Der bisher größte Deal der Sportgeschichte bald über die Bühne gehen. Scheich Jassim bin Hamad Al Thani aus Katar will den Fußballklub Manchester United kaufen und hat ein offizielles Angebot vorgelegt. Wie viel Geld das vom Scheich geführte Konsortium bietet, ist nicht bekannt. Man werde zu „gegebener Zeit“, darüber informieren, heißt es. Doch der Kaufpreis dürfte würde den bisherigen Rekord für solche Geschäfte pulverisieren.
Den hält Robert Walton, einer der Erben des US-Einzelhandelsgiganten Walmart. Er zahlte im vergangenen Jahr umgerechnet 4,3 Mrd. Euro für das Football-Team Denver Broncos. Manchester United wird derzeit von der amerikanischen Glazer-Familie kontrolliert. Der Clan aus Florida ist in den USA im Immobiliengeschäft aktiv und über eine Investmentholding an mehreren Unternehmen beteiligt, darunter der Einzelhändler Radio Shack. Der Familie gehört auch der NFL-Klub Tampa Bay Buccaneers.
Dem Vernehmen nach verlangen die Glazers umgerechnet 5,6 Mrd. Euro für Manchester United. Jassim dürfte sowohl willens als auch in der Lage sein, diese Summe aufzubringen. Laut der Finanznachrichtenagentur „Bloomberg“ kann der Scheich auf nahezu unbegrenzte finanzielle Ressourcen zurückgreifen.
Jassim kommt aus der reichsten Familie Katars. Die Al Thanis sind seit rund 250 Jahren der mächtigste Stamm des Landes, sie regieren Katar seit der Unabhängigkeit von Großbritannien 1971 als absolute Monarchen. Jassim ist der Sohn eines ehemaligen Premierministers von Katar und der Bruder des derzeitigen Herrschers, dem Emir Tamim bin Hamad Al Thani. Der 44-jährige Jassim ist der Vorsitzende mehrerer Firmen, darunter mit QIB eine der größten Banken des Landes.
Bei der geplanten Übernahme von Manchester United hat er mindestens einen nicht zu unterschätzenden Konkurrenten: Jim Ratcliffe, einer der reichsten Männer Großbritanniens. Dem britischen Milliardär gehört das Petrochemie-Unternehmen Ineos, das er seit einigen Jahren auch zum Aufbau eines Sport-Imperiums nutzt. Er finanziert ein Radsport- und ein Segelteam, ihm gehören die Fußballclubs OGC Nizza aus Frankreich und FC Lausanne aus der Schweiz. Im vergangenen Jahr hatte Ratcliffe vergeblich versucht, den FC Chelsea zu übernehmen. Nun hat er die Red Devils im Visier.
Katar will gesehen werden
Die Glazers hatten den Verein 2005 für rund 890 Mio. Euro gekauft und an die Börse gebracht, kontrollieren ihn aber trotzdem. Die gegenwärtige Bewertung: 4 Mrd. Euro. United hat die Premier League aber seit 2013 nicht mehr gewonnen und seit 2017 keinen Titel mehr geholt. Derzeit liegt die Mannschaft auf dem dritten Platz. Bei den Fans sind die Glazers unbeliebt. Ratcliffe dagegen ist seit seiner Kindheit United-Fan und hat angekündigt, er wolle den Verein „wieder zur Nummer Eins der Welt zu machen“.
Die sich abzeichnende Bieterschlacht um den Traditionsklub ist der bisherige Höhepunkt einer Entwicklung, die vor mehreren Jahren begonnen hat. Fußballklubs aus beliebten Ligen – vor allem aus der englische Premier League – sind attraktiv für Investoren geworden. Früher haben Mäzene aus fußballerischer Leidenschaft Geld in Clubs gepumpt oder sich aus Eitelkeit ein teures Hobby geleistet. Mittlerweile ist Fußball zu einem globalen Business geworden. Die erfolgreichsten Vereine sind Marken mit weltweiter Strahlkraft. Nur ein Bruchteil der Fans ist auf dem heimischen Markt oder gar im Stadion zu finden. Die Anhänger sind über alle Zeitzonen verteilt und sorgen für hohe Einschaltquoten. Die lassen sich hervorragend monetarisieren. Es geht darum, Marken aufzupolieren und damit Geld zu verdienen – spätestens beim Weiterverkauf.
Es geht auch darum, Netzwerke auszuweiten und Einfluss zu gewinnen. Wohin diese Reise bisher gegangen ist, hat die Weltmeisterschaft in Katar gezeigt – ein Turnier im europäischen Winter in einem winzigen Land, das zwar keine Fußballtradition, aber durch große Gas-Vorkommen sehr viel Geld hat.
