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Markenmoment Warum Birkenstock Betten verkauft

Marken müssen sich immer wieder neu erfinden. Der Sandalenhersteller Birkenstock verkauft jetzt teure Betten.

Die Leute beim österreichischen Möbelhersteller Ada glaubten, sie hören nicht richtig, als ihnen Birkenstock-Chef Oliver Reichert den Auftrag gab: Entwickelt mit uns ein Bett – und zwar „das beste, was ihr könnt“. Kosten? Zweitrangig. „Die haben das erst gar nicht verstanden, der Markt funktioniert ja vor allem über den Preis“, sagt Reichert, der nun das Ergebnis präsentieren kann: sechs Bettenmodelle, dazu Matratzen und Lattenroste. Das günstigste Schlafsystem der Sandalenfirma kostet 5000 Euro, das teuerste 12.000 Euro.

Mit dem Einstieg ins Bettengeschäft erweitert Reichert nicht nur die Marke, die seit fast 250 Jahren für Schuhe steht. Er fährt auch eine völlig andere Strategie als die Branche, die ihre Kunden gern mit Billigpreisen und Geld-zurück-Aktionen ködert. Eine „Diaspora“ nennt der Ex-Chef des Sportsenders DSF das Betten- und Matratzengeschäft: „Die meisten Leute achten erst auf Qualität, wenn sie schon einen Kreuzschaden haben.“ Als Reichert vor zwei Jahren für seine Kinder „die S-Klasse unter den Betten“ kaufen wollte, stellte er fest: Es gibt sie gar nicht.

Betten für 10.000 Euro

Die neue Capital erscheint am 16. Februar
Die aktuelle Capital

Natürlich seien die Preise für die Betten „ganz schön knackig“, gibt Reichert zu. „Aber die Leute kaufen sich Flachbildschirme für 2000 Euro. Wieso soll ein Bett, in dem ich ein Drittel meines Lebens verbringe, dann nicht 10.000 Euro kosten?“

Bei Betten will Reichert wiederholen, was das Familienunternehmen bei Schuhen geschafft hat: aus einem Alltagsgegenstand ein Gesundheitsprodukt machen – bei dem der Preis zweitrangig ist. Dafür holte er sich Rat von Ergonomieexperten. Die geschwungenen Lattenroste und Matratzen, die dem berühmten Fußbett der Sandale nachempfunden sind, sollen die Schlafposition stabilisieren. Verwendet werden Materialien wie in der Schuhproduktion: Naturlatex, Leder, Wollfilz und der für Birkenstock typische Kork.

Die Premiumstrategie kann sich Reichert auch leisten, weil das Stammgeschäft brummt. Noch vor wenigen Jahren bedrohte ein Familienkrach das Unternehmen. 2013 übernahmen Reichert und sein Co-Chef Markus Bensberg das Geschäft und machten aus den biederen Öko-Tretern eine hippe globale Marke, von der sogar die Modeikone „Vogue“ schwärmt. Seit vier Jahren sind die Schuhe ständig ausverkauft. 2016 setzte Birkenstock 20 Millionen Paar ab – doppelt so viele wie 2012.

Eine Marke dürfe nicht „zu ihrem eigenen Museumswärter“ werden, sagt Reichert. Nach den Betten, von denen er sich einen zweistelligen Millionenumsatz verspricht, kommt Mitte Februar gleich die nächste Erweiterung: eine eigene Naturkosmetiklinie mit Duschgele und Cremes ganz ohne Chemie. Später sollen noch Schreibtische und Bürostühle folgen. Dann soll die Marke alle Formen der menschlichen Aktivität abdecken: gehen, schlafen, sitzen.

Fünf bis zehn Jahre werde man damit gut zu tun haben, schätzt Reichert. Aber auch dann werde es weitergehen: „Mir wird ja schnell langweilig.“

Unternehmen: Das Familienunternehmen aus Neustadt/Wied, das für seine Ökoschuhe bekannt ist, wurde 1774 gegründet. Heute gehört es den Brüdern Christian und Alex Birkenstock. Beide entsenden jeweils einen familienfremden Manager in die Geschäftsführung. 2016 machte der Konzern mit 3800 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 500 Mio. Euro.

„Markenmoment“ erscheint jeden Monat in Capital. Weitere Folgen: Warum Freenet ins Digital-TV einsteigt, Warum Warsteiner auf alkoholfrei setzt, Warum die Schwalbe als E-Roller zurückkommt, Vileda - Putzroboter mit Ecken, Bussy-Wassereis für Erwachsene, Virtual Reality auf der Achterbahn, Porsche Design setzt auf seine Wurzeln, Wie Schleich Disney und Lego nacheifert, Warum Harley-Davidson auf Öko-Antrieb macht, Warum die Schokofirma Rausch den Handel meidet, Warum Berentzen Orangen verkauft, Wie Völkl Senioren auf die Piste bringen will und Warum Brandt ein neues Gesicht für seine Zwieback-Packungen sucht

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