Christian Kirchner ist Frankfurt-Korrespondent von Capital. Er schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Geldanlagethemen. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen
Kein anderes Thema hat die Handelsblatt-Tagung „Banken im Umbruch“ derart geprägt wie die Nachricht über den vorsichtigen Austausch zwischen den Spitzen der Commerzbank und der Deutschen Bank über eine mögliche Fusion - ein Austausch, der dann ergebnislos auf Eis geschoben wurde.
Das ist gut für die Aktionäre beider Institute und auch die Steuerzahler, selbst wenn man die Frage außen vor lässt, ob eine solche Fusion politisch und kartellrechtlich überhaupt möglich wäre. Auf dem Papier könnte ein Zusammenschluss betriebswirtschaftlich vielleicht sogar sinnvoll sein, auch wenn selbst daran Zweifel angebracht sind: Haben nicht gerade große Institute Probleme mit Kosten und Profitabilität? Sind nicht die beiden großen Bankenfusionen beziehungsweise Übernahmen der letzten zehn Jahre – Deutsche Bank und Postbank, Commerzbank und Dresdner Bank – glatt in die Hose gegangen? Wollten wir nicht kleinere statt größere Banken, um weniger erpressbar zu sein?
Doch in der Praxis würde ein solcher Zusammenschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit vor allem daran scheitern, dass weder Mitarbeiter noch Kunden weitere zwei oder mehr Jahre mit den mit einer Fusion verbundenen Kleinkriegen durchstehen würden, ohne dass es zu großen Reibungsverlusten käme. Und die sind bei Verschmelzungen unvermeidlich, obschon doch interne Umstrukturierungen, Personalwechsel, Filialzusammenlegungen und Kompetenzgerangel die tägliche Arbeit in den krisengeschüttelten Instituten schon seit Jahren lähmen – und Teil des Problems, nicht Teil der Lösung sind.
Cryan zeigt mit dem Finger auf andere
Kurzfristig ist es für alle Beteiligten sogar hilfreich, dass die Gespräche – gewiss nicht ganz zufällig – ruchbar wurden. Es macht einen guten Eindruck unter Investoren, dass offenbar in beiden Unternehmen keine Denkverbote herrschen, den dramatisch unter die Räder gekommenen Börsenwert wieder zu erhöhen. Entsprechend positiv fiel auch die Reaktion an den Börsen aus, um je rund acht Prozent nach oben ging es für die Aktien der Commerzbank und Deutsche Bank binnen zwei Tagen. Und – ob Zufall oder nicht – auch in Sachen Kurs-Buchwert-Verhältnis spielen beide Institute inzwischen in der gleichen Liga: Sie werden jeweils nur noch mit knapp 30 Prozent ihrer Vermögenswerte an der Börse bewertet.
Langfristig hielten aber die Reden von und Interviews mit den Vorstandsvorsitzenden auf der Bühne keine allzu guten Nachrichten bereit, was den Zustand der Institute angeht. Deutsche-Bank-Chef John Cryan erhöhte den verbalen Druck auf die Europäische Zentralbank, diese mache mit ihrer Geldpolitik derzeit mehr kaputt, als dass sie nütze. Er schilderte den harten Wettbewerb im deutschen Bankenmarkt, in dem es zu viele Institute gebe. Zudem forderte er die Bankenaufseher auf, mehr dafür zu tun, damit Investoren wieder Vertrauen in die Banken fassen. Ansonsten drohe Regulierung prozyklisch zu werden: Banken fehlt genau in dem Moment Kapital, wenn sie es am dringendsten benötigen.
All dies mögen valide Punkte sein, das Abarbeiten an externen Faktoren, die auch Cryan kaum wird ändern können, passt jedoch nicht ganz zum Image des internen „Aufräumers“, der nun, nach über einem Jahr im Amt, allmählich auch erste Ergebnisse liefern muss, vor allem auf der Kostenseite.
Wo bleibt die Technologie- und Produktschlacht?
Commerzbank-Chef Martin Zielke wiederum machte gleich zu Beginn seiner Rede deutlich, dass es von ihm keine Neuigkeiten zur künftigen Strategie der Commerzbank geben werde – um dann aber um so offensiver den bisherigen Weg der Commerzbank zu verteidigen, nämlich Bankgeschäfte weiter digital wie in Filialen anzubieten. Auch angesichts seiner bewusst gewählten Rhetorik eines „brutalen, schnellen und radikalen Umbruchs“ im Bankgeschäft steigt die Fallhöhe bei der Frage, wie Zielke sein Institut strategisch durch eben jenen Umbruch schiffen will.
Überhaupt greift gerade unter vielen Banken ein merkwürdiges Phänomen um sich: Das Thema Digitalisierung und Fintechs muss augenscheinlich nicht nur operativ, sondern auch – und praktischerweise ist das für weit weniger Geld möglich - kommunikativ besetzt werden, um das eigene Institut als möglichst fortschrittlich dastehen zu lassen. Minutenlang geht es dann in den knappen Redezeiten darum, was „da draußen“ gerade los sei, der Wandel, die Konkurrenz, die neuen Fintechs, und überhaupt, der mobile und agile Kunde, für dessen Wünsche man bestens aufgestellt sei.
Gefragt wäre eigentlich eine Technologie- und Produktschlacht, dann wäre womöglich auch die Zahlungsbereitschaft auf Seiten der Kunden höher. Die Technologieangebote von Banken in vielen Schwellenländern sind fortschrittlicher als das, was in deutschen Banken derzeit Kunden „von der Stange“ präsentiert wird.
Stattdessen scheinen manche Banken lieber eine Kommunikationsschlacht führen zu wollen, wer sich hier als selbstkritischer, industriekritischer und digitaler präsentiert. Auch das schafft Fallhöhe – und zwar für die künftigen Umsätze und Gewinne. Aber eine solche Kommunikationsschlacht gleitet ins Lächerliche ab, solange sich manche Bank-CEOs weiter die Tasche von ihrem Assistenten hinterher tragen lassen.
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