ein Drittel der deutschen Haushalte einen 3D-Drucker besitzen, sagen manche Experten. Wenn die Preise schnell genug sinken.

Das Potenzial der Technologie ist enorm. Das McKinsey Institute schätzte in einer Studie kürzlich das Marktvolumen des 3D-Drucks im Jahr 2025 auf 230 bis 550 Mrd. Dollar. Fünf bis zehn Prozent der relevanten Produkte wie Spielzeuge könnten dann für Konsumenten 3D-druckbar sein. Für die Verbraucher würden sich Kostenersparnisse von 35 bis 60 Prozent ergeben.

Auch für gewerbliche Hersteller ist das Potenzial enorm. Egal ob es komplette Produkte wie Handyhüllen oder Spezialteile in der Zahntechnik sind, Firmen könnten bis zur Hälfte aller Produktkategorien komplett durch 3D-Druck herstellen, so McKinsey. Auch hier lägen die Kostenersparnisse teilweise bei mehr als 50 Prozent.

Die Folgen wären nicht nur auf Mikroebene zu spüren, sondern auch in den Strukturen der Weltwirtschaft insgesamt. Das Produktionsmuster der globalen Wirtschaft würde sich verschieben. Denn der 3D-Druck betrifft vor allem simple Produkte wie Spielzeuge, Accessoires, Schuhe oder Keramik. Kurzum alles Dinge, die derzeit noch billig in Schwellen- und Entwicklungsländern hergestellt werden. Allen voran in China.

Das Ende der Billigproduktion in Fernost

Im Klartext: Setzt sich der 3D-Druck wirklich auf breiter Ebene durch, wäre er das Ende der nach Fernost verlagerten Billigproduktion wie wir sie kennen. „Local Manufacturing“ vor oder hinter der Haustür würde „Global Manufacturing“ ersetzen. Der Volksrepublik – so sehr sie langfristig ohnehin wegkommen will von der Billigproduktion – könnten relativ schnell breite Teile ihres Wachstumsmodells abhanden kommen.

Genau damit wollen sich die Chinesen natürlich nicht abfinden. So konnte man jüngst lesen, dass sich die Werkbank der Welt nun erhofft, selber binnen weniger Jahre größter Markt für 3D-Druck zu werden. Das prognostiziert zum Beispiel der in Peking ansässige Verband Asian Manufacturing Association (AMA). Laut AMA beträgt die durchschnittliche globale Zuwachsrate für die 3D-Druck-Industrie 25 Prozent. Der Umsatz der Branche in China könnte laut AMA 10 Mrd. Yuan in drei Jahren erreichen. Zum Vergleich: Bislang liegt der Umsatz der Branche in China bei rund 1 Mrd. Yuan - gegenüber rund 10 Mrd. Yuan außerhalb der Volksrepublik.

Klingt nach einem ambitionierten Plan. Fraglich, ob er aufgeht. Bei den Herstellern von 3D-Druckern sind die USA derzeit der alles dominierende Player. Ob chinesische Firmen das in kurzer Zeit so schnell aufholen können? In der Solarbranche war es möglich. Allerdings ist es zugleich ein abschreckendes Beispiel, was die Folgen für den Markt insgesamt betrifft. Dieser hohe Preis ist auch den Chinesen mittlerweile bewusst.

Zudem dürfte die Musik bei der Nutzung der Technologie zunächst woanders spielen. Als Absatzmarkt für die Geräte ist China zwar durch seine schiere Größe attraktiv, in der Summe aber nicht attraktiver als die USA oder Europa, die derzeit eher den typischen Nutzer einen 3D-Heimdruckers stellen. Die Kostenvorteile durch Einsatz von 3D-Druck sind dank wegfallender Transportkosten in Amerika und den USA größer als in China, wo die Spielzeugfabriken vor der Haustür stehen.

Ähnlich sieht es beim Einsatz gewerblicher 3D-Druckern aus. Warum sollte man einen 3D-Drucker in eine chinesische statt in eine deutsche Fabrik stellen? Das Argument der geringeren Produktionskosten wird durch die neue Technologie pulverisiert. Stellt man das Gerät nach Deutschland spart man zudem die Transportkosten. Chinas Position als Werkbank der Welt ist somit – trotz aller Bemühungen schnell aufzuholen – gefährdeter denn je.

Martin Kaelble schreibt an dieser Stelle montags über Innovationen, Makro- und Techtrends aus der Weltwirtschaft. Seine letzten Kolumnen: Wachstum im Schleichgang und Die neuen Zahlmeister

E-Mail: Kaelble.Martin@capital.de

Foto: © Trevor Good

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