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Fast Fashion Das ist das Erfolgsmodell vom Modeunternehmen Shein

Aufgeklappter Laptop mit der Shein-Webseite
Niedrige Preise und ständige Rabattaktionen sind nur ein Teil des Erfolgsrezepts von Shein
© IMAGO / Guido Schiefer / IMAGO
Das chinesische Unternehmen Shein könnte einen der größten Börsengänge der vergangenen Jahre hinlegen. Was ist das Geheimnis?

Wer den Onlineshop von Shein besucht, dem springen in rot, gelb und glitzer gleich mehrere Rabattaktionen entgegen: Gratisversand bei der ersten Bestellung, minus 30 Prozent bei Bestellungen ab 29 Euro, außerdem ist gerade „Sale-Saison“ und die „Biltzangebote“ gibt es sowieso immer. 

Weihnachtspullover sind aktuell ab unter 4 Euro verfügbar, ein Brautkleid gibt es im internationalen Shop sogar schon für 16 Dollar. Was beinahe unmöglich klingt, bedeutet für Influencer und ihre Follower massenhaften Konsum. Der Hashtag „Shein Haul“, also „Shein Ausbeute“, hat beim Sozialen Netzwerk Tiktok fast 14 Milliarden Aufrufe. Die Aufmerksamkeit durch Social Media ist ebenso wie ständige Rabattaktionen und niedrige Preise ein wichtiger Teil des Geschäftsmodells von Shein und trägt seit Jahren zu steigenden Umsätzen bei.

Nun soll das chinesische Modeunternehmen 2024 offenbar einen der größten Börsengänge der vergangenen Jahre hinlegen. Wie das „Wall Street Journal“ berichtet, ist bei der US-Börsenaufsicht SEC ein Antrag auf einen „vertraulichen Börsengang“ gestellt worden. Die Unterlagen bleiben also erst einmal unter Verschluss. Generell ist bisher wenig über das Unternehmen bekannt, die Intransparenz wird sogar oft kritisiert. Doch es gibt Hinweise, dass der Börsengang ein Erfolg werden könnte.

Produktion nach Bedarf ist ein Schlüssel für Sheins Erfolg

Die Shein Shopping App wurde im Google Play Store mehr als 500 Mio. Mal heruntergeladen.  Zum Vergleich: Bei H&M, Zalando und Zara ist es gerade mal ein Zehntel dessen. Und auch bei der Bewertung ist Shein den großen Modehändlern H&M und Zara wohl längst enteilt. Im Rahmen einer Investorenrunde im vergangenen Jahr wurde Shein laut „Forbes“ auf 100 Mrd. US-Dollar geschätzt, so viel wie Zara und H&M zusammen. Mit einer Marktkapitalisierung von 100 Mrd. Dollar rechnen Analysten nun auch für den geplanten Börsengang.

Dieser Erfolg hat vor allem damit zu tun, dass das Geschäftsmodell voll und ganz auf die Zielgruppe abgestimmt ist. Shein spricht vorwiegend die Generation Z an, die eher wenig Geld zur Verfügung hat, aber viel und schnell konsumiert. Die niedrigen Preise und Rabattaktionen sind daher zentral für das Modell. Rabatte seien sogar möglicherweise bereits eingepreist, weil sich ein Produkt so schneller verkaufen lasse, sagt Oliver Janz, Leiter des Studiengangs Fashionmanagement an der DHBW. 

Entscheidend ist aus seiner Sicht aber das schnell wechselnde Sortiment, gerade gegenüber Konkurrenten wie H&M und Zara. „Die restliche Modebranche hat Saisons und überlegt lange im Voraus, was in einigen Monaten im Trend sein könnte. Das wird dann entsprechend produziert“, sagt Janz. „Shein hat ein anderes Modell: Sie werfen regelmäßig neue Sachen auf den Markt, gucken, was gut läuft und produzieren dann weiter oder eben nicht.“ Shein könne sehr schnell produzieren. Wirtschaftlich bedeute diese Arbeitsweise vermutlich niedrige Abschriftenquoten, sagt Janz, ein großer Ertragshebel in der Modebranche.

Um zum richtigen Zeitpunkt genau das richtige Kleidungsstück zu produzieren, setzt das Unternehmen Künstliche Intelligenz ein. Ein Algorithmus analysiert Trends und erkennt konkret Produkte mit den größten wirtschaftlichen Erfolgschancen. Immer wieder führt das dazu, dass Designer Shein verklagen, weil es ihre Entwürfe geklaut haben soll. 

Shein macht Mode „auf Abruf“

Die Lieferungen von Shein gehen in 150 Länder weltweit, vor allem in die USA. Seinen Sitz hat das Unternehmen heute in Singapur, wurde aber von Chris Xu in China gegründet. Er ist inzwischen einer der reichsten Chinesen. 2012 ging es aus einem E-Commerce-Unternehmen und Onlinehandel für Hochzeitskleider hervor. Den großen Durchbruch für das Geschäft brachten die Lockdowns während der Coronapandemie. Von 2019 auf 2020 konnte Shein seinen Jahresumsatz verdreifachen, zuletzt lag er laut Marktforschungsunternehmen Daxue Consulting bei 30 Mrd. Dollar. 

Hinter Shein steht der Konzern Globalegrow E-Commerce aus dem chinesischen Shenzhen, der neben Mode unter anderem auch Elektronik, Uhren und Spielzeug anbietet. Dem Business-Netzwerk LinkedIn zufolge hat Shein mehr als 10.000 Mitarbeitende.

Kann Sheins Erfolgsmodell ins Wanken geraten?

Diese Ultra-Fast-Fashion sorgt immer wieder für Kritik. Zum einen aufgrund der Nachhaltigkeit, zum anderen aber auch wegen der Arbeitsbedingungen in der Produktion. Shein wird vorgeworfen, dass es bei den Zulieferern Zwangsarbeit gebe. So soll zum Beispiel Baumwolle verwendet worden sein, die von der in China verfolgten Minderheit der Uiguren gepflückt werden musste. Strengere Gesetze der EU, zum Beispiel was faire Bedingungen entlang der Lieferkette angeht, und eine größere Sorgfaltspflicht könnten es Shein in Zukunft schwerer machen, weiterhin so erfolgreich zu sein. Auch die Börsenaufsicht in den USA will Shein wegen dieser Vorwürfe nochmal genauer prüfen. Ernsthaft bremsen werde das aber kaum, sagt Modemanagement-Experte Janz. „Dann kostet ein T-Shirt vielleicht nicht mehr 4 Euro, sondern 6 Euro“, sagt er. „Aber wahrscheinlich werden auch andere Unternehmen dann ihre Preise erhöhen, sodass es wieder passt.“

Auch den Mangel an Nachhaltigkeit schätzt er nicht als große Gefahr für das Geschäftsmodell ein. Denn grundsätzlich sei der jungen Zielgruppe Nachhaltigkeit natürlich wichtig. „Aber wenn es um den Kauf geht, ist das ganz schnell vergessen“, sagt Janz. „Wir haben Untersuchungen gemacht, die zeigen, dass Nachhaltigkeit im Moment der Kaufentscheidung für die meisten in den Hintergrund rückt.“

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