Katar mit seinen rund 2,7 Mio. Einwohnern, davon nur rund 300.000 Staatsbürger, nutzt den Fußball auch, um außenpolitisch Einfluss zu gewinnen. Zum einen setzen die Herrscher auf Sicherheitsgarantien durch die USA, indem es Stützpunkte bereitstellt. Zum anderen bauen sie sogenannte soft power auf. Oder wie es die Konrad-Adenauer-Stiftung im „Focus“ ausdrückte: „Wer gesehen wird und überall auf der Welt Freunde hat, kann nicht mal eben vom großen Nachbarn [Saudi-Arabien] verschluckt werden und von der Landkarte verschwinden.“ In der Katar-Krise von 2017 bis 2021 hatten arabische Länder angeführt von Saudi-Arabien versucht, den kleinen Wüstenstaat zu isolieren. Sie warfen Katar vor, Terrorismus zu finanzieren. Neben der großen Bedeutung auf dem Gas-Markt trug die nahende Weltmeisterschaft dazu bei, dass es Katars Gegnern nicht gelang, ihr Ziel zu erreichen.
Messi, Mbappé, Neymar
Über den Staatsfonds besitzt die vom Emir geführte Herrscherfamilie seit 2011 den französischen Klub Paris St. Germain. Dem Emir wurde auch Interesse an dem englischen Traditionsklub Manchester United mit seinem baufälligen Theater der Träume, dem Old Trafford Stadion, nachgesagt. Eine komplette Übernahme wäre jedoch wegen seines Investments bei PSG nach den UEFA-Vorschriften nicht erlaubt. Das Verbot würden die Katarer durch den Einstieg seines Bruders Jassim umgehen.
Bevor die Scheichs aus Katar in Paris einstiegen, dümpelte der Klub in der ersten französischen Liga vor sich hin. Mittlerweile dominiert er als Serienmeister Frankreichs Fußball und spielt jedes Jahr in der Champions League. Beim Kauf wurde der Verein mit etwa 100 Mio. Euro bewertet. Danach hat der Staatsfonds für mehr als eine Milliarde Euro Spieler gekauft - und etwa die Superstars Lionel Messi, Kylian Mbappé und Neymar spielen für den Klub. Das Wirtschaftsmagazin "Forbes" bewertet den Verein mit 3 Mrd. Euro. Damit hat sich das Geldausgeben durchaus gelohnt, auch wenn es PSG bisher nicht gelungen ist, die Champions League zu gewinnen.
Deutschland und die Bundesliga spielen in diesen globalen Dimensionen nur eine kleine Rolle - was auch daran liegt, dass hierzulande die 50+1 Regel Investoren die Machtübernahme in Klubs sehr schwer macht. Während hierzulande also zuletzt ein Geschäftsmann wie Lars Windhorst bei Hertha BSC für viel Gesprächsstoff bei ausbleibendem sportlichen Erfolg sorgte, spielen die Investoren vom Persischen Golf in einer völlig anderen Liga.
Ihr Vorgehen: Sie kaufen - vorzugsweise in einer international erfolgreichen und damit beliebten - Liga einen Klub. Hilfreich ist, wenn er viele Fans hat und ein legendäres Stadion besitzt – Old Trafford zum Beispiel. Dort haben in Heimspielen etwa George Best, David Beckham und Cristiano Ronaldo das Trikot von Manchester United getragen. Dann wird jede Menge Geld in den Verein gepumpt, um durch große Namen und sportlichen Erfolg dessen Wert zu steigern. Man United ist 20-maliger englischer Meister und damit ein besonderer Fall. Die englische Daily Mail bezeichnete den Klub als die „Kronjuwelen“ des Fußballs.
Derweil mischen bereits die Saudis im englischen Fußball mit. Der Staatsfonds hatte Newcastle United aus dem englischen Norden 2021 für umgerechnet 350 Mio. Euro gekauft. Damals schwebte er in Abstiegsgefahr. Nun hat der Verein die Qualifikation für die Champions League in Reichweite.
Funktioniert hat die Strategie auch bei Manchester City. Der Verein gehört mehrheitlich der Herrscherfamilie von Abu Dhabi. Bei der Übernahme befand sich City im Niemandsland der englischen Premier League. Wenige Jahre später wurde die Meisterschaft gefeiert, bislang folgten fünf weitere Meistertitel. Derzeit droht dem Klub allerdings Ärger; die englische Premier League ermittelt wegen zahlreicher Verstöße.
Wenn sich der Scheich aus Katar durchsetzt und Manchester United übernimmt, wird er auf reiche Konkurrenz stoßen. Am Sonntag findet das Finale im englischen Ligapokal statt. United trifft auf Newcastle, also Glazer-Familie gegen saudischen Staatsfonds.
Dieser Artikel ist zuerst auf ntv.de erschienen