Eine lange Kolonne schwarzer Limousinen überquerte gestern Mittag das BASF-Werksgelände in Brandenburg und hielt neben einem weißen Festzelt. Der Vizepräsident der EU-Kommission Maroš Šefčovič, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke – sie alle kamen zur Einweihung der neuen Fabrik für Kathodenmaterial in Schwarzheide und betonten die strategische Bedeutung des Projekts für die Region, für Deutschland, für die EU.
Die Anlage in der Lausitz ist die erste Produktionsanlage für Kathodenmaterial in Deutschland und die zweite in Europa. Der belgische Konzern Umicore hatte im vergangenen Jahr das erste Werk im polnischen Nysa eingeweiht. Nach dem zweijährigen Bau läuft in Schwarzheide ab sofort die Produktion für eine Bemusterung bei Kunden; ab 2025 soll die Massenproduktion beginnen. Dann sollen Vorprodukte aus einer weiteren neuen Anlage am BASF-Standort Harjavalta in Finnland verwendet werden. Beide Anlagen werden mit Beihilfen im Rahmen der Important Projects of Common European Interest (IPCEI) gefördert.
In Schwarzheide könnten jährlich Materialien für Lithium-Ionen-Batterien für etwa 400.000 elektrische Fahrzeuge produziert werden. Für mehrere Jahre sei das Produkt bereits ausverkauft, hieß es während der Veranstaltung. Auch aus Gründen der Nähe zu Kunden habe BASF sich für den Standort Schwarzheide entschieden. Wer diese seien, könne jedoch aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht genannt werden. In Brandenburg entsteht zurzeit ein Industrie-Cluster für die gesamte Wertschöpfungskette von Batterien.
CO₂-Fußabdruck für Batterien und E-Fahrzeuge senken
„Das Kathodenmaterial ist entscheidend für fast alle Eigenschaften einer Automobilbatterie“, erklärte Peter Schuhmacher, Leiter des Unternehmensbereichs Battery Materials bei BASF. Dazu gehörten etwa die Sicherheit und die Energiedichte und Reichweite des Fahrzeuges. Vor allem aber habe es einen enormen Einfluss auf den CO₂-Fußabdruck bei der Herstellung von Elektrofahrzeugen. „Wenn wir nicht wollen, dass bei der Transformation vom Verbrennungsmotor zu Elektromobilität der CO₂-Fußabdruck einfach nur vom Auspuff des Verbrenners in die Herstellungskette der Batteriematerialien verschoben wird, müssen wir beim Kathodenmaterial ansetzen“, sagte er.
BASF hat sich Netto-Null-Emissionen bis 2050 als Ziel gesetzt. Den Strom für die Produktion am Standort Schwarzheide bezieht das Unternehmen mittlerweile zu zehn Prozent aus einem eigenen Solarpark auf dem Werksgelände.
Am selben Standort baut BASF zurzeit auch eine Recyclinganlage für Batterien zur Herstellung von schwarzer Masse. Der Fokus liege hier auf einer besonders nachhaltigen Produktion durch die Integration von Erneuerbaren Energien am Standort und einer hohen Energieeffizienz, erklärte der Konzern. Bis Ende 2023 sollen hier Verfahren entwickelt werden, um eine höhere Rückgewinnung von Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan aus ausgedienten Lithium-Ionen-Batterien zu erreichen. Gleichzeitig können dann auch Metalle aus Produktionsausschuss von Zellherstellern und Herstellern von Batteriematerialien recycelt werden.
„Europa riskiert, Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren“
Der Europäische Rechnungshof hatte erst vergangene Woche in einem Sonderbericht auf die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der EU-Batterieindustrie hingewiesen. Im globalen Maßstab werden nur 7 Prozent der Batterien in der EU produziert; China ist laut dem Rechnungshof mit 76 Prozent der weltweiten Kapazität weiterhin der größte Hersteller.
