"Weltbank prophezeit schwächelnde Weltwirtschaft", "Globale Wirtschaft geht bergab" – so klangen die Schlagzeilen Ende vergangener Woche. Die Weltbank hat mit ihrem neuen Wachstumsausblick für einige Sorgenfalten gesorgt. Ihre Prognose klang trist: 2013 soll die Weltwirtschaft nur noch um 2,2 Prozent wachsen, nach 2,3 Prozent im vergangenen Jahr. 2014 dürften es dann drei Prozent sein, 2015 schließlich 3,3 Prozent. Alles recht schwache Zahlen – jedenfalls wenn man die Zeit vor der Finanzkrise zum Maßstab nimmt.
Erinnern wir uns zurück an die goldenen Zeiten: Vor der Finanzkrise waren es eher vier Prozent und mehr, mit denen die Weltwirtschaft vorwärts preschte. Manch einer meinte damals, alles unter vier Prozent sei schon Rezession. Daran hatte man sich gewöhnt, deshalb werden die neuen Zahlen an solchen Wachstumsraten gemessen. Das Ergebnis: Die Schlagzeilen sind negativ, die Ökonomen besorgt, Unternehmer verunsichert.
Doch man wird sich vorerst auf eine neue Normalität einstellen müssen. Eine, die nicht mehr so dynamisch ist wie die Roaring 90er oder der Boom der 2000er-Jahre. Noch immer befinden wir uns recht unmittelbar in der Nachphase der schwersten Krise der Nachkriegszeit, auch im Jahr fünf nach Lehman. Wirtschaftshistoriker wie Harold James oder Barry Eichengreen haben ohnehin von Anfang an gesagt, dass es Jahre brauchen wird.
Es gibt gleich mehrere Gründe, warum wir uns vorerst von Wachstumszahlen aus der Vorkrisenzeit verabschieden müssen. Aktuell dämpfen die Anpassungen durch die Schuldenkrise in Europa. Das könnte wohl leider auch noch ein Weilchen andauern. Auch Amerikas Wirtschaft ist noch nicht wieder die alte. Hinzu kommt, dass die großen aufstrebenden Märkte – allen voran China – an Dynamik verloren haben. Für die Schwellenländer wie China, Brasilien, Indien und Russland rechnet die Weltbank für dieses Jahr nur noch mit einem Wachstum von 5,1 Prozent. Vor Ausbruch der Finanzkrise waren es eher Raten von über sieben Prozent.
Europa braucht mehr Wachstum
Doch ist diese neue Normalität wirklich etwas, was durchweg negativ ist? Keine Frage: In Europa brauchen wir dringend mehr Wachstum. Doch das gilt nicht für alle Regionen der Welt. Und zudem geht es auch um die Frage, welche Art von Wachstum wir wollen.
Die Weltbank selbst wies bei der Veröffentlichung darauf hin: Die Weltwirtschaft werde zwar in der Zukunft weniger stark zulegen. Das liege jedoch weniger an einer mangelnden Nachfrage, sondern vielmehr daran, dass das Wachstum in der Vorkrisenzeit stark von einer Blasenbildung befeuert worden sei. Damit werde die globale Wirtschaft künftig weniger dynamisch aber eben auch weniger schwankungsanfällig sein.
Bleibt also die Frage: Sollte die Weltwirtschaft überhaupt zu alten Zeiten zurückkehren? Vor der Krise war der Boom teils von wenig nachhaltigen Faktoren getrieben – vom Kreditboom in Spanien bis hin zu toxischen Finanzprodukten in den USA. Das machte die globale Wirtschaft sehr dynamisch, aber auch sehr volatil. Die Maxime der Reformen für die Zeit nach der Krise war daher immer: Stabilere Finanzmärkte schaffen. Wenn die Eigenkapitalquote für Banken angehoben wird, kann das zu weniger Kreditvergabe und damit weniger Wachstum führen. Das ist der Preis für mehr Stabilität. Darüber darf man sich jetzt nicht beklagen.
Dass es für Chinas Wirtschaft wiederum nicht gesund ist, dauerhaft um über zehn Prozent zu wachsen, hat man an faulen Krediten und Blasenbildung am dortigen Häusermarkt gesehen. Auch hier gilt: Besser stabiles Wachstum statt Überhitzung und Blasenbildung. Weniger Wachstum in China dürfte mittelfristig ohnehin durch andere Länder ausgeglichen werden. Denn die Schwellenländer werden wohlhabender. Das beschränkt sich nicht mehr vor allem auf China, sondern gilt selbst für Afrika. Die wachsenden Mittelschichten von Indonesien bis Ghana werden in den kommenden Jahren ein neuer Wachstumstreiber sein.
Bleibt einzig Europa: Hier ist der konjunkturelle Status quo wahrlich nicht wünschenswert. Hier braucht es dringend wieder mehr Dynamik. Idealerweise jedoch nicht durch neue Blasen am Häusermarkt oder in abwegigen Anlageklassen, sondern durch innovative junge Unternehmen und expandierende Mittelständler.
Sobald in Europa die Rezessionen beendet sind, dürfte auch die Weltwirtschaft wieder auf einen dynamischeren Wachstumspfad finden. Vielleicht nicht mehr ganz so schwungvoll wie vor der Krise, aber dafür hoffentlich etwas stabiler.
Martin Kaelble schreibt an dieser Stelle montags über Innovationen, Makro- und Techtrends aus der Weltwirtschaft.