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„The Trade Trap“ Eine neue Idee von Handel: So liest sich das Buch von Springer-CEO Döpfner

Mathias Döpfner leitet seit 2022 den Axel-Springer-Konzern
Mathias Döpfner leitet seit 2022 den Axel-Springer-Konzern
© Kay Nietfeld / Picture Alliance / dpa
Mathias Döpfner, Chef des Axel-Springer-Verlags, hat ein Buch geschrieben, in dem er einen Welthandel ohne Autokratien fordert. Dafür liefert er überzeugende Argumente, findet die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig – trotzdem habe das Werk einige blinde Flecken

Der Hintergrund, vor dem Springer-Chef Mathias Döpfner sein Buch „The Trade Trap“ verfasst hat, ist klar: der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine – und die damit zusammenhängende Gasabhängigkeit Deutschlands von Russland, welche nur mit enormen Kosten aufzulösen war. Döpfners Hauptargument: Der Handel mit Autokratien führt zu einer Handelsfalle („Trade Trap“). Diese Problematik legt er anhand der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU sowie den USA auf der einen und den Autokratien Russland und China auf der anderen Seite dar. 

Laut Döpfner ist der wirtschaftliche Erfolg beim Handel mit Autokratien nicht nur begrenzt auf eine kurze Zeit, er kostet auf lange Sicht sogar deutlich mehr als er kurzfristig einbringt – sowohl wirtschaftlich als auch politisch. Wirtschaftlich ist der Handel mit Autokratien auf Dauer teurer, denn Abhängigkeiten wieder zu entflechten ist organisatorisch aufwendig und kostenintensiv. Genau das hat sich im Falle von Deutschlands Abhängigkeit von russischem Gas sehr deutlich gezeigt. Politisch kommt uns der Handel mit Autokratien im Nachhinein teuer zu stehen, weil wirtschaftliche Abhängigkeit auch zu politischer Abhängigkeit führt: Wir machen uns politisch erpressbar und unterminieren unsere demokratischen Werte.

Döpfners Buch ist in erster Linie politisch orientiert. „The Trade Trap“ ist ein Plädoyer für die Stärkung von Demokratie als politischem System, das er durch den bislang ungebremsten Handel mit Autokratien gefährdet sieht. Die Lösung dieses Problems sieht er in einem sogenannten „Freedom Trade“, also einem freiheitlichen Handel. Dieser soll durch eine wirtschaftliche Allianz von Demokratien verwirklicht werden, die sich allesamt auf gemeinsamen Werte gründen. Diese Allianz soll, wenn es nach Döpfner geht, auch die in seinen Augen dysfunktionale Welthandelsorganisation ablösen.

Langsame und kontrollierte Entflechtung

Das Buch ist in vier Kapitel untergliedert und unterhaltsam sowie gut verständlich geschrieben. Diverse eingestreute Anekdoten Döpfners lockern das Buch auf. 

Ziel ist es, eine alternative Idee zum Handel mit Autokratien aufzuzeigen. Handfeste Kennzahlen finden sich allerdings nur wenige. Hin und wieder bezieht sich Döpfner auf einschlägige Studien, etwa vom Ifo-Institut oder dem IfW Kiel, die die volkswirtschaftlichen Kosten einer wirtschaftlichen Entflechtung von China abschätzen. Diese verwendet er jedoch eher instrumentell, um seine eigenen Argumente punktuell zu stützen. Eine größere Betrachtung und Einordnung von wirtschaftlichen Kennzahlen nimmt Döpfner nicht vor. Seine Darstellung Russlands und Chinas ist eher selektiv.

Wirtschaftliche Aspekte spielen zwar eine Rolle in Döpfners Buch, aber primär als wirtschaftspolitische Ansätze auf nationaler Ebene oder im größeren Kontext von globalem Handel. Die wirtschaftliche Erkenntnis ist ebenso simpel: Demokratien und Autokratien sind unvereinbar, also sollten sie ihre Handelsbeziehungen  reduzieren, wenn nicht gar teilweise aufgeben. Auf Dauer bringen diese ohnehin keinen Gewinn. Im Gegensatz dazu mahnte der ehemalige VW-Chef Herbert Diess gegen Ende 2022 aus Unternehmensperspektive noch, man könne nicht nur ausschließlich Geschäfte mit Demokratien machen, denn das würde den Markt angeblich extrem verkleinern. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing wiederum betonte, dass Deutschland volkswirtschaftlich betrachtet nicht existieren könne, wenn es den Handel auf reine Demokratien beschränken würde.

Laut Döpfner jedoch sollen Handelsbeziehungen zu autokratischen beziehungsweise unfreien Ländern langsam und kontrolliert, aber dauerhaft entflechtet werden. Demokratische Staaten sollen in der von ihm vorgeschlagenen wertebasierten Handelsallianz, die für Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und die Einhaltung von CO2-Emissionsrichtwerten steht, Handel mit ihresgleichen betreiben. Er begründet den Erfolg einer derartigen Allianz mit der Hypothese, dass Kooperation unter demokratischen und freiheitlich orientierten Staaten mehr Wertschöpfung produziere als Partnerschaften mit autokratischen Staaten. 

