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Traditionsmarke Birkenstock will an die Börse: Mit Latschen aufs Parkett

Birkenstock-Plakat: Traditionsmarke im Wandel
Birkenstock-Plakat: Traditionsmarke im Wandel
© IMAGO / snowfieldphotography
Mit Birkenstock dürfte bald eine urdeutsche Traditionsmarke an die Börse gehen. Längst werden die einstigen Ökotreter auch von Weltstars getragen. Aber reicht das, damit sich Birkenstock als Luxusmarke etablieren kann?

Jetzt auch noch Barbie. Als die Film-Blondine eines Morgens mit flachen Füßen aufwacht, tauscht sie ihre Pumps gegen bequemeres Schuhwerk aus. Statt in High Heels läuft Barbie nun in rosafarbenen Birkenstocks durch die Welt. Eine Trendsetterin ist Barbie damit allerdings nicht: Auch Stars wie die US-Schauspielerinnen Sarah Jessica Parker oder Kristen Stewart zeigen sich in den ikonischen Sandalen mit dem breiten Fußbett, die einst als plumpe Öko-Treter galten.

Und das Product Placement in der „Barbie“-Filmszene ist auch nur einer von zwei großen Auftritten der deutschen Marke auf der internationalen Bühne in kurzer Zeit: Der Hollywood-Nummer soll jetzt der Gang des Unternehmens an die New Yorker Börse folgen. Wie das „Handelsblatt“ berichtet, will Birkenstock den IPO noch diese Woche offiziell bekannt geben. In der Woche ab dem 9. Oktober sei der erste Handelstag geplant. Birkenstock könne mit mindestens 8 Mrd. Dollar bewertet werden.

Es wäre der vorläufige Höhepunkt einer wechselreichen Unternehmensgeschichte, die einst ganz beschaulich begann. Als Gründungsdatum der Marke gilt das Jahr 1774, in dem Johannes Birkenstock seine Schusterei eröffnete. Über hundert Jahre später erfand Konrad Birkenstock das charakteristische breite Fußbett mit Kork und ließ es patentieren. Über sechs Generationen befand sich das Unternehmen aus Linz am Rhein in Familienbesitz, bevor die Brüder Alexander und Christian Birkenstock 2021 eine Mehrheit von rund 65 Prozent an die Private-Equity-Gesellschaft L Catterton verkauften.

Umsatz in zehn Jahren verzehnfacht

L Catterton war 2016 entstanden, als sich das US-amerikanische Private-Equity-Unternehmen Catterton und der Private-Equity-Arm des Luxusgüterkonzerns LVMH des französischen Multimilliardärs Bernard Arnault zusammentaten, zu dem unter anderem Louis Vuitton, Moët & Chandon und Dior gehören. Weitere rund 20 Prozent der Birkenstock-Anteile hält Arnault über seine Investmentgesellschaft und Familienholding Financière Agache, weitere zehn bis 15 Prozent der Anteile sollen nun verkauft werden.

An der Spitze des Mittelständlers steht seit Ende 2012 Oliver Reichert als erster familienfremder CEO, die Gründerfamilie galt bei seinem Einstieg als zerstritten. Erst führte Reichert das Unternehmen gemeinsam mit Markus Bensberg, seit 2021 allein. Unter Reichert, einem ehemaligen Footballspieler und einstigen Chef des Sportsenders DSF (heute Sport1), gelang Birkenstock das Kunststück, die Hippieschlappen der 1970er dauerhaft in den Style-Mainstream zu bringen. 2012 lag der Umsatz noch bei gut 120 Mio. Euro, 2022 waren es schon rund 1,2 Mrd. Euro.

Birkenstock stellt heute außer Sandalen auch Sneaker, Betten und Naturkosmetik her. In Deutschland gibt es sechs Produktionsstandorte. Der neueste wurde gerade erst in Betrieb genommen: Anfang September lief die Produktion in einem neuen Werk in Pasewalk in Mecklenburg-Vorpommern an. Rund 120 Mio. Euro investierte Birkenstock in die Fabrik nahe der polnischen Grenze, in der vor allem Sandalen aus Kunststoff hergestellt werden sollen. 200 Menschen sind dort beschäftigt, 1000 sollen es noch werden. Sie sollen bis zu 6,4 Millionen Paar Schuhe pro Jahr fertigen.

