Für die Schweiz kommt es im Zoll-Streit mit US-Präsident Donald noch schlimmer als gedacht: Nicht nur, dass die Verhandlungen für einen niedrigeren Zoll als 39 Prozent schiefgingen. Jetzt will die USA auch Zölle auf ein Produkt erheben, das für die Schweiz sehr wichtig ist: Gold.
Wie die „Financial Times“ berichtet, verhängen die Vereinigten Staaten Abgaben auf jedes importiere Kilo Gold. Die Zeitung verweist auf einen sogenannten Ruling Letter der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde vom 31. Juli, wonach auf Ein-Kilo- und 100-Unzen-Goldbarren Zoll anfällt. Ruling Letters werden von den USA genutzt, um ihre Handelspolitik zu präzisieren.
Für die Schweiz ist das ein harter Schlag, denn sie gilt als weltweit wichtiges Raffineriezentrum für Gold. Goldbarren mit einem Gewicht von einem Kilo machen demnach den Großteil der Schweizer Goldbarren-Exporte in die USA aus. Ein-Kilo-Barren sind außerdem die am häufigsten gehandelte Form am weltweit größten Gold-Terminmarkt Comex. Die Entscheidung könnte daher den globalen Edelmetallmarkt auf den Kopf stellen. Der Gold-Zoll werde es schwierig machen, die Nachfrage nach dem Edelmetall zu befriedigen, zitiert die „FT“ Christoph Wild, Präsident des Schweizerischen Verbandes der Edelmetallhändler und -verarbeiter.
Fifa-Chef Gianni Infantino soll Donald Trump besänftigen
Der zusätzliche Gold-Zoll trifft das Land in einem Schockmoment. Denn dass sich Trump auf keinen Nachlass des 39-prozentigen Zolls einlässt, erschüttert viele Schweizer bis ins Mark. Es ist der höchste Zollsatz in Europa überhaupt. Schokolade, Käse, Uhren, Maschinen, Gold – all das sind Waren, die die Schweiz in die USA exportiert und auf die der Zoll jetzt fällig wird. Mehrere Schweizer Politiker fordern deshalb laut „FT“ sogar, Fifa-Präsident Gianni Infantino einzuschalten, um Trump umzustimmen. Einige Wirtschaftsvertreter sollen sich demnach ebenfalls an Infantino gewandt und ihn um Hilfe gebeten haben.
Von einem Horrorszenario für die Schweiz ist die Rede, von Zehntausenden Arbeitsplätzen, die in Gefahr seien. Wenn an den 39 Prozent nicht mehr gerüttelt werden könne, sei das Exportgeschäft der Schweizer Tech-Industrie in die USA „faktisch tot“, schreibt der Verband Swissmem auf X. Damien Cottier, Abgeordneter der Freidemokraten, spricht von einer „Attacke gegen die Schweiz“.
Unterdessen kündigte die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter an, dass weiterverhandelt werde. „Unsere Wirtschaft hat schon viele Stürme durchstanden“, sagte sie. Gleichzeitig verwies sie auf die Unterstützung des Bundes für die Firmen, die durch den Wegfall von Aufträgen aus den USA Kurzarbeit einführen müssen.
Das Neun-Millionen-Einwohnerland lebt vom Export, die USA sind der wichtigste Markt mit einem Anteil von 18 Prozent im Jahr 2024. Der Wirtschaftsverband freute sich noch über den neuen Exportrekord 2024, die Handelsbilanz wies einen Überschuss von 66 Mrd. Franken aus. Ohne die USA sieht es allerdings ganz anders aus.
Schweizer Zauberwort: Neutralität
Die Schweiz fährt seit Jahrzehnten ihre eigene Strategie in der Weltpolitik: Neutralität heißt das Zauberwort. Möglichst unter dem Radar bleiben, sich mit allen gut stellen, nicht auffallen – das ist die Devise. Im Februar sagte der Historiker Sacha Zala noch, die Schweiz erhoffe sich von dieser Strategie auch, etwa von Strafzöllen verschont zu bleiben.
„Das kann bis zu einem gewissen Grad funktionieren“, sagte er im Sender SRF. Aber es sei „eine falsche Hoffnung zu denken: nur, weil man sich – in Anführungszeichen – gut benommen hat, wird man nicht bestraft“.
Schon seit dem russischen Krieg gegen die Ukraine gerät die Schweiz in rauere Fahrwasser. Erst nach einigem Zögern begann sie, die europäischen Sanktionen mitzutragen, sie verweigerte Verbündeten, bereits eingekaufte Schweizer Munition an die Ukraine weiterzuleiten. Bei der Suche nach russischen Oligarchengeldern war die Schweiz nach Ansicht von Kritikern nicht ehrgeizig genug.
Verhältnis zur EU: kompliziert
Für die Schweizer Sozialdemokraten ist aber klar, wo die Reise hingehen sollte: Richtung EU. „Es ist höchste Zeit, dass wir unsere Selbstüberschätzung ,wir allein gegen die ganze Welt' aufgeben und unseren Weg gemeinsam mit Europa gehen“, schrieb die Abgeordnete im Ständerat Franziska Roth auf Instagram. Die Wirtschaftsverbände verweisen darauf, dass die Konkurrenz aus der EU mit 15 Prozent US-Zöllen nun markante Wettbewerbsvorteile hat.
Der Wirtschaftsverband Economiesuisse ist für eine engere Kooperation mit der EU: „Wir sind aufgrund unserer geografischen Lage umgeben von EU-Staaten und haben deshalb ein großes Eigeninteresse, mit der EU in für uns relevanten Bereichen eng zusammenzuarbeiten“, schrieb er vor Veröffentlichung der US-Zölle.
Die Schweiz hat der EU in der Vergangenheit mehrmals Absagen erteilt. Als mühsam ausgehandelte bilaterale Verträge mit einem Rahmenvertrag aufgewertet werden sollten, verhandelte sie erst, um dann auf der Zielgeraden 2021 doch wieder abzuwinken. Gegen das neue Vertragswerk opponiert die stärkste Partei, die rechtsaußen angesiedelte SVP. Einer ihrer Vertreter in der Regierung, Wirtschaftsminister Guy Parmelin, empfahl Firmen, neue Absatzmärkte zu erschließen. Das könnte sich nun rächen.