Ein Sieg von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei den Wahlen ist für die Märkte kein Selbstläufer mehr – was Inbestoren dazu veranlasst sich abzusichern. Der Renditeaufschlag französischer Staatsanleihen ist inzwischen so hoch wie seit 2020 nicht mehr. Der Leitindex der Pariser Börse schloss am Dienstag schwächer als seine europäischen Pendants. Ein umfassenderes Risiko zeigte sich darin, dass Optionen, die gegen einen Verfall des Euro in der nächsten Woche schützen, vor der ersten Runde der französischen Wahl am Sonntag auf den höchsten Stand seit dem 15. März stiegen.

Umfragen zeigen, dass Präsident Macron die erste Runde gewinnen wird, um dann zwei Wochen später in der zweiten Runde gegen Marine Le Pen vom Rassemblement National anzutreten. Die Wahrscheinlichkeit eines Sieges über die Rechtspopulistin sind über die Zeit stark gesunken. Eine Umfrage vom Dienstag zeigte, dass Macron in der Stichwahl mit 53 zu 47 Prozent gegen Le Pen gewinnen würde. Vor einem Monat betrug der Abstand noch 60 zu 40 Prozent.
„Es gab jetzt einen kleinen Weckruf, da Macrons nur sehr Vorsprung ist. Händler werden sich auf das Risiko eines knapperen Sieges oder sogar einer Niederlage Macrons positionieren“, sagte Jefferies-Stratege Mohit Kumar. „Die Wahl hatten nicht viele wirklich auf dem Radar, zumal Le Pen offenbar erst seit kurzem stark an Boden gewinnt.“
Es ist zwar nicht ganz klar, was Le Pen für Europa bedeuten würde, da sie von ihrer Rhetorik über den Austritt aus dem Euro Abstand genommen hat, aber es wäre auf jeden Fall ein Kurswechsel in der französischen Politik. Das veranlasst Händler, sich gegen das Unbekannte abzusichern.
Institutionelle und Hedgefonds gehen nach Angaben von Händlern kein Risiko ein und setzen auf einen Rückgang des Euro. Die Gemeinschaftswährung fiel am Dienstag den vierten Tag in Folge, um 0,5 Prozent auf 1,0920 Dollar, und Strategen von Barclays prognostizieren einen weiteren Rückgang auf 1,08 Dollar.
Die Rendite zehnjähriger französischer Staatsanleihen hat den höchsten Stand seit September 2015 erreicht. Am Dienstag kletterte sie um 16 Basispunkte, am heutigen Mittwoch ging es im frühen Handel weitere drei Basispunkte aufwärts.
Anleihen aus der europäischen Peripherie wie Italien und Portugal brachen am Dienstag ebenfalls ein. Diese würden „besonders empfindlich“ auf einen Sieg von Le Pen reagieren, so Sphia Salim, Leiterin der europäischen Zinsstrategie bei der Bank of America. Das Ende der Unterstützung durch die Ankäufe von Vermögenswerten durch die Europäische Zentralbank führe zu größeren Bewegungen, sagte sie.
Bei den Aktien fiel der CAC 40-Index am Dienstag um 1,3 Prozent und übertraf damit den 0,8-prozentigen Rückgang des Euro Stoxx 50-Index für die gesamte Region. Aktien, die stark von der französischen Wirtschaft abhängig sind, wie Airbus, Société Générale und BNP Paribas, gehörten zu den größten Nachzüglern.
Eine deutliche Spread-Ausweitung bei den französischen Anleiherenditen wäre sowohl für Vermögensverwalter als auch für Versicherungsunternehmen „eindeutig negativ“, sagte Stephane Monier, Chief Investment Officer bei der Banque Lombard Odier & Cie.
Der Aktienkurs des Bau- und Mautstraßenbetreibers Vinci brach ebenfalls ein. Le Pen hat versprochen, im Falle ihrer Wahl die Autobahnen wieder zu verstaatlichen. Während der Präsidentschaft des wirtschaftsfreundlichen Macron haben französische Aktien insgesamt eine bessere Performance gezeigt.

Die französische Politik war für Händler, die sich mehr auf die allgemeinen geopolitischen Auswirkungen des russischen Einmarsches in der Ukraine und die Auswirkungen der steigenden Rohstoffpreise auf die Politik der Zentralbanken konzentrierten, auf der Rangordnung nach unten gerutscht. Viele Anleger halten einen möglichen Sieg Macrons immer noch für ein Basisszenario, das jegliche Risikoprämien kurzlebig machen würde.
Da Le Pen jedoch die Lebenshaltungskostenkrise zu einem Kerninhalt ihrer Kampagne gemacht hat, sind die Mitglieder von Macrons Team vorsichtig. Der Amtsinhaber warnte seine Anhänger auf einer Kundgebung am vergangenen Wochenende, dass politische Überraschungen möglich seien, und verwies auf das Votum Großbritanniens für den Austritt aus der Europäischen Union.
„Ein Überraschungssieg ist immer noch möglich. Was aber, wenn Le Pen gewählt wird? Die Auswirkungen könnten erheblich sein, da der Markt dieses Ergebnis derzeit nicht einpreist“, sagte Marco Bonaviri, Leiter der Devisenabteilung und Senior Portfolio Manager bei Reyl & Cie. „Wir könnten erleben, dass der Euro auf breiter Front abwertet, dass sich die Spreads der Staatsanleihen der Peripherie ausweiten und dass die Aktien der Eurozone im Vergleich zu US-Aktien schlechter abschneiden.“
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