Kate Moss in Birkenstocks am Strand

Die Modebranche entdeckte Birkenstocks schon deutlich früher als der Mainstream. So ließ das Magazin „The Face“ die damals 16-jährige Kate Moss schon 1990 an einem englischen Strand in den Sandalen fotografieren, es war die Zeit, in der sich die Mode zaghaft demokratisierte. Richtig cool wurden die Birkenstocks erst 2014, als die Designer Giambattista Valli und Celine die einstigen Jesus- oder Römerlatschen auf dem Laufsteg zeigten. Es begann eine große Renaissance.

Heute arbeitet das Traditionsunternehmen unter der Linie „Birkenstock 1774“ mit Edelmarken wie dem Schuhhersteller Manolo Blahnik zusammen, der durch die US-Serie „Sex and the City“ Kultstatus erlangte. Die quietschblauen oder pinken Sandalen kommen mit Kristallsteinen verziert daher – und dem gewohnt breiten Fußbett. Auch die Streetwear-Marke Supreme hätte gerne mit Birkenstock Schuhe herausgebracht – kassierte von CEO Reichert allerdings eine Abfuhr. Anders Dior: 2022 präsentierten Models auf dem Pariser Laufsteg Sandalen und Clogs, die aus einer Kooperation der französischen Edelmarke, die zu Arnaults Luxuskonzerns LVMH gehört, und Birkenstock entstanden waren. Birkenstock konnte so von Arnaults Netzwerk profitieren.

Der Einstieg des Luxusunternehmers Arnault als Mehrheitseigner hatte am Firmensitz in Linz am Rhein und anderswo große Hoffnungen geweckt, zumal der Unternehmenswert bei diesem Geschäft laut Berichten auf knapp 5 Mrd. Euro taxiert wurde. Birkenstock habe sich zu „einer der wenigen ikonischen Marken“ in der Schuhindustrie entwickelt, sagte Arnault damals. Könnte Birkenstock auf diese Weise und mit Arnaults Hilfe zu einem der wenigen deutschen Profiteure des globalen Luxusbooms werden?

Birkenstock wurde nie in LVMH integriert

Arnault hat Birkenstock nie in seinen globalen Luxuschampion LVMH integriert. In der Branche wird allerdings vermutet, dass Arnault seine Anteile im Zuge des Börsengangs noch ausbauen könnte. Die Tatsache, dass Arnault Birkenstock nun an die Börse schickt, anstatt sie in LVMH zu integrieren, könnte aber auch ein Hinweis sein, dass sich die Schuhfirma in den Augen des Franzosen nicht als würdig genug für das ganz große globale Luxusgeschäft erwiesen hat.

Birkenstock-Kreationen auf einer Modenschau in Paris 2017
Birkenstock-Kreationen auf einer Modenschau in Paris 2017
© IMAGO / Xinhua

Und um im Luxusmarkt mitspielen zu können, braucht eine Marke vor allem eines: Kapital. Das muss in die weltweite Distribution der Produkte fließen. Weil erfolgreichen Luxusmarken daran gelegen ist, den Zwischenhandel auszuschließen und die Preise zu kontrollieren (die gleichzeitig auch deutlich gesteigert werden), müssen sie viel Geld in die Hand nehmen, um eigene Ladenketten in bevorzugten Geschäftslagen hochzuziehen. Weiteres Geld müssen sie für das Marketing in die Hand nehmen, um das Begehren der Produkte zu steigern. Und damit der Umsatz die immensen Ausgaben rechtfertigt, muss eine erfolgreiche Luxusmarke permanent ihr Produktangebot ausweiten, ohne den Markenkern zu verraten.

All das sind nicht nur kostspielige, sondern auch schwierige Aufgaben. Und die gelingen in der Regel Luxuskonglomeraten wie LVMH besser als einem Einzelunternehmen. Nach Untersuchungen der Beratungsfirma Bain kontrollieren die Top 10 des globalen Luxussektors mehr als die Hälfte der Umsätze und mehr als 80 Prozent von Wachstum und Gewinn in diesem Markt. Für eine Marke wie Birkenstock wird es also auch mit Börsengeld nicht unbedingt einfach, hier zu bestehen.

Die Kunden juckt das alles wenig: Heute trägt US-Model und Fashion-Ikone Kendall Jenner Birkenstocks – mit einst verpönten Tennissocken.

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