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Aktien IPO-Herbst: Kaufen Sie bloß keine Börsenneulinge!

Die Mainzer Schott AG will ihre Pharmasparte an die Börse bringen
Die Mainzer Schott AG will ihre Pharmasparte an die Börse bringen
© IMAGO/Schöning
Der Spätsommer ist traditionell die Zeit der Börsengänge. Doch die Bilanz der meisten IPOs fällt katastrophal aus. Capital erklärt, wie man trotzdem vom Wachstum der wenigen Neulinge profitieren kann, die erfolgreich sind

Irgendwas mit Glas. So würden wohl die Menschen antworten, wenn man sie nach den Produkten von Schott Pharma fragt. Und ganz falsch ist das ja nicht: Tatsächlich dreht sich im 130 Jahre alten Mutterkonzern, der Schott AG aus Mainz, alles irgendwie um Glas. Aber wie passt eine Pharma-Sparte dazu? Keine Sorge, wer jetzt keine genaue Antwort weiß, wird sie schon Kürze bekommen. Denn Schott Pharma strebt an die Börse – und dann werden sonst eher verschlossene Konzernchefs meist überaus gesprächig.

Börsengänge folgen schließlich einer fein orchestrierten Kommunikationsstrategie. Weil die Firmen aus regulatorischen Gründen vor dem Initial Public Offering (IPO) nichts sagen dürfen, lassen PR-Berater beziehungsweise die den Börsengang begleitenden Banken bei ausgewählten Medien die Nachricht durchsickern. Im Fall von Schott Pharma wurde die Nachrichtenagentur Reuters aus Kreisen informiert, dass noch in diesem Monat ein IPO desjenigen Mainzer Unternehmens anstehe, das Verpackungen für Pharmaprodukte herstellt. In der zweiten Runde müssen dann – um ein Bild der Mainzer Fastnacht zu verwenden – in der Regel die Firmenchefs „in die Bütt“, also an die Öffentlichkeit. Sie bekommen Medientrainings, das Wording (also der Sprechzettel) wird erarbeitet und die sogenannte Equity Story, also die versprochene Wachstumsgeschichte, wird in Interviews und auf Investorenveranstaltungen unters Volk gebracht.

Das alles hat einen positiven Nebeneffekt – und zwar, dass man mehr über bislang verschwiegene Unternehmen lernen kann. Im Fall von Schott Pharma war jetzt zu erfahren, dass das Unternehmen pro Jahr 13 Milliarden Ampullen, Fläschchen und Spritzen aus Glas für die Pharmabranche herstellt. Doch die Equity Story hat einen tieferliegenden Zweck: Sie soll Anlegerinnen und Anlegern die berühmten Dollar-Zeichen in die Augen zaubern. Kommunikationsstrategen arbeiten daher oft mit Schlagworten, die für Wachstum stehen – zuletzt beispielsweise bevorzugt „Künstliche Intelligenz“. Das gilt auch bei anderen aktuellen Börsenkandidaten wie den Getriebebauer Renk („Aufrüstung“), den Chipdesigner ARM („iPhone-Zulieferer“) oder den Sandalenschuster Birkenstock („Promi-Mode“). Als Börsenkandidat gilt auch der im Besitz von Finanzinvestoren befindliche Datenanbieter Statista. Hier dürfte irgendwas mit „Big Data“ oder eben „Künstlicher Intelligenz“ die Equity Story werden.

Vieles am IPO ist also das Narrativ, die Wachstumsgeschichte. Und das erklärt auch, warum Börsengänge für Anlegerinnen und Anleger häufig eine Enttäuschung sind – gerade in Deutschland. Grosso Modo waren die Börsengänge von deutschen Firmen in den vergangenen zehn Jahren – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eine einzige Katastrophe, nicht wenige davon endeten quasi mit einem Totalverlust für diejenigen, die die Aktien zeichneten und bis heute hielten – Stand 11. September 2023. 

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