Auch Unternehmen sind erpressbar

Für dieses Argument hat Döpfner auch eine überzeugende Zahl parat: 2021 wurden 60 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 30 BIP-führenden Staaten erzeugt, welche als frei klassifiziert werden. Demgegenüber steht lediglich ein BIP von 24 Prozent als Beitrag sogenannter unfreier Staaten, wie China, Russland oder Saudi-Arabien. Damit ist Döpfner eine wichtige Gegenstimme im mittlerweile deterministisch anmutenden Diskurs von angeblicher unternehmerischer wie auch volkswirtschaftlicher Alternativlosigkeit zum Handel mit Autokratien.

Döpfner spricht dies in seinem Buch nicht konkret an, aber sein Argument lässt sich leicht auf Unternehmen übertragen. Auch auf dieser Ebene können Geschäftsbeziehungen Unternehmen finanziell abhängig und damit erpressbar machen. In Zusammenhang mit China ist hier beispielsweise Daimlers Entschuldigung und Selbstzensur hinsichtlich eines verwendeten Dalai-Lama Zitats zu nennen, aber auch das umstrittene Volkswagen-Werk in Xinjiang, durch welches sich der Konzern ein weiteres, lukrativeres Werk im südchinesischen Foshan sicherte.

Neben diesem recht einleuchtenden und wichtigen Argument hat Döpfners Buch allerdings auch diverse Schwächen. Im wirtschaftlichen Kontext ist ihm offenbar die paradoxe Rolle von Unternehmen in einer Demokratie – deren Unternehmensstrukturen selbst so gar nicht demokratisch organisiert sind – nicht bewusst. Und nur weil Unternehmen in demokratischen Ländern angesiedelt sind, verfolgen sie zudem nicht zwangsläufig auch eine gesellschaftsdienliche Ausrichtung. 

Döpfner ignoriert die Macht der Unternehmen

Man denke hier beispielsweise an kontroverse Produkte wie Tabak, Medikamente (Purdue und die Opioidkrise) oder Düngemittel (Bayer und Roundup). In diesem Zusammenhang ignoriert Döpfner auch die politische Macht und Einflussnahme von Unternehmen selbst durch verschiedene Formen von Lobbyismus beziehungsweise den Drehtüreffekt. In Anbetracht dessen, dass Döpfner selbst seit zwei Jahrzehnten einen der größten Medienkonzerne Europas führt, sollten ihm diese Sachverhalte nicht fremd sein. Hier scheint es dem Autoren an selbstkritischer Reflexivität zu mangeln.

Darüber hinaus spricht er zwar das Thema Kinderarbeit in Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen an, jedoch ist für Wirtschaftsakteure das Problem mit moderner Sklaverei und modernen Formen von Zwangsarbeit, insbesondere auch in chinesischen Lieferketten, derzeit deutlich akuter.

Neben diesen Schwächen hinsichtlich wirtschaftlicher Aspekte ist aber auch Döpfners holzschnittartige Darstellung von Demokratie problematisch. Er übersieht, dass Demokratien wie Deutschland oder die USA  systematische Probleme mit der politischen Einflussnahme von Großunternehmen haben – Stichwort: Lobbyismus. Auch das Ablegen von Rechenschaft seitens Politikern und Politikerinnen, die ihre ambitionierten Ziele verfehlen (siehe Andreas Scheuer und die Pkw-Maut) oder fragwürdige Projekte durchziehen (etwa Manuela Schwesig und Nord Stream 2, beziehungsweise die ominöse Klima- und Umweltschutz MV) ist unzureichend. 

Darüber hinaus scheint Döpfner nicht klar zu sein, dass der klassische Liberalismus, auf den er hin und wieder rekurriert, gar nicht dieselben Werte vertreten hat, die für unsere heutigen liberalen Gesellschaften relevant sind. Das betrifft beispielsweise die Gleichstellung von Mann und Frau, das Thema LGBTQ+ oder auch unsere Idee von Diversität heute.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass „The Trade Trap“ ein unterhaltsames Buch für all diejenigen ist, die eine argumentative Neuausrichtung in Hinblick auf die derzeitige Handelsdebatte suchen. Allerdings sollte man sich bei der Lektüre der diversen blinden Flecken des Autors stets bewusst sein. Doch auch trotz dieser Mankos lohnt sich die Lektüre.

Zur Rezensentin: Die Wirtschaftsethikerin und China-Expertin Alicia Hennig vertritt die Professur für Allgemeine BWL am Internationalen Hochschulinstitut Zittau der TU Dresden

Zum Buch: „The Trade Trap: How to Stop Doing Business with Dictators“ von Mathias Döpfner, erschienen bei Simon & Schuster, New York 2023, 208 Seiten, 23,25 Euro

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