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Bürgermeister zu BMW-Fabrik „Das Votum von Straßkirchen ist ein Signal für Bayern und Deutschland“

Ein Werbeplakat für die Ansiedelung einer BMW-Fabrik in Straßkirchen
In Straßkirchen kämpften zwei Bürgerinitiativen für und gegen eine BMW-Fabrik
© picture alliance/dpa | Armin Weigel
Der Streit über eine BMW-Fabrik im bayerischen Straßkirchen machte bundesweit Schlagzeilen. Nach dem Bürgerentscheid ist klar: Sie kann kommen. CSU-Bürgermeister Christian Hirtreiter erklärt, was das für seine Gemeinde bedeutet

Capital: Herr Hirtreiter, drei Viertel der 2800 Wahlberechtigten in Ihrer Gemeinde haben beim Bürgerentscheid am Wochenende für das BMW-Batteriemontagewerk gestimmt. Sind Sie zufrieden?
CHRISTIAN HIRTREITER: Ja, das Votum der Bürgerinnen und Bürger in Straßkirchen ist eindeutig. Wir haben eine sehr hohe Wahlbeteiligung gehabt und die Abstimmung ist klar und repräsentativ. Das heißt, das Genehmigungsverfahren zur Ansiedlung des BMW-Werks kann weiter fortgeführt werden. Und das ist, glaube ich, eine gute Entscheidung. Denn es geht hier nicht nur um Straßkirchen und den Nachbarort Irlbach. Es geht um den Wirtschaftsstandort Niederbayern, um den Heimatstandort Bayern mit den BMW-Werken in Regensburg, Dingolfing und München und um eine zukunftsfähige Balance zwischen Industrie und Landwirtschaft. Der Wohlstand hier in Niederbayern hängt stark von der Automobilindustrie ab.

Der Wohlstand in Ihrer Gemeinde dürfte mit einem BMW-Werk gesichert sein – es winken zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen von 5 bis 10 Mio. Euro.
Natürlich ist das BMW-Werk für unsere Einnahmenseite wichtig. Wir sind eine Kommune mit dem Status „Gemeinde mit besonderem Handlungsbedarf“, weil es Nachholbedarf in verschiedensten Bereichen gibt. Aber wir haben hier nicht nur die Steuereinnahmen im Fokus. Es geht neben der Sicherung von Wohlstand auch darum, Abwanderung zu verhindern. Mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von BMW wohnen in Straßkirchen und Irlbach, im näheren Umkreis von 20 Kilometern sind es 7500 Mitarbeiter. Wenn der Standort ins Ausland verlagert würde, zögen einige wohl weg. Kalkuliert man die Dienstleister und die Zuliefererbetriebe als Arbeitgeber noch mit ein, dann sieht man, welch wichtige Funktion die Automobilindustrie und im speziellen BMW bei uns in der Region und darüber hinaus haben. Deshalb ist das Votum von Straßkirchen ein Signal für ganz Bayern und für Deutschland.

Christian Hirtreiter (CSU), Erster Bürgermeister von Straßkirchen
Christian Hirtreiter (CSU), Erster Bürgermeister von Straßkirchen
© picture alliance/dpa | Armin Weigel

Was erhoffen Sie sich von der BMW-Ansiedlung?
Dass sich die Arbeitsmarktsituation hier bei uns in der Region nachhaltig gut entwickelt. BMW hat angekündigt, 50 Ausbildungsplätze mit Übernahmegarantie bei erfolgreichem Abschluss und duale Studienplätze anzubieten. Das ist für uns eine tolle Sache, weil wir den jungen Leuten eine Zukunftsperspektive schaffen können. Zumal gerade erst zwei Betriebe hier angekündigt haben, 570 Stellen zu streichen oder sie ins Ausland zu verlagern. Gerade dann sind wir froh, wenn wir Premiumunternehmen halten können.

Bei den Kritikern des Projekts klingt das aber anders. Sie fürchten mehr Lärm und Verkehr, weshalb sie als Bürgerinitiative gegen das BMW-Werk getrommelt haben.
Ja, es fehlt seit Jahrzehnten eine Umgehungsstraße, das ist ein Problem. Straßkirchen ist ja die Straße an der Kirche. Es ist ein Straßendorf, durch dessen Ortskern die B 8 führt. Hier rollt der Schwerlastverkehr, die Lkws werden permanent mehr. Unsere große Hoffnung ist, dass die Umgehungsstraße nun endlich kommt. Wir haben die Zusicherung vom bayerischen Verkehrsminister, dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird, diese dringend notwendige Ortsumfahrung von Straßkirchen schnellstmöglich zu bauen.

