Seit 1912 steht die Märkische Zwieback- und Keksfabrik C. & F. Brandt für Zwieback. 1929 wurde die Herstellung mechanisiert. Der – subventionierte – Umzug der Produktion aus Hagen ins thüringische Ohrdruf sorgte 2002 für Aufsehen. Die Gruppe macht mit 800 Mitarbeitern 175 Mio. Euro Umsatz.
Der Mann, der die Zukunft nach Hagen bringen soll, steckt sich gerade ein Stück Zwieback in den Mund, als er von der Vergangenheit eingeholt wird. Es ist ein sonniger Herbsttag. Christoph Brandt, blauer Anzug, gegelte Haare, sitzt am Tisch eines alten Fachwerkhauses und redet von der „Zukunft des Zwiebacks“. Seinem großen Plan. Dann fliegt plötzlich die Tür auf.
Die Vergangenheit ist 1,80 Meter groß, braungebrannt und gut gelaunt: Carl-Jürgen Brandt, 69, Firmenpatriarch. Christoph Brandt rutscht auf seinem Platz hin und her. So ein Generationswechsel müsse immer ein bisschen weh tun, verkündet Brandt Senior und lässt sich auf einen Stuhl fallen, als könne er damit die Zeit anhalten: „Die Jungs haben sich da ganz schön was eingebrockt.“
Knapp 40 Jahre hat Carl Jürgen Brandt die Firma geführt. Ein echtes Original, sagen sie in Hagen. Wie sein Zwieback. Im kommenden Jahr sollen Christoph und sein Bruder Carl-Heinz die Leitung übernehmen. Trotzdem dreht sich Hagen derzeit alles um einen anderen Namen: Michael. Pausbäckig, milchzähnig, strohblond, wie aus einem Astrid-Lindgren-Buch gefallen.
Weg vom Magen-Darm-Image

Seit 1983 lächelt das berühmte „Brandt-Kind“ von den Supermarktregalen – die längste Karriere, die je ein Gesicht auf einer Verpackung hingelegt hat. Vor kurzem hat Brandt ankündigt, das Zwiebackgesicht, das 95 Prozent aller Deutschen kennen, zu ersetzen. Zumindest vorübergehend. Warum? Michael passt nicht mehr so recht zum neuen Image.
Früher stand Zwieback für Diätkost und Fürsorge im Krankheitsfall. Aber damit lassen sich in Zeiten von Low-Carb immer weniger Packungen verkaufen. Pro Jahr schrumpft der Absatz um zwei Prozent. In Hagen will man deshalb weg vom Magen-Darm-Image und rein ins boomende Gebäckregal. Christoph Brandt sagt: „Die Marke muss jünger und genussiger werden.“
So gibt es seit kurzem Mini- Zwieback mit Heidelbeerglasur und Zwieback in Herzform, es gibt einen Werbespot, in dem ein schwules Pärchen gegen den Morgenstress anfuttert. Michael, ein blonder Wonneproppen, der heute fast 40 Jahre alt ist und als Informatiker im Ruhrgebiet lebt, wirkt da deplatziert.
Brandt plant ein Casting
Ein paar Minuten später steht Christoph Brandt vor einem gigantischen Plastikzwieback im ersten Stock des Fachwerkhauses. Hier oben hat man bei Brandt ein Museum eingerichtet. Es gibt Einspielfilmchen, Rührmaschinen und den alten Gründerschreibtisch aus Eiche, auf dem noch ein Aschenbecher samt angebrannter Zigarre liegt.
„Wir müssen beim neuen Gesicht sehr behutsam vorgehen“ , sagt Christoph Brandt und blickt ein wenig ratlos auf ein Zwei-Meter großes Plastikmesser, das sich ruckelnd durch die Attrappe kämpft.
In der Geschäftsführung ist man gewarnt. Als Ferrero das Gesicht auf der Kinderschokolade änderte, war im Internet die Hölle los. Es gab Drohanrufe und eine Petition. Brandt will deshalb zunächst ein Casting durchführen. Sieben verschiedene Kinder sollen auf der Packung landen. Am Ende entscheiden die Kunden.
Imagekampagne mit Nena
Dass man bei Brandt mit Veränderung so vorsichtig umgeht, hat gute Gründe. Als die Firma im Jahr 2001 die Fabrik nach Thüringen verlegte, liefen sie in Hagen Sturm. Wütende Einwohner organisierten einen Trauerzug quer durch die Stadt und legten einen Blumenkranz auf dem Grab der Firmengründer nieder. Die Botschaft: Brandt ist tot. „Mein Vater hat da immer noch dran zu knabbern“, sagt Christoph Brand und blickt aus dem Fenster auf die grauen Fassaden der Nachbarhäuser. Hagen ist ein Ort, der ihm manchmal vorkommt wie eine große Warnung. Die Stadt war einmal das Stahlwerk des Ruhrgebiets, aber das ist lange her. Heute ist die Agentur für Arbeit das höchste Gebäude in der Stadt.
Christoph Brandt sagt: „Hagen hat den Trend verpennt.“ Seinem Zwieback soll das nicht passieren. Als Werbefigur für die Imagekampagne wollte Brandt deshalb Lena Gercke, weil die jung und frisch ist und vor ein paar Jahren bei „Germanys Next Topmodel“ gewonnen hat. Doch der Werbeetat von rund 5 Mio. Euro reichte dafür nicht aus. Also wurde es Nena. Die ist zwar mittlerweile 55. Aber immerhin kommt sie aus Hagen.
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