Ende 2000 macht sich in den Büros der Unternehmensberatung Arthur D. Little Angst breit. Der Grund ist ein geplanter Börsengang: Weltweit haben ADL-Mitarbeiter für Aktien der Unternehmenstochter C-Quential geworben – doch weil nun die Dotcomblase platzt, interessiert sich kaum jemand für die Papiere. Anfang Januar sickert die Horrornachricht durch die Unternehmenshierarchien, bis auch dem Letzten schwant: Aus dem Börsengang wird nichts. Kurz darauf wird er abgeblasen. Statt wie geplant gut 150 Mio. US-Dollar zu erlösen, sitzen die ADL-Berater damit auf 55 Mio. Dollar neuen Schulden.
Schon zum zweiten Mal wird dem Traditionsunternehmen beim C-Quential-Desaster das Parkett zum Verhängnis. Ende der 80er-Jahre hatten die Partner der börsennotierten Beratung einen Übernahmeversuch abgewehrt, indem sie eigene Aktien aufkauften – und sich dabei hoch verschuldeten. Angebahnt hatte sich der Niedergang allerdings schon in den Vorjahren, als Konkurrenten wie McKinsey Marktanteile eroberten, während ADL keine rechte Wachstumsstrategie fand.
Dabei lag eine große Zeit hinter den Bostonern. Ins Leben gerufen wurde die weltweit erste Unternehmensberatung 1886 – als Labor, in dem die Gründer importierte Chemikalien und Pharmazeutika prüften. Erst kam ein Forschungsbereich hinzu, später eine Management- und eine Umweltberatung. Für Kodak entwickelte ADL den ersten feuerfesten Kinofilm, beim Apollo-Programm halfen die Berater der NASA, Menschen auf den Mond zu schießen, und als vor Alaska der Öltanker „Exxon Valdez“ sank, managte ADL die Aufräumarbeiten. Mit Tausenden von Angestellten und Büros in Asien, Europa und Amerika ist die älteste Beratung der Welt damals zugleich die größte.
Den Abstieg will 2000 ADL-Chef Lorenzo Lamadrid abwenden, indem er hochprofitable Sparten an die Börse bringt. Doch mit C-Quential ist er viel zu spät dran – die New-Economy-Ära ist schon fast Geschichte.
2002 kauft der US-Hedgefonds Cerberus das verschuldete Unternehmen. Unter dem Neueigentümer wird ADL filetiert. Zwei Monate später geht die klassische Managementsparte inklusive des großen Namens an den französischen Wettbewerber Altran – von dem die ADL-Partner ihr Unternehmen erst zehn Jahre später wieder zurückkaufen können.
Hauptperson
Lorenzo Lamadrid studierte an den Eliteunis Harvard und Yale. Er arbeitete viele Jahre als Manager bei General Electric, bevor er 1999 zum Chef von Arthur D. Little aufstieg. Die Mitarbeiter setzten große Hoffnungen in Lamadrid, er galt als offen und zugänglich. Trotzdem fehlte ihm das richtige Händchen, sein gescheiterter Börsengang stürzte ADL endgültig in den Abgrund. Kurz nach der Blamage musste der gebürtige Kubaner ADL 2001 wieder verlassen.