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Bernd Ziesemer China entzweit Deutschlands Konzerne

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
BASF, Siemens, deutsche Mittelständler: Nie gab es in den Chefetagen so viel Diskussionen über die richtige China-Strategie wie heute

BASF-Chef Martin Brudermüller hat den Aufstand gegen seine China-Strategie gerade noch einmal plattgewalzt. Seine Hauptwidersacherin im Konzernvorstand fliegt raus, ihre Verbündeten (zum Beispiel im mächtigen Betriebsrat) ziehen nach einem halböffentlichen Kampf geschlagen vom Schlachtfeld und weitere Milliarden Euro fließen in die chinesischen Projekte zwischen Nanjing im Norden und Kanton im Süden. Und als mögliche Nachfolger für Brudermüller bringen sich Kandidaten ins Spiel, die genauso wie der brachiale Chef keine Kritik an der hochriskanten Strategie zulassen.

Der Machtkampf bei BASF sticht vielleicht besonders hervor – aber die Querelen in Ludwigshafen sind in diesen Monaten keineswegs die einzigen, wenn es in deutschen Chefetagen um den richtigen Umgang mit China geht. Nie wurde so viel debattiert, finassiert und neu austariert wie jetzt. Nach außen dringt dabei allerdings in der Regel nur wenig durch. Der Grund dafür ist so einfach wie bezeichnend: Die chinesische Staats- und Parteiführung bestraft jedes ausländische Unternehmen schon dann mit kleinlichen Schikanen und Auftragsentzug, wenn es auch nur laut über einen Rückzug nachdenkt.

Gerade im deutschen Mittelstand beobachtet man deshalb eine Art Doppeltaktik: Man dimmt das China-Engagement herunter, redet aber offiziell nach wie vor in leuchtenden Farben von dem Partnerland. Anders als die großen Konzerne, die im ständigen Licht der Öffentlichkeit stehen, müssen die kleineren Unternehmen ja nicht ständig über das reden, was sie in aller Welt so machen oder eben auch nicht machen.

Mehr Vorsicht gegenüber China

Einige Unternehmen wie Siemens gehen so vor: Sie distanzieren sich wortreich von einer „weitreichenden Entkopplung“, die jedoch eigentlich gar niemand vorschlägt. Auch nicht die harten China-Kritiker in der Bundesregierung oder im Europäischen Parlament. In Wahrheit geht es darum, ob man seine Projekte im Lichte der jüngsten geopolitischen Erfahrungen mit etwas mehr Vorsicht angeht, bei Investitionen nicht immer noch mehr Eier in denselben Korb legt und darauf achtet, sich nicht mehr als unbedingt notwendig von China abhängig zu machen. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass das bei Siemens durchaus geschieht (anders als bei BASF). Der Münchner Konzern gehört zu den deutschen Unternehmen, die still und leise mehr Aufmerksamkeit auf andere Märkte richten – zum Beispiel auf die USA. Die Kritik an der „Entkopplung“ dient nur als Haudrauf, um nicht ins Kreuzfeuer der Chinesen zu geraten.

Klar ist: Die Risiken des China-Geschäfts sind in den letzten fünf bis zehn Jahren massiv gestiegen. Staatschef Xi Jinping macht eine andere, aggressivere Politik als alle seine Vorgänger mit Ausnahme Maos. Die Frage eines möglichen Angriffs auf Taiwan kann man nicht mehr als ferne Spekulation oder Hirngespinst abtun. Die Konfrontation mit den USA wächst im Wochentakt. Chinas Führung unterstützt einen brutalen Krieg in der Mitte Europas und kann jederzeit unter westliche Sanktionen geraten.

Natürlich heißt das nicht, dass man in China keine Geschäfte mehr machen kann. Auch dort zu investieren, ist nicht falsch. Aber die Risikoabschätzung eines Konzerns muss all diese Faktoren viel stärker gewichten als in der Vergangenheit. Bei BASF kann keine Rede davon sein – in sehr vielen anderen deutschen Unternehmen aber sehr wohl.

Bernd Ziesemer

ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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