15 Jahre Gefängnis oder ein Geständnis und mehr Zeit in Freiheit. Mit dieser Frage ringt derzeit Hanno Berger, der Spiritus rector der Cum-Ex-Geschäfte, seit Anfang April angeklagt vor dem Landgericht Bonn wegen Betrugs und Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Laut Anklage in dem Bonner Prozess habe Berger 2007 mit der Hamburger M.M. Warburg, der HypoVereinsbank und Ballance Cum-Ex-Geschäfte aufgesetzt mit dem einzigen Ziel, sich Kapitalertragssteuern erstatten zu lassen, die vorher nicht einbehalten oder abgeführt worden sind. Bei Warburg habe das Konstrukt intern „das Berger-Modell“ geheißen, es habe ein „hohes Maß an Koordination“ bedurft und Berger selbst habe 13,6 Mio. Euro – allein mit Warburg – in die eigene Tasche gewirtschaftet.
Eine harte Abwägung für den 71-jährigen Anwalt, der bisher stets darauf beharrt hat, „nichts Unrechtes“ getan zu haben und Opfer eines Politik- und Justizskandals zu sein. Die Vorwürfe gegen ihn, mit Cum-Ex- Geschäften Milliarden Steuern hinterzogen zu haben, seien „ganz großer Unsinn“ hatte Hanno Berger 2019 im Interview mit Capital in Zuoz geäußert. Dorthin war Berger 2012 geflohen, nachdem Steuerfahnder seine Kanzlei und sein Privathaus durchsucht hatten. Dass der Fiskus für ein und dieselbe Aktie doppelt oder mehrfach Kapitalertragsteuern erstattet hat, beruhe auf einer „unwahren Erzählung“, sagte er in dem Gespräch. Er habe lediglich das „Steuerrecht so angewendet, wie es vom Gesetzgeber beschlossen wurde.“
Doch nach Monaten in Untersuchungshaft, angeschlagener Gesundheit und einem parallelen Prozess in Wiesbaden, deutet sich eine Wende an. Bergers Hauptverteidiger Richard Beyer überraschte das Bonner Landgericht dieser Tage mit der „Anregung, dass man sich vielleicht mal zusammensetzt“, und gemeinsam überlege, „ob man sich die eine oder andere Beweiserhebung spart – oder vielleicht sogar zu einem Ende kommt.“ Sogar eine Entschuldigung für das Verhalten nach den Taten könne man erwägen, teilte der Verteidiger mit. Bisher hatte Berger nie Anzeichen von Reue gezeigt, sondern es als Pflicht gegenüber seinen Klienten angesehen, komplexe Modelle zu kreieren, mit denen sich maximal Steuer sparen ließen.
Der Vorsitzende Richter Roland Zickler begrüßte die erste vorsichtige Annäherung. „Geständnisgleiche Einlassungen“ könnten sich als „extrem strafmildernd“ erweisen, gab er dem Angeklagten Hanno Berger zu verstehen. Geständnisgleiche Einlassungen sind im Grunde ein Geständnis. Eine scharfe Trennlinie gibt es zwischen den beiden Begriffen jedenfalls nicht. Eine geständnisgleiche Einlassung kann mehr oder weniger sein. Über ein Geständnis hinaus geht es, wenn der Angeklagte einräumt, dass die Vorwürfe stimmen und er weitere Hintermänner und Tatbeteiligte preisgibt. Es reicht aber auch schon, wenn er schildert, wie die Cum-Geschäfte abgelaufen sind und das Gericht die Rechtmäßigkeit bewertet. Zu Bergers Gunsten könnte sich auch auswirken, so Richter Zickler, wenn er Teile seiner Cum-Ex-Profite aus dem Warburg-Geschäft spenden würde. Bisher hat Berger kein Geld gespendet oder zurückgezahlt. Das Strafmaß erheblich reduzieren würde wohl vor allem Einsicht und Reue – weniger ein taktisches Geständnis.
In den vergangenen Tagen fanden abseits der Hauptverhandlung erste Gespräche in kleiner Runde statt. Mit dabei waren auch Vertreter der Staatsanwaltschaft. Über diese Runde wird Protokoll geführt und ein Vermerk wird dann in der nächsten öffentlichen Verhandlung verlesen. Dem Eindruck von geheimen Absprachen und Kungeleien wird so entgegengetreten. Laut Bergers Verteidigung fanden die Gespräche im Einverständnis mit Berger statt. Allerdings dämpften die Verteidiger Erwartungen eines nahen Prozessendes. Es sei es noch ein längerer Weg bis zu einem möglichen Geständnis. „Wir stehen da noch ganz am Anfang“, so Bergers Verteidiger Martin Kretschmer von der Kanzlei Kretschmer&Schurz in Bonn. Bisher rechnen die Anwälte mit Gerichts-Terminen bis in den Januar. Völlig offen sei auch noch, ob Berger Hintermänner nennen werde. In den vergangenen Tagen waren die Erwartungen hochgeschnellt, dass Berger hochrangige Personen belasten könnte – bis hin zum Bundeskanzler.