Ein Feld zwischen Irlbach und Straßkirchen
Streitpunkt: Für die BMW-Fabrik soll ein großes Maisfeld zwischen Straßkirchen und Irlbach plattgemacht werden
© picture alliance/dpa | Armin Weigel

Ein Kritikpunkt ist auch der enorme Flächenfraß: 105 Hektar Maisfeld sollen für das BMW-Werk zerstört werden.
Selbstverständlich ist alles eine Abwägung. Der Wert der Ackerflächen ist als sehr hoch zu schätzen. Die Bürgerinitiative argumentiert damit, dass die Landwirtschaft hier von besonderer Bedeutung ist. Wir sagen aber, dass der Wohlstand hier in Niederbayern nicht alleine mit der Landwirtschaft zu halten sein wird. Das Werk wird ja nicht morgen stehen. Wir sind am Anfang des Genehmigungsprozesses, bei dem die Umweltaspekte noch genau geprüft werden. Bei Bauvorhaben dieser Größenordnung gibt es klare Regeln. Und an die halten sich natürlich alle Beteiligten, insbesondere in Bayern. Wir sind ein Rechtsstaat und da kann sich jeder darauf verlassen, dass Fabriken nicht wie in anderen Bundesländern einfach irgendwohin gebaut werden.

Sie spielen auf Tesla in Brandenburg an? Dort soll es Ungereimtheiten wegen fehlender Genehmigungen gegeben haben.
Zum Beispiel. Wir dagegen werden hier keine Batteriezellen fertigen, sondern Batterien zusammenbauen, und das soll höchsten Ansprüchen im Hinblick auf Nachhaltigkeit entsprechen.

Trotzdem haben Sie sich für die nächsten Jahre eine Großbaustelle vor die Nase geholt. Muss man das aushalten, wenn man bei der Transformation der Wirtschaft aktiv mitmachen will?
Ja, es ist ein politischer Wille, dass der Verbrennungsmotor abgeschafft wird. Die Industrie muss sich darauf einstellen und wir wollen ja unsere heimische Industrie halten.

Was hat der Streit zwischen Befürwortern und Gegnern in Ihrer Gemeinde angerichtet?
Wir haben das Ergebnis im Rathaus verkündet. Ich habe den Vertreterinnen und Anhängern der beiden Bürgerinitiativen, die für und gegen das BMW-Werk geworben haben, gesagt, sie sollen die Zukunft bei aller Verschiedenheit der Ansichten gemeinsam gestalten. Wir wollen ja gut miteinander leben. Allen in der Gemeinde ist das wichtig, den Vertretern aus Politik und den Vereinen sowie Ortsverbänden und ortsansässigen Unternehmen. Es ist wichtig, dass wir uns weiterhin persönlich treffen und miteinander reden können. Der Meinungsaustausch, der über die letzten Monate sehr intensiv war, gehört zur Demokratie dazu.

Hat es einen Riss in der Gemeinde hinterlassen?
Nein. Ich kann nur sagen, der Abstimmungsabend war in einer Atmosphäre, wo man aus demokratischer Sicht sagen kann: Wir alle sind Gewinner. Die Wahlbeteiligung war sehr, sehr hoch und das wiederum zeigt, dass wir hier eine aktive Bürgergesellschaft haben, in der sich Bürger für oder gegen etwas engagieren. Das ist Meinungsbildung, und die gehört zu demokratischen Verfahren dazu.

Glauben Sie, dass jetzt wieder Ruhe einkehrt in Straßkirchen?
Ich gehe fest davon aus. Schon am Wahlabend haben die Befürworter und die Kritiker der Ansiedlung mit einem Handschlag den ersten Schritt aufeinander zugemacht, das zeigt Größe und Vernunft.

Wenn Sie auf die Transformation der Wirtschaft in ganz Deutschland schauen – kann man etwas von Straßkirchen lernen?
Ich glaube, eine Gemeinde mit 3500 Einwohnern ist nicht geeignet, um zu sagen, dass wir die Blaupause für Deutschland werden. Aber wenn man den Wandel weg vom Verbrenner hin zu Elektro will, dann darf man natürlich auch nicht davor zurückschrecken, wenn ein Werk in der eigenen Gemeinde gebaut werden soll. Es kommt immer auf die Balance an zwischen Industrie und Landwirtschaft. Der Fortschritt und die Transformation der Autoindustrie sind notwendig, die Landwirtschaft ist es auch. Man muss den konkreten Fall abwägen, sich entscheiden und dann machen. Ich jedenfalls bin froh, dass das Werk jetzt kommen kann.

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