Die Produktion in der EU wachse zwar derzeit so schnell, dass sie durchaus 2025 die eigene Nachfrage decken könnte. Doch die Prognosen für 2030 sind laut den Prüfern des Rechnungshofs höchst hypothetisch, da externe Faktoren die Investitionspläne privater Unternehmen noch umkehren könnten: Die ohnehin schon hohen EU-Batteriepreise könnten durch die Energiekosten und die schwankenden Rohstoffpreise noch mehr ansteigen. Dazu kommen massive Subventionsprogramme in anderen Weltregionen wie den USA.
Dies beklagte gestern auch Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender von BASF. Mit dem Inflation Reduction Act geben die USA ihrer Industrie Rückenwind, sagte er. „Solch eine Art von Förderung spielt eine wichtige Rolle bei Investitionsentscheidungen bei unseren Kunden, aber auch bei uns.“ Europa riskiere stattdessen aufgrund der „Flut an Regulierungen“ des Green Deal, seine Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren.
Kritik an BASF-Investitionen in China
Brudermüller war zuletzt wegen massiver Investitionen in den BASF-Standort Zhanjiang in China kritisiert worden. Gestern betonte er, die Batterie-Anlagen in Schwarzheide „unterstreichen, dass wir als BASF an die Zukunft der chemischen Industrie in Europa und in Deutschland glauben und in innovative Produkte und Dienstleistungen für unsere Kunden in unserem Heimatmarkt investieren“. Damit produziert BASF nun Batteriematerialien auf allen drei Kernmärkten: in Asien, Nordamerika und Europa.
EU-Kommissar Maroš Šefčovič ist zuversichtlich: Im vergangenen Jahr habe die EU bei den Investitionen in Batterietechnik bereits China überholt, sagte er kürzlich der „Welt am Sonntag“. Über die Europäische Batterie-Allianz sei es gelungen, 180 Milliarden Euro an privaten Investitionen in den europäischen Batteriesektor zu holen, dreieinhalbmal mehr als in China, sagte er gestern in Schwarzheide.
Industrie, Wissenschaft, EU-Kommission und Mitgliedstaaten hatten 2017 die Europäische Batterie-Allianz gegründet. Sie zählt über 800 Mitglieder, neben BASF auch BMW, Volkswagen, Bosch und Siemens. Das Ziel: eine starke europäische Batterieindustrie mit einem jährlichen Marktwert von 250 Milliarden Euro ab 2025. Die Plattform wird von der Europäischen Investitionsbank (EIB) gefördert.
Massive Förderung, fehlender Überblick
Auch durch zwei Förderprogramme für IPCEI wird die Batterie-Branche unterstützt. Insgesamt nehmen über fünfzig Unternehmen aus zwölf Mitgliedstaaten daran teil, darunter 13 Unternehmen aus Deutschland. Die EU-Mitgliedstaaten haben insgesamt Beihilfen in Höhe von sechs Milliarden Euro gezahlt, unter der Bedingung, dass weitere 14 Milliarden Euro von privaten Investoren kommen. Anfang des Jahres hatte das Bundeswirtschaftsministerium angekündigt, das von Deutschland koordinierte zweite Batterie-IPCEI zu erweitern und Beihilfen in Höhe von einer Milliarde Euro für weitere strategische Großprojekte zu zahlen.
Auch das nun in Betrieb genommene Werk in Schwarzheide profitierte: 550 Millionen Euro hat der Bau der Anlage gekostet, 175 Millionen davon haben im Rahmen des ersten Batterie-IPCEI der Bund und das Land Brandenburg zu 70 beziehungsweise 30 Prozent übernommen. Den Rest investierte BASF selbst.
Der Europäische Rechnungshof bewertet die Bereitstellung von Finanzmitteln in der EU in seinem Bericht positiv. Allerdings fehle der Kommission der Überblick über die verschiedenen Finanzströme. Dadurch sei es schwierig, die Finanzierung richtig zu koordinieren und gezielt einzusetzen. Hinzu kommt laut dem Bericht, dass die Regeln für die einzelnen Finanzierungsströme so weit gefasst seien, dass es zu Überschneidungen kommen könne. Die Mittel seien zudem ungleich verteilt: 83 Prozent der genehmigten staatlichen Beihilfen entfielen auf Deutschland, Frankreich